Von Klaus Welzel
Heidelberg. Jedes Wochenende analysiert Hans-Georg Kräusslich, Chefvirologe am Uniklinikum Heidelberg die Corona-Pandemie für die RNZ.
Professor Kräusslich, was müssen wir tun, um die Pandemie in den Griff zu bekommen?
Die aktuell steigenden Zahlen zeigen, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend waren. Auch kleinere Nachbesserungen wie Wechselunterricht werden dies nicht ändern. Wirkliche Erfolge bei der Reduktion der Infektionszahlen sind wohl nur mit Maßnahmen zu erreichen, wie sie zuletzt zum Beispiel in Frankreich und Israel ergriffen wurden: also eine weitgehende Einschränkung des öffentlichen Lebens – inklusive Ausgangsbeschränkungen.
RNZ-Corona-Podcast - Folge 31: Die Risiken bei der Corona-Impfung
Interview: Klaus Welzel / Schnitt und Produktion: Reinhard Lask
Der härtere Lockdown kommt ja sehr wahrscheinlich, das Uniklinikum Heidelberg hat zusammen mit der Stadt und dem Rhein-Neckar-Kreis dafür plädiert, ab übernächste Woche die Geschäfte zu schließen – für wie lange eigentlich?
Ich würde noch einen Schritt weitergehen: besser schon zu Beginn der nächsten Woche. Wir sehen jetzt den deutlichen Anstieg; wenn wir so weitermachen, sind wir nächsten Freitag eventuell bei 35.000 oder 40.000 Neuinfektionen pro Tag. Das würde Kliniken und Intensivstation noch stärker belasten, die jetzt schon am Anschlag sind. Zwei Gründe sprechen für die schnelle Reaktion: Die Zahl der Infektionen ist niedriger als zum späteren Zeitpunkt, deswegen greift der Effekt besser. Und bei weiterem Zuwarten hält der Druck auf das Gesundheitssystem noch länger an. Also: Je früher, desto besser – und realistisch betrachtet über die Weihnachtsferien hinaus bis in die zweite Januarwoche.
Bisher lag die Region oftmals im Trend oder stand sogar besser da als der Rest der Republik. Wo sehen Sie uns heute?
Wir hatten in der ersten Welle eine sehr gute Situation in unserer Region, das ist im Moment leider nicht so. Zwar liegen die Zahlen in Mannheim und Speyer noch höher, aber mit 170, 180 in der Sieben-Tage-Inzidenz weist die Rhein-Neckar-Region höhere Werte auf als manch andere Region im Land. Ab 200 wäre die Region übrigens ein Hotspot.
Sind denn Verwandtenbesuche in Heimen noch vertretbar?
Man muss immer den Nutzen gegen das Risiko abwägen und politisch entscheiden. Für Bewohner von Heimen und Patienten in Kliniken sind Besucher wichtig – denken Sie an Demenzkranke. Hier muss man Wege finden, wie Besuche in Grenzen möglich sind, zum Beispiel mit FFP2-Masken für Besucher. Das ist auch am Uniklinikum vorgesehen.
Kann man sagen, dass verantwortungsbewusste Menschen in Selbstquarantäne gehen, bevor sie ihre Lieben besuchen?
Die Selbstquarantäne würde ganz automatisch erfolgen, wenn wir weitgehende Ausgangsbeschränkungen haben, die Kontakte also auf ein Minimum reduziert sind. Wichtig bleibt auch dann das Tragen der Masken; ich trage den Mund-Nasenschutz auch dann, wenn es nach den Regeln nicht unbedingt erforderlich wäre, also zum Beispiel bei geöffnetem Fenster und wenn der Abstand im Raum eingehalten werden kann – und das schränkt mich auch nicht ein.
Die Hochschule München in einer Studie festgestellt, dass Plastikvisiere die Aerosole nicht stoppen, sondern vielmehr gleichmäßig im Raum verteilen.
Die Plexiglas-Schilde wurden im Frühjahr als Spuckschutz gegen Tröpfcheninfektion eingeführt. Mittlerweile wissen wir, dass das Virus auch durch Aerosole übertragen wird; die Visiere leiten aber den Luftstrom lediglich um und verwirbeln ihn, schützen also nicht vor Aerosol-Infektion. Eine neue Erkenntnis ist das nicht. Es zeigt aber: Am Mund-Nasenschutz führt kein Weg vorbei.
Großbritannien hat die Impfkampagne gestartet. Jetzt heißt es, Allergiker sollten vorsichtig sein. Was bedeutet das?
Ich kenne die Details noch nicht. Die Ergebnisse der klinischen Prüfung zeigten, dass lokale Reaktionen an der Einstichstelle, Rötungen und Kopfschmerzen auftreten können, nach der zweiten Impfung auch manchmal Temperaturerhöhungen. Man muss offen ansprechen: Die Impfung hat manchmal milde Nebenwirkungen, aber es gibt keinen Hinweis auf schwerere Nebenwirkungen.
Der Impfstoff wurde auch nicht an Schwangeren und Unter-18-Jährigen getestet – sollten die lieber verzichten?
Die endgültige Empfehlung für Deutschland liegt noch nicht vor, aber ich gehe davon aus, dass eine Impfung von Personen unter 16 Jahren und von Schwangeren noch nicht empfohlen wird.
Curevac wird seine Vakzine erst im Frühjahr auf den deutschen Markt bringen – ist der bis dahin denn nicht weitgehend abgegrast von der Konkurrenz?
Wir werden in der ersten Phase viel weniger Impfstoff haben, als wir benötigen. Und der Bedarf weltweit wird die Produktion auch im kommenden Jahr übersteigen. Curevac hat bereits erklärt, dass es den US-Markt nicht als Ziel ansieht, weil dort sehr viele Impfdosen anderer Anbieter vom Staat vorbestellt wurden, der Markt möglicherweise gesättigt sein könnte. Wenn wir aber Europa, Indien und andere Länder anschauen, dann gibt es überall großen Bedarf, und wir sind froh über jeden weiteren zugelassenen Impfstoff. Das Problem, dass ein Impfstoff getestet und zugelassen wird, den dann keiner mehr braucht, wird es im nächsten Jahr ganz sicher nicht geben.
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