Familiendramen erschüttern den Südwesten

Aldingen/Lichtenau/Kehl. Drei dramatische Fälle an Pfingsten: Verwahrlostes Kleinkind stirbt, Vater ersticht Tochter, Mutter verabreicht ihren Kindern Tabletten

30.05.2012 UPDATE: 30.05.2012 06:55 Uhr 1 Minute, 51 Sekunden
In Aldingen ist ein verwahrlostes Mädchen gestorben. Foto: dpa
Von Jürgen Ruf und Anika von Greve-Dierfeld

Aldingen/Lichtenau/Kehl. Drei Familiendramen um Kleinkinder erschüttern den Südwesten - in allen Fällen tappt die Polizei bei der Aufklärungsarbeit weitgehend im Dunklen. Bei dem fast zwei Jahre alten, verwahrlosten Mädchen, das in Aldingen (Kreis Tuttlingen) gestorben ist, kennen die Ermittler inzwischen die Todesursache: Das Kind erlag laut Obduktion einem verzögerten "Herz-Kreislaufversagen bei starker Auszehrung und Flüssigkeitsmangel". Was einen Vater in Lichtenau (Kreis Rastatt) am Pfingstwochenende dazu bewegte, seine 18 Monate alte Tochter zu erstechen, war drei Tage nach der Tat weiter unklar. Es sei sehr schwierig, die Details zu rekonstruieren, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rastatt/Baden-Baden. Bislang habe man nur kleine Mosaikstücke, die sich noch nicht zu einem Ganzen fügten. Der 40-Jährige sitzt in Untersuchungshaft. Der Leichnam des Kindes wurde obduziert. Zu Ergebnissen wollte die Staatsanwaltschaft nichts sagen.

Im badischen Kehl (Ortenaukreis) haben möglicherweise zwei Spaziergänger ein tödliches Familiendrama verhindert. Die beiden fanden am Sonntag bei einem Waldspaziergang ein lebloses Kleinkind sowie zwei weitere bewusstlose Körper auf dem Boden liegend, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Sie riefen Notarzt und Polizei und retteten Leben.

Nach Angaben der Ermittler hatte eine 36 Jahre alte Mutter ihren beiden Kindern, einem zweijährigen Mädchen und einem zehnjährigen Jungen, Tabletten verabreicht. Auch sie selbst nahm die Medikamente. Als die Spaziergänger sie fanden, hatten die drei bereits das Bewusstsein verloren. Sie wurden ins Krankenhaus gebracht. Die Hintergründe der Tat sowie das Motiv seien noch unklar.

Die beiden Geschwister des verwahrlosten Mädchens aus Aldingen kamen bei Pflegefamilien unter. Dem fast dreijährigen Jungen und seinem neun Jahre alten Bruder gehe es gesundheitlich gut, so ein Sprecher des Kreisjugendamtes. Sie seien traumatisiert und würden psychologisch betreut. Die Schwester der beiden war am Sonntag, wenige Tage vor ihrem Geburtstag, tot aufgefunden worden.

Die 24 Jahre alte Mutter der drei Kinder sitzt in Untersuchungshaft. Ihr wird Totschlag durch Unterlassen vorgeworfen. Gegenüber den Ermittlern schweigt sie. Das Kreisjugendamt Tuttlingen besuchte die Familie den Angaben nach zuletzt im März 2012. Die Mitarbeiter hätten "keine Unregelmäßigkeiten" festgestellt. Anhaltspunkte für Versäumnisse des Kreisjugendamtes gebe es nicht.

Das Mädchen und seine Geschwister hatten die Nacht zum Pfingstsonntag und den Morgen alleine in der Wohnung verbracht. Als die alleinerziehende Mutter nach Hause kam, war das Mädchen tot. Den alarmierten Beamten und dem Notarzt seien sofort die desolaten Wohnverhältnisse sowie die offensichtliche Verwahrlosung des toten Mädchens aufgefallen. Die Familie wohnte in einem Mehrfamilienhaus in der knapp 7600 Einwohner zählenden Gemeinde.

In den vergangenen zwei Jahren hatte es immer wieder Alarmzeichen gegeben, sagte Tuttlingens Landrat Stefan Bär. Seine Behörde habe nach Hinweisen schnell reagiert. "Wir sind sofort aktiv geworden." Es habe seit Juni 2010 mehrere unangekündigte Besuche durch das Kreisjugendamt gegeben, die Mutter habe sich betreuen und beraten lassen. "Wir haben festgestellt, dass die Familie in einer schwierigen Situation, die Mutter am Rande ihrer Möglichkeiten war", sagte Bär. "Aber eine Verwahrlosung oder eine andere akute Gefährdung der Kinder war nicht feststellbar."

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