Polizisten bei der Beerdigung von NSU-Opfer Kiesewetter. Foto: dpa
Von Christiane Jacke
Berlin/Stuttgart. Die Ermittlungsarbeit der baden-württembergischen Sicherheitsbehörden im Fall NSU stößt im Untersuchungsausschuss des Bundestages auf Kritik. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland sagte am Donnerstag in Berlin, er sei tief enttäuscht über die bisherigen Ermittlungsergebnisse. "Baden-Württemberg ist noch mit der weißeste Fleck auf der Landkarte unserer Untersuchung." FDP-Obmann Hartfrid Wolff sprach von gravierenden Pannen im Südwesten und mahnte, die Polizei müsse dringend weitere Erkenntnisse sammeln. Linke-Obfrau Petra Pau beklagte, die Behörden im Südwesten hätten die Gefahr durch den Rechtsextremismus unterschätzt.
Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) wies die Kritik zurück. "Wir werden den Schwarzen Peter nicht annehmen." Abgesehen vom Einsatz verunreinigter Wattestäbchen und der Jagd nach einem Phantom, "haben sich die Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zum Heilbronner Polizistenmord nichts vorzuwerfen", so Gall.
Vertreter von LKA, BKA und Bundesanwaltschaft hatten den Untersuchungsausschuss zuvor in nicht-öffentlicher Sitzung über den Stand ihrer Ermittlungen rund um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) und die rechtsextreme Szene informiert.
Der Ausschuss nahm die Verbindungen der Terrorzelle NSU und die Aktivitäten des rassistischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan im Südwesten in den Blick. Im Sommer war ans Licht gekommen, dass zwei Polizisten aus Baden-Württemberg vor zehn Jahren Mitglieder einer Sektion des Ku-Klux-Klans mit Sitz in Schwäbisch Hall waren. Einer der beiden war Gruppenführer der Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn getötet wurde. Der Mord soll auf das Konto des NSU gehen.
Laut Bundesanwaltschaft gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Bezug zum Ku-Klux-Klan. Mehrere Obleute mahnten aber, angesichts der mangelnden Erkenntnisse sei bislang noch nichts auszuschließen. Viele Fragen seien weiter offen. Auch der baden-württembergische Verfassungsschutz war in die Schlagzeilen geraten, weil ein Mitarbeiter geheime Informationen an den Ku-Klux-Klan verraten hatte.
Eine frühere Verfassungsschützerin sagte im Ausschuss, der Gruppe hätten damals bundesweit rund 20 Personen angehört. Der Anführer und bis zu sechs Mitglieder hätten in Baden-Württemberg gelebt. Neben den zwei Polizisten hätten wohl auch einzelne andere Beamte Interesse an dem Bund gezeigt. Näheres sei ihr aber nicht bekannt. Ihre Behörde habe die Sektion damals beobachtet und den Mitgliedern auch mitgeteilt, dass sie im Visier seien. Die Gruppe habe sich daraufhin aufgelöst.
Auf einer Adressliste, die 1998 in einer vom NSU-Trio angemieteten Garage gefunden wurde, standen auch Kontakte aus dem Raum Ludwigsburg in Baden-Württemberg. Die Verfassungsschützerin sagte, dies sei ein "absolutes Rätsel". "Offenbar hatten wir für den Raum Ludwigsburg ein Erkenntnisdefizit."
Der frühere Landesverfassungsschutzpräsident Helmut Rannacher räumte Versäumnisse ein. "Wir haben ganz sicher nicht weggeschaut, aber wir haben auch nicht richtig hingeschaut." Das Ergebnis sei desaströs. "Ich bekenne mich zu den Fehlern und sehe auch meine eigene Verantwortung", sagte Rannacher. Rannacher hatte das Amt 1995 bis 2005 geführt.