Kampfkandidatur um SPD-Vorsitz

Lars Castellucci "will die SPD umkrempeln"

Der Wieslocher SPD-Politiker sitzt seit 2013 für den Rhein-Neckar-Kreis im Bundestag

07.10.2018 UPDATE: 07.10.2018 16:51 Uhr 4 Minuten, 50 Sekunden
Lars Castellucci. Foto: rnz​

Von Sören S. Sgries

Heidelberg/Wiesloch. Kampfansage in der Südwest-SPD: Lars Castellucci fordert die derzeitige Parteichefin Leni Breymaier heraus. "Die Lage der SPD in Baden-Württemberg lässt sich nicht schönreden, aber sie lässt sich ändern", erklärte der Wieslocher Bundestagsabgeordnete überraschend am Samstag. "Darum werde ich als neuer Landesvorsitzender der SPD Baden-Württemberg kandidieren."

Breymaier sagte, sie freue sich "über die ehrliche Kandidatur". "Jetzt haben wir die Chance, auf offener Bühne vor und mit unseren Mitgliedern zu debattieren, wenn nötig auch zu streiten, welchen Weg wir mit unserer Landes-SPD (weiter) gehen wollen." Sie stehe weiterhin für das Amt zur Verfügung: "Weil fertig ist man da nicht in zwei Jahren."

Die frühere Verdi-Landeschefin Breymaier hatte den SPD-Vorsitz nach der Landtagswahl 2016 übernommen. Die Sozialdemokraten waren damals auf 12,7 Prozent abgestürzt. Mit der 58-Jährigen verbanden viele die Hoffnung, dass ihr klarer Linkskurs der Partei neuen Schwung verleihen würde. Auch wurden parteiinterne Strukturreformen angestoßen. Allerdings sackte die SPD in Umfragen weiter ab, auf zuletzt 11 Prozent.

Für Castellucci ein Alarmsignal: "Höchste Zeit, das Ruder herumzureißen", so der 44-Jährige im RNZ-Interview. "So gefährlich war die Lage für unsere Partei noch nie. Deshalb trete ich jetzt an." Kritik äußerte der SPD-Vizevorsitzende an der bisherigen Arbeit Breymaiers. "Der Erneuerungsprozess ist steckengeblieben", so Castellucci. Auch habe sich die SPD zu wenig ums Land gekümmert. "Das ist aber unsere erste Aufgabe. Mein Fokus wird die Politik fürs Land sein – gemeinsam mit der Landtagsfraktion, gemeinsam mit den haupt- und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern."

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Geplant ist, dass möglichst bald ein Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz durchgeführt wird. Abschließend könnte beim bereits geplanten Parteitag am 24. November die Parteispitze neu gewählt werden.

Lars Castellucci sitzt seit 2013 für den Rhein-Neckar-Kreis im Bundestag. Der Wieslocher SPD-Politiker ist seit 13 Jahren Vize-Parteichef der Südwest-SPD. Zuvor war er Kreisvorsitzender der SPD Rhein-Neckar, des mitgliederstärksten Kreisverbands in Baden-Württemberg.

Herr Castellucci, am Samstag haben Sie verkündet: Sie wollen Parteivorsitzender der Südwest-SPD werden. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Lars Castellucci: Wir stehen zweieinhalb Jahre vor der Landtagswahl. Über den Sommer haben wir Umfrageergebnisse gesehen, die zeigen, dass wir seit der Landtagswahl 2016 sogar noch verlieren anstatt uns zu berappeln. Deswegen ist es höchste Zeit, das Ruder herumzureißen. Das biete ich an, damit es wieder vorwärts geht.

Zuletzt 11 Prozent in Umfragen: Damit übernehmen Sie eine Partei, die massiv in Auflösung ist. 

Ich glaube, dass die SPD gebraucht wird. Mehr denn je. Wir sind die Partei des gesellschaftlichen Zusammenhalts und des Fortschritts. Und wir merken, dass dieser Zusammenhalt mehr und mehr bröckelt und die Menschen keine Hoffnung mehr auf eine bessere Zukunft haben. Die zentrale Frage an uns ist: Warum spüren die Menschen nicht, dass wir da die Antworten geben können. Das müssen wir ändern. Und dafür habe ich viele Ideen, wie das gelingen kann. Die SPD darf kein Trübsal blasen. Wir können wieder erfolgreich sein. Es liegt in unserer Hand.

Ihr Kandidatur ist eine Kampfansage an die bisherige Parteichefin. Welche Versäumnisse sehen Sie bei Leni Breymaier?

Ich stehe dafür, dass wir alle Menschen in Baden-Württemberg gewinnen wollen für eine Vorstellung davon, wie unser Land 2030 aussehen kann. Wir brauchen einen Zukunftsentwurf, der die Menschen motiviert, ihnen Lust macht, gemeinsam mit uns anzupacken. Wir müssen uns organisatorisch besser aufstellen. Da bringe ich berufliche Erfahrung mit. Wenn Baden-Württemberg das fortschrittlichste Bundesland werden soll, müssen wir auch die modernste Landespartei sein. Auf der Höhe der Zeit. Ich will die SPD umkrempeln. Die Menschen müssen spüren, dass wir für sie da sind und uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen. Die Hälfte der Zeit draußen bei den Leuten, nicht in Hinterzimmern und Gremiensitzungen - das wäre eine gute Zielstellung für die SPD.

In der Partei läuft derzeit ein Neustrukturierungsprozess. Bauen Sie darauf auf, oder war alles falsch?

Wir sind nicht weit genug gegangen. Der Erneuerungsprozess ist stecken geblieben. Vor allem aber gewinnen wir keine Wahlen mit Strukturdebatten innerhalb der Partei. Schluss mit der Binnenbeschäftigung, raus zu den Menschen: Das ist die neue Devise.

Mit welchem Thema würden Sie als Parteichef aufschlagen?

Mit einzelnen Themen, mit einzelnen Vorschlägen werden wir nicht punkten. Wir brauchen ein Zukunftsbild, das Orientierung bietet. Wir leben in einem Land, in dem es vielen Menschen gut geht. Und auch vielen schlecht, um die müssen wir uns besonders kümmern. Dafür müssen wir die ganze Breite der Gesellschaft ansprechen und gewinnen. Wir müssen zeigen, in welchen wirtschaftlichen Feldern Zukunft steckt, wie wir unseren zukünftigen Wohlstand sichern können. Dieses Gesamtbild zählt.

Leni Breymaiers Wahl, die Wahl einer Gewerkschaftschefin an die Spitze der Partei, war als Signal für eine Linksausrichtung aufgefasst worden. Ist Ihre Kandidatur das Signal, dass ein Linkskurs alleine nicht funktioniert?

Mein Angebot richtet sich an die ganze Partei, mein Politikangebot an das ganze Land. Ich glaube nicht, dass wir mit Links-rechts-Debatten in der Partei weiterkommen. Wir alle sind die linke Volkspartei SPD. Wir gewinnen nur gemeinsam.

Ende November sollte eigentlich auf einem SPD-Parteitag die Parteispitze neu gewählt werden. Jetzt ist das Ziel, die Mitglieder über den Parteichef entscheiden zu lassen. Wie viel Zeit geben Sie sich als Partei dafür? 

Das müssen wir jetzt klären. Für mich ist klar: Wer Mitglied einer Partei ist, möchte nicht nur Beiträge zahlen, sondern auch mitentscheiden. Die Regelungen zu einem Mitgliederentscheid in unserer Satzung gehen auch auf meine Initiative zurück. Die Mitglieder entscheiden zu lassen, wäre richtig.

Schwebt Ihnen ein Mitgliederentscheid vor, der bindend wäre für die Parteitagsdelegierten?

Die Regularien sehen vor, dass er formal nicht bindend ist. Meine Überzeugung ist aber: Dem Votum der Mitglieder muss sich jeder unterwerfen, der antritt.

Jetzt drohen zwei Monate internen Konkurrenzkampfs. Sie haben immer vor Selbstbeschäftigung gewarnt. Ist Ihre Kandidatur da nicht hinderlich?

Mit zwei Kandidierenden üben wir mal wieder Demokratie ein in der SPD. Wir setzen auf einen fairen Wettstreit. Es werden Ideen sichtbar werden, es werden Persönlichkeiten sichtbar werden. Das wird auch im Land ankommen. Ich halte es deshalb sogar für einen Beitrag dafür, dass wir sichtbarer werden. Es wird ein guter Prozess.

Sie sind seit 2005 Vize-Vorsitzender, also immer dabei bei den wichtigen Entscheidungen. Kritiker sagen: Sie hätten doch längst einen anderen Kurs einleiten können.

Ich bin tatsächlich seit 13 Jahren stellvertretender Landesvorsitzender. Ich war fast zehn Jahre Vorsitzender des größten Kreisverbandes, der SPD Rhein-Neckar. Ich war sieben Jahre Ortsvereinsvorsitzender. Daraus spricht eine ganze Menge Erfahrung. Und ich kann auch deshalb sagen: So gefährlich war die Lage für unsere Partei noch nie. Deshalb trete ich jetzt an.

Juso-Chefin Stefanie Bernickel hatte zuletzt am Duo Breymaier/Boos kritisiert, dass der Fokus zu sehr in Berlin beziehungsweise Brüssel liege. Sie selbst sind auch Bundestagsabgeordneter. Verabschieden Sie sich aus Berlin?

Ich gebe der Juso-Landesvorsitzenden Recht in ihrer Kritik. Die SPD hat sich in den vergangenen zwei Jahren viel zu wenig um Landespolitik gekümmert. Das ist aber unsere erste Aufgabe. Mein Fokus wird die Politik fürs Land sein - gemeinsam mit der Landtagsfraktion, gemeinsam mit den haupt- und ehrenamtlichen Kommunalpolitikern.

Ihr Engagement in Berlin bleibt gleich?

Wenn ich eine Aufgabe annehme, dann mit allem, was ich habe. Das wissen alle, die mich kennen und darauf können sie sich auch in Zukunft verlassen.

Steht schon fest, wen Sie gerne an Ihrer Seite hätten als Generalsekretär oder Generalsekretärin?

Mein Anspruch, die Landespolitik in den Fokus zu stellen, soll auch in der Besetzung der Position der Generalsekretärin oder des Generalsekretärs deutlich werden.

Perspektive 2021: Haben Sie jetzt auch als erster Ihren Hut für eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl in den Ring geworfen?

Lassen Sie uns eine Kartoffel nach der anderen schälen. Wir klären alle Fragen zu gegebener Zeit.