CDU-Generalsekretär Hagel

"Ich halte nichts von einer Schweinefleisch-Pflicht in Kantinen"

Er gibt im RNZ-Interview zu: Die Konservativen in der CDU hätten "etwas gelitten" - Das soll sich ändern - Aber nicht um jeden Preis

28.03.2018 UPDATE: 29.03.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 41 Sekunden

"Unsere Idee von einem Konservatismus ist nie reaktionär": CDU-Generalsekretär Manuel Hagel. Foto: M. Murat

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Stuttgart. Als sich vor einem Jahr die "WerteUnion - Freiheitlich-konservativer Aufbruch" als Dachverband streng konservativer Gruppen innerhalb der CDU gründete, war Manuel Hagel wenig begeistert. Wer sich einbringen wolle, müsse keine "Selbsterfahrungskurse außerhalb der Partei" machen, schimpfte der Generalsekretär der Südwest-CDU. Die Zeiten haben sich geändert. Am 7. April wird der 29-Jährige ein Grußwort zum einjährigen Bestehen sprechen.

Herr Hagel, vor einem Jahr haben Sie über die "WerteUnion" noch geschimpft, jetzt sind Sie deren Gast. Was hat sich geändert?

Ich habe immer gesagt, dass die Konservativen in der CDU Baden-Württemberg kein Reservat brauchen, sondern ihren Platz in unserer Mitte haben. Ich bin froh über jeden, der sich Gedanken macht, wie unsere Volkspartei in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren aussehen soll. Und ich bleibe auch dabei: Bei der Forderung, die Werteunion müsse eine Vereinigung innerhalb der CDU werden, bin ich sehr zurückhaltend.

Sie selber haben inzwischen eine Art "Weckruf" für ein konservatives Profil veröffentlicht. Ein Eingeständnis, dass die Sehnsucht nach einer Stärkung dieses Markenkerns berechtigt ist?

Als Christdemokrat sind wir immer gleichermaßen konservativ, liberal und christlich-sozial. Unser Ur-Markenkern ist dabei das christliche Menschenbild. Ja, es ist richtig, dass die Konservativen in der CDU in den letzten Jahren etwas gelitten haben. Da machen wir uns Gedanken, dass wir diese Wurzel wieder mit neuem Leben füllen können. Wir haben aber immer mehr das Morgen im Blick als das Gestern. Das ist die Sollbruchstelle, die uns von der AfD unterscheidet: Unsere Idee von einem Konservatismus ist nie reaktionär.

Das ist der ideologische Überbau…

Lassen Sie mich kurz einhaken: Unsere Idee ist gerade keine Ideologie, sondern eine Philosophie, weil wir mit unserem christlichen Menschenbild niemanden ausgrenzen.

Also jenseits des philosophischen Überbaus: Wo wollen Sie konkret konservative Zeichen setzen?

Nur im Abstrakten zu sagen, wir seien konservativ, das wird jedenfalls nicht genügen. Das Konservative ist für mich das Scharnier, das Verändern und Bewahren zusammenhält. Was wollen wir denn Bewahren? Zum Beispiel unsere Traditionen. Die Vorstellung von einer christlich-jüdischen Gesellschaft mit ihrem Wertekanon. Dinge wie Heimat, wie Identifikation, am Ende auch die Frage von Leitkultur, haben hier eine zentrale Bedeutung. Bei Veränderungen müssen wir die Partei mit dem festen Wertefundament sein, die jeden gesellschaftlichen Transformationsprozess so anpassen kann, dass die Menschen davon auch profitieren. Beispielsweise die Digitalisierung: Sie ist kein Selbstzweck - sie muss den Menschen dienen.

Sie haben das christlich-jüdische Fundament angesprochen. Damit stehen Sie hinter Horst Seehofer: Der Islam gehört nicht zu Deutschland - aber die Muslime?

