Verluste für Tories und Labour

Britische Kommunalwahlen: Ohrfeige für die Konservativen

Kommunalwahlen als Stimmungsbarometer: Die regierenden Tories in Großbritannien haben heftige Einbußen einstecken müssen. Aber auch Labour bekam sein Fett weg. Viele Wähler sind genervt vom Brexit.

03.05.2019 UPDATE: 03.05.2019 07:13 Uhr 1 Minute, 56 Sekunden
Theresa May
Nach der Wahlschlappe werden in der Konservativen Partei die Rufe nach einem schnellen Rücktritt von Premierministerin May lauter. Foto: Aaron Chown/PA Wire

London (dpa) - Bei den britischen Kommunalwahlen sind die regierenden Konservativen wegen des Brexit-Streits massiv abgestraft worden. Sie verloren 1335 Sitze im Vergleich zu den Wahlen 2015.

Auch die größte Oppositionspartei Labour musste bei den Abstimmungen in weiten Teilen Englands und Nordirlands Verluste hinnehmen. Klare Gewinner sind die EU-freundlichen Liberaldemokraten. Die Grünen und einige unabhängige Kandidaten konnten ebenfalls zulegen.

"Das Bild ist klar", räumte Premierministerin Theresa May am Freitag bei einer Parteiveranstaltung in Wales ein. "Dies ist eine schwierige Zeit für unsere Partei und die Wahlergebnisse sind ein Symptom hierfür." Ein Mann rief May zu: "Warum treten Sie nicht zurück?"

Die frühere Entwicklungshilfeministerin Priti Patel sagte angesichts des Debakels für die Tories: "May ist ein Teil des Problems. Wir können einfach nicht so weitermachen. Wir brauchen einen Wechsel."

Insgesamt ging es bei den Kommunalwahlen um mehr als 8000 Sitze lokaler Gremien. Gewählt wurde in 248 englischen Bezirken. In einigen davon ging es darum, alle Sitze neu zu vergeben, in anderen stand nur ein Teil zur Wahl. In Nordirland wurden die Gremien in allen elf Bezirken des Landesteils komplett neu besetzt. In sechs mittelgroßen und kleineren Städten wurden zudem neue Bürgermeister bestimmt. In Schottland, Wales und auch in London wurde nicht gewählt.

Nach Auszählung aller Bezirke verlor Labour 86 Sitze. Die EU-feindliche Partei Ukip verbuchte 145 Sitze weniger, die Liberaldemokraten gewannen hingegen 704 dazu.

Politikwissenschaftler John Curtice von der Universität Strathclyde in Glasgow sprach von einer Bestrafungsaktion der Wähler: "Die Labour-Partei verliert dort, wo sie historisch stark ist. Und die Konservativen verlieren dort, wo sie historisch stark sind." Außenminister Jeremy Hunt nannte die Verluste bei Twitter eine "Ohrfeige ins Gesicht der beiden großen Parteien".

Eigentlich hätte Großbritannien die Europäische Union bereits Ende März verlassen sollen. Die Brexit-Frist wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert, nachdem May dreimal im Parlament mit ihrem Austrittsabkommen gescheitert war. Das Unterhaus in London ist nach wie vor in Sachen EU-Austritt heillos zerstritten.

Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte lange Zeit nicht klar Position zum Brexit bezogen, was ihm starke Kritik einbrachte. Am Freitag warf er der Konservativen Partei und den Liberaldemokraten vor, gemeinsam für einen jahrelangen Sparkurs zu Lasten der Bevölkerung verantwortlich zu sein. Die Liberaldemokraten waren von 2010 bis 2015 Koalitionspartner der Konservativen unter Premierminister David Cameron, was sie etliche Wähler und Mitglieder gekostet hat.

Der Politikwissenschaftler Curtice warnte in Interviews, dass sich die Liberaldemokraten angesichts ihres angeschlagenen Images nicht zu früh freuen sollten. "Sie sollten lieber billigen als teuren Champagner trinken - vielleicht sogar lieber Prosecco." Der Chef der Liberaldemokraten, Vince Cable, jubelte hingegen, dass nach den Konservativen und Labour die Liberaldemokraten wieder eine größere Rolle spielten. "Die Drei-Parteien-Politik ist zurück", twitterte er.

Die neu gegründete Brexit-Partei des Ex-Ukip-Chefs Nigel Farage durfte noch nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen. Sie führt bereits Wochen nach ihrer Gründung die Umfragen zur Europawahl Ende Mai an.

Überschattet wurden die Kommunalwahlen vom Rauswurf des Verteidigungsministers Gavin Williamson am Mittwoch. Regierungschefin May wirft Williamson vor, Medienvertretern sensible Informationen aus einem Treffen des nationalen Sicherheitsrats gesteckt zu haben. Williamson wies dies strikt zurück. Seine Nachfolgerin ist die bisherige Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt.