"Insolvenz der USA wäre katastrophal"

Finanzexperte Gerke hofft auf eine Einigung im Etat-Streit

16.10.2013 UPDATE: 16.10.2013 08:29 Uhr 1 Minute, 35 Sekunden
Professor Wolfgang Gerke. Foto: dpa
Von Christoph Slangen, RNZ Berlin

Berlin. Professor Wolfgang Gerke ist seit seiner Emeritierung im Jahr 2006 Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums, eines Vereins zur Vernetzung der bayerischen Finanzwirtschaft. Von 1981 bis 1992 war er Professor für Bankwesen in Mannheim.

Der deutsche Aktienindex erreicht nach Kompromiss-Signalen im US-Schuldenstreit einen Rekordstand. Werden Republikaner und Demokraten die US-Insolvenz noch abwenden?

Ich bleibe optimistisch. Ich gehe davon aus, dass rechtzeitig bis Donnerstag eine Übergangslösung gefunden wird. Die Folgen einer Insolvenz der Vereinigten Staaten wären so katastrophal, dass das keine Seite verantworten kann.

Welche Konsequenzen hätte es, wenn die Schuldenobergrenze bis Donnerstag nicht angehoben würde?

Das Überschreiten der Schuldenobergrenze führt zur Insolvenz. Das ist weitaus gravierender als der aktuelle Zustand, wo es wegen des fehlenden Haushalts zum Zwangsurlaub für Staatsbedienstete kommt, zum government shutdown. Bei einer Insolvenz wäre China nie wieder bereit, amerikanische Staatsanleihen zu kaufen. China ist der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. Man würde eine weltweite Rezession riskieren. Banken, die stark in US-Titel investiert haben, wären hart getroffen, wenn Zinszahlungen und Tilgungen ausbleiben. Es ist ein Horrorszenario.

Wie wären die Folgen für Deutschland?

Der Euro würde sehr stark werden gegenüber dem Dollar. Das träfe auch Deutschland als Exportnation. Wir kämen vielleicht etwas besser weg als manches südeuropäische Land, dessen Produkte nicht so konkurrenzfähig sind. Auch die deutsche Kredit- und Versicherungswirtschaft wäre betroffen. Die Konzerne haben in sogenannte "sichere" amerikanische Staatsanleihen investiert.

Würden Lebensversicherungen an Wert verlieren?

Amerika ist ja grundsätzlich in der Lage, die Zinsen wieder zu bedienen. Die Vereinigten Staaten wären nicht fundamental insolvent, sondern wegen der Beschlusslage in Repräsentantenhaus und Senat. Mit der Lage in Griechenland ist das nicht vergleichbar. Dennoch wären die Konsequenzen dramatisch. Vertrauen wäre nachhaltig zerstört. Der chinesische Regierungssprecher hat vor wenigen Tagen erst angekündigt, dass das Land wegen der Unsicherheiten in Amerika weniger in den Dollar investieren und Devisenreserven breiter streuen will. Das war ein wichtiger Wink in Richtung USA.

Ein Kompromiss im Streit um Haushalt und Schuldenobergrenze wird wohl nur einige Monate Entspannung bringen. Was ist grundsätzlich zu tun?

Die Vereinigten Staaten müssen die Staatsverschuldung abbremsen, die Republikaner und Demokraten angehäuft haben. Das bedeutet nicht, dass man bei der Sozialversicherung, bei Obamas Gesundheitsprogramm sparen müsste. Die US-Notenbank darf jedoch nicht ständig US-Staatsanleihen in Milliardenhöhe aufkaufen.

Wo müssen die USA sparen?

Der Etat müsste vor allem im militärischen Bereich zurückgefahren werden. Die Vereinigten Staaten müssen schließlich auch nicht überall auf der Welt in Konflikte eingreifen.