Unsere Gesellschaft, unser Staat ist natürlich christlich-jüdisch geprägt. Die Freiheit, die Solidarität, die Subsidiarität - all diese Werte, wie wir sie leben und verstehen, lassen sich erst aus dem christlichen Verständnis heraus deuten. Aber als Christdemokraten sind wir auch die Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Obwohl der Islam nicht zu unserem Land gehört, gehören gleichwohl alle Muslime hier in unserem Land, die auf unserer Wertebasis mit uns leben, zu unserer Gesellschaft - und zu unserem Land.

Besonders kritisch wird die Rolle der Türkei beobachtet. Kann ein Verein wie die Ditib wirklich weiter Partner für das Land sein?

Miteinander reden ist immer erfolgreicher als übereinander reden. Mit Blick auf die Ditib ist aber auch klar, dass jemand, der seine Botschaften direkt von einer Religionsbehörde in der Türkei bekommt, im Grunde nicht frei zu und für die Menschen in Deutschland sprechen kann. Das ist ein großes Fragezeichen hinter der Frage, inwieweit diese Organisation ein Ansprechpartner für das Land Baden-Württemberg sein kann. Man stößt jedoch zugleich organisatorisch an Grenzen, weil auf Seiten der Muslime ein anderer zentraler Ansprechpartner fehlt.

Beim Kritik an der Türkei steht auch immer der Flüchtlings-"Deal" der Kanzlerin in Frage. Eine unglückliche Abhängigkeit, zumal es ja auch Erwartungen in Richtung EU-Beitritt gibt?

Geopolitisch brauchen wir die Türkei als "Tor zum Orient" als strategischen Partner. Der Flüchtlings-Deal - den ich eigentlich ungern so nennen möchte, da man "Deals" ja nicht mit Menschen macht - war auch richtig. Davon völlig unberührt sehe ich die Frage eines EU-Beitritts. Die Türkei kann und darf niemals Vollmitglied der Europäischen Union werden. Nach unserer Vorstellung ist die EU nicht nur eine Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft, sondern vor allem auch eine Wertegemeinschaft. Diese Werte teilt die Türkei nicht. Nicht in der Frage der Menschenrechte, der Religionsfreiheit, der Minderheitenrechte.

Schauen wir auf die Große Koalition: Hat sich die CDU zu sehr nachgeben müssen, um das Bündnis mit der SPD zu ermöglichen?

Man muss zwei Dinge trennen: das Inhaltliche, das sich im Koalitionsvertrag abbildet, und das Personelle. Bei den Inhalten können wir uns im Kapitel zur Zuwanderung, bei der Familienförderung, bei der Digitalisierung und bei der inneren Sicherheit absolut wiederfinden.

Und personell?

Der Verlust des Finanzministeriums schmerzt. Da gibt es nichts herumzureden. Aber zur Wahrheit gehört auch: 2005 bis 2009 war der Finanzminister ebenfalls nicht bei der CDU. Und es war ein jahrzehntelanger Wunsch insbesondere des Wirtschaftsflügels, wieder einmal wirtschaftspolitisches Profil zu zeigen. Diese Chance bietet sich jetzt in erhöhtem Maße. Und nicht zuletzt: Ich glaube, dass es verheerend gewesen wäre für das Ansehen der Politik, wenn wegen der Besetzung eines Ressorts keine Regierung zustande gekommen wäre.

Zuletzt noch einmal zurück zur WerteUnion: Was erwarten Sie eigentlich von dieser Gruppe an Engagement für die Partei?

Ich gehe zur WerteUnion mit einem Gefühl der Freude. Wir als Landesverband stehen - anders als vielleicht der eine oder andere Landesverband - dieser Gruppe nicht unversöhnlich gegenüber. Ich als Generalsekretär bin dankbar für jedes CDU-Mitglied, erst recht für jedes, das sich Gedanken macht. Niemand hat automatisch recht, niemand hat automatisch unrecht. Eines möchte ich aber klarstellen: Ich halte nichts von ausgrenzenden Forderungen wie einer Schweinefleisch-Pflicht in Kantinen oder dem Verbot von Moscheen. Dafür bin ich nicht zu haben.