"Nachdenklich und zuhörend"

Serhij Zhadan erhält Friedenspreis

Ukrainischer Schriftsteller für humanitäre Haltung geehrt

27.06.2022 UPDATE: 28.06.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 39 Sekunden
Serhij Zhadan
Der ukrainische Autor Serhij Zhadan erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022.

Frankfurt a.M. (epd) Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022 geht an den ukrainischen Schriftsteller, Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan. Der 47-Jährige werde für sein herausragendes künstlerisches Werk sowie für seine humanitäre Haltung geehrt, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwende und ihnen unter Einsatz seines Lebens helfe, teilte der Stiftungsrat des Friedenspreises in Frankfurt am Main zur Begründung mit.

Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert. Die Auszeichnung wird traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse, in diesem Jahr am 23. Oktober, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Im vergangenen Jahr wurde die simbabwische Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga geehrt.

Der Stiftungsrat, dessen Vorsitzende die Börsenvereins-Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs ist, lobte die Romane, Essays, Gedichte und Songtexte des 1974 in Starobilsk im Gebiet Luhansk geborenen Serhij Zhadan. "Nachdenklich und zuhörend, in poetischem und radikalem Ton" erkunde er, wie die Menschen in der Ukraine trotz aller Gewalt versuchten, ein unabhängiges, von Frieden und Freiheit bestimmtes Leben zu führen.

Serhij Zhadan studierte in Charkiw Literaturwissenschaft, Ukrainistik sowie Germanistik und promovierte 1996 mit einer Arbeit zum ukrainischen Futurismus. Seit Anfang der 90er Jahre prägt er die Kulturszene Charkiws, organisiert Literatur- und Musikfestivals und veröffentlicht Romane, Gedichte, Erzählungen und Essays.

Zhadan verfasst seine Texte auf Ukrainisch, er übersetzt aber auch Lyrik aus dem Deutschen, Englischen, Belarussischen und Russischen ins Ukrainische. Zudem schreibt er Songtexte für verschiedene Rockbands und ist seit 2007 Sänger der ukrainischen Band "Sobaki v kosmosi" (deutsch: Hunde im Weltraum).

Seit der Besetzung der Krim 2014 engagiert er sich mit sozialen und kulturellen Projekten in der zum Teil von den prorussischen Separatisten besetzen Ostukraine. Mit Beginn des Einmarschs Russlands in die Ukraine Ende Februar leistet er verstärkt humanitäre Hilfe. Weiterhin in Charkiw lebend, organisiert er Konzerte, rettet Menschen aus umkämpften Vierteln, liest Gedichte und verteilt Hilfsgüter in der Stadt.

In seinen frühen literarischen Werken setzt sich der Autor intensiv mit der postsowjetischen Umbruchszeit auseinander. Sein dritter Roman "Die Erfindung des Jazz im Donbass" (2012, Original 2010), eine Art Road-Novel, spielt im Industrierevier Donbass. Sein Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erhielt unter anderem den "Brücke Berlin Literatur- und Übersetzerpreis" und den Vasyl-Stus-Preis des ukrainischen PEN-Zentrums. Sein jüngstes Werk "Internat" (2018, Original 2017) erzählt vom Krieg im Donbass. Die Roman-Übersetzung erhielt 2018 den Preis der Leipziger Buchmesse.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels soll laut Statut eine Persönlichkeit auszeichnen, "die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat". Zu den Trägern des Preises gehören der DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, der Schriftsteller Martin Walser, der Philosoph Jürgen Habermas und die belarussische Autorin Swetlana Alexijewitsch.