Streikrecht für Lehrer?

Tausche Streikrecht gegen lebenslange Stelle

Vor dem Verfassungsgericht geht es um die Frage, ob Beamte für ihre Belange streiken dürfen

17.01.2018 UPDATE: 18.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden

Monika Dahl kassierte fürs Streiken eine saftige Disziplinarstrafe - und zog vors Verfassungsgericht. Foto: Deck

Von Daniel Bräuer

Karlsruhe. Monika Dahl ist "in der Gewerkschaft", wie sie sagt. "Und in der Gewerkschaft streikt man", sagt die frühere Realschullehrerin aus St. Augustin bei Bonn. Also ging sie mit auf die Straße, als Nordrhein-Westfalen die Ruhestandsgrenze für Lehrer heraufsetzen und Möglichkeiten zur Altersteilzeit kürzen wollte. An insgesamt drei Tagen, mit ihren angestellten Kollegen. Das Problem: Dahl war Beamte und durfte nicht streiken. Sie erhielt eine Geldbuße aufgebrummt, 1500 Euro, dazu die Androhung einer Gehaltskürzung.

Dahls Fall ist einer von vieren, die nun vor dem Verfassungsgericht gelandet sind. Sollten Lehrer streiken dürfen? Die Frage, so beschreibt es Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, lasse sich "prägnant formulieren, aber nicht leicht beantworten".

Für die Gegner des Antrags ist es jedoch klar. Dazu gehören die Bundesregierung, Vertreter zahlreicher Länder, aber auch der Beamtenbund (dbb). Ihre Argumentation: Das Berufsbeamtentum ist fein säuberlich austariert mit Rechten und Pflichten. Dazu gehören das Lebenszeit- und das Alimentationsprinzip. Der Staat verspricht seinen unkündbaren Dienern ein gutes Auskommen. Im Gegenzug erhält er Loyalität - und die Bereitschaft der Beamten, sich jederzeit überall einsetzen zu lassen. Von einem "Gesamtsystem, das ohne das Streikverbot seinen Sinn verlöre", spricht Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Ein tragender Balken, der die ganze Konstruktion zum Einsturz bringen könnte, betonten die Vertreter immer wieder.

Das sehen die Vertreter von Dahl, ihren drei Mitklägern, der DGB und die Bildungsgewerkschaft GEW anders. "Rechte können nicht abgekauft werden", so DGB-Arbeitsrechtsexpertin Helga Nielebock. Auch bei einem Beamtenstreik würde nicht alles zusammenbrechen, betont sie. "Wir wissen sehr wohl, was an Notbetreuung vorgehalten werden muss", betont sie. "Das ist unsere Verantwortung, der wir auch nachkommen."

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Die Gewerkschafter plädieren dafür, Beamte nicht nach ihrem Status zu bewerten, sondern nach Funktion: Wer unverzichtbare hoheitliche Aufgaben ausübt, soll nicht streiken dürfen. Andere schon, etwa zu Themen wie Gesundheitsschutz oder Arbeitszeit. Ein DGB-Vertreter führt aus, dass das Ergebnis dann ja auf die "hoheitlichen" Beamten ohne Streikrecht übertragen werden könnte.

Doch genau daran stören sich die Richter offensichtlich. "Die nicht so wichtigen kriegen als Sahnehäubchen das Streikrecht, und die wichtigsten müssen darauf hoffen, dass das Ergebnis für sie nachgezogen wird?", formuliert es Richterin Sibylle Kessa-Wulf. Das funktioniere ja schon heute nicht immer bei der Übertragung des Angestelltentarifs auf Landesbeamte, ergänzt Richter Peter Huber. Ein Umstand, den die Gewerkschaften selbst oft genug beklagen.

Ob gerade Lehrer nun eine hoheitliche Aufgabe wahrnehmen - etwa weil schon die Schulpflicht ein Eingriff ins Elternrecht ist, daran scheiden sich auch unter den Klagegegnern die Geister. Auch müssen die Richter abwägen, ob Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Streikrecht türkischer Beamter eine Änderung in Deutschland erforderlich machen.

Hinnerk Wißmann, der Bevollmächtigte für Niedersachsen, bestreitet das. "Der Status von Beamten ohne Streikrecht ist evident besser als der von Angestellten mit Streikrecht", sagt er. "Gerade die Lehrer stimmen hier mit den Füßen ab." Länder, in denen Lehrer ein Wahlrecht haben, berichten unisono: Die meisten streben ins privilegierte Beamtendasein. Und noch etwas betonen die Gegner: Wer das nicht mehr will, kann ja auch wieder austreten.

So wie Monika Dahl. Sie ist ganz aus dem Schuldienst ausgetreten. Nicht wegen des Streik-Streits, sondern weil sie noch mal was anderes machen wollte: Filmemacherin. Ihr Bußgeld hat sich im Lauf der Instanzen auf 300 Euro reduziert. Dass die Chancen in Karlsruhe nicht rosig stehen, nimmt sie hin. "Auf jeden Fall wird weiter gekämpft, egal, wie das hier ausgeht", sagt sie entschlossen. Gezahlt hat sie noch nicht.