Von Sören S. Sgries
Heidelberg. Die CDU will "Baden-Württemberg-Partei" sein? Dann muss sie auch in den großen Städten erfolgreich sein. Und damit das klappt, gründete Alexander Föhr (40), CDU-Kreisvorsitzender und Bundestagskandidat in Heidelberg, vor zwei Jahren den "Arbeitskreis Große Städte". War das Wahlergebnis in Stuttgart ein erster Erfolg dieses Projekts?
In Stuttgart wurde der CDU-Kandidat Frank Nopper (hier vor dem Rathausturm) zum neuen Oberbürgermeister gewählt. F.: M. MuratHerr Föhr, ab Januar wird Stuttgart wieder einen Oberbürgermeister mit CDU-Parteibuch haben. "Die CDU kann auch Großstadt", jubelte Parteichef Thomas Strobl. Interpretieren Sie das Wahlergebnis auch so?
Es ist ein schönes Signal. Wenn die eigene Mannschaft gewinnt, ist man einfach ein bisschen besser drauf. Aber die anstehenden Wahlen, egal ob Landtag oder Bundestag, die haben eigene Regeln. Wir tun gut daran, wenn wir Oberbürgermeisterwahlen als das sehen, was sie sind: als Oberbürgermeisterwahlen. Wobei Stuttgart schon eine Stadt von vielen ist, in denen wir in letzter Zeit erfolgreich waren. In Düsseldorf beispielsweise. In Ulm. In Pforzheim. Die CDU kann Großstadt.
Aber bei anderen Wahlen tut sich die CDU dennoch im städtischen Bereich eher schwer.
Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, dass der Kandidat zur Stadt passt. Er muss das Lebensgefühl treffen. Auf das kommt es vor allem an. Erst in zweiter oder gar dritter Linie auf das Parteibuch. Trotzdem haben wir gerade in den Innenstädten noch Luft nach oben. Bei der Stuttgarter OB-Wahl war Marian Schreier in den Innenstadtbezirken vorne. In den Außenbezirken hingegen hat Frank Nopper fast 60 Prozent geholt. Vereinfacht gesagt: Je weiter man vom Zentrum weggeht, desto mehr wird CDU gewählt.
Im Zentrum nehmen Ihnen die Grünen die Stimmen ab?
Wenn es bundesweit betrachtet eine Stadtpartei gibt, dann ist es traditionell die SPD