Berufsschulen sehen Integration scheitern
Verband: Dramatische Engpässe bei der Unterrichtsversorgung
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Der Berufsschullehrerverband (BLV) warnt eindringlich vor einer deutlichen Verschlechterung der Unterrichtsversorgung an den beruflichen Schulen im Land. Als Grund für seinen Weckruf nennt der Verband geplante Stellenstreichungen von Seiten der Landesregierung, aber auch zu optimistische Annahmen bei der Beschulung von Flüchtlingen. "Unter diesen Bedingungen wird die von der Politik geforderte Integration scheitern", sagte BLV-Landesschef Herbert Huber am Montag in Stuttgart.
Nach den Berechnungen, die der Verband gestern vorgelegt hat, würden zum kommenden Schuljahr mindestens 860, eher aber 1000 Stellen zur Sicherstellung des derzeitigen Niveaus der Unterrichtsversorgung fehlen. Die Zahl ergibt sich aus geplanten Stellenstreichungen, auslaufenden befristeten Lehraufträgen und wieder zu besetzenden Stellen, die - etwa aufgrund von Pensionierungen oder Elternzeiten - frei werden.
Das Kultusressort vermeldete am Nachmittag indes, dass sich Ministerin Susanne Eisenmann (CDU) erfolgreich dafür eingesetzt habe, dass 400 bislang bis Ende Juli 2017 befristete Stellen für den Unterricht von Flüchtlingen verlängert werden. Dadurch werde sich die Einstellungssituation im laufenden Jahr nun deutlich entspannen. "Entgegen den Befürchtungen des BLV rechnen wir damit, dass sich die Unterrichtsversorgung an den beruflichen Schulen auf einem ähnlich hohen Niveau wie im laufenden Schuljahr bewegen wird", sagte Eisenmann.
Zieht man die 400 von den vom Verband beklagten 860 Fehlstellen ab, ergibt sich immer noch eine Lücke von 460 Stellen. Die dürfte sich im Mai, wenn die Schulen die tatsächlichen Bedarfe melden, noch etwas verkleinern, schließen aber dürfte sie sich kaum. Dabei, sagte Huber, seien die Schüler- und Klassenzahlen keineswegs rückläufig. Dazu komme, dass die Mehrheit der Flüchtlinge entgegen der Einschätzung der Politik eben nicht schon nach kurzer Zeit in eine Berufsausbildung wechseln könne. Das für jugendliche Flüchtlinge vorgesehene Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen, kurz: VABO, müssten 30 Prozent der Schüler wiederholen. Bei Schülern, die erst nach Beginn des Schuljahres in eine VABO-Klasse aufgenommen werden, wiederhole sogar mehr als die Hälfte.
Ein Jahr sei "viel zu optimistisch" kalkuliert, sagte BLV-Vize Renate Granacher-Buroh. Schließlich kämen viele jugendliche Flüchtlinge ohne jegliche Kenntnisse der deutschen Sprache und teils nur mit sehr geringer Schulbildung. Das neue Konzept in den VABO-Klassen müsse "auf seine Umsetzbarkeit überprüft werden", forderte denn auch Grünen-Schulexpertin Sandra Boser. "Diese Schüler", prophezeite Huber, "werden sechs Jahre plus X an Berufsschulen verbringen, bis sie erfolgreich eine Arbeit aufnehmen können."
Trotz der Klagen stehen die beruflichen Schulen bei der Unterrichtsversorgung mit einem Fehlstundenanteil von 1,7 Prozent relativ gut da. Im Schuljahr 2010/11 hatte der Vergleichswert noch 4,4 Prozent betragen, bevor er unter Grün-Rot deutlich gesenkt worden ist. SPD-Bildungsexperte Gerhard Kleinböck warf Eisenmann vor, keine Skrupel zu haben, die Berufsschulen im eigenen Land ausbluten zu lassen. Huber verwies auf einen Anstieg der Überstunden-Bugwelle auf mehr als 1800 Deputate, die ein weiterer Beleg für den sich verschärfenden Lehrermangel sei. "Unter den gegebenen Vorzeichen scheint ein nachhaltiger Abbau in weiter Ferne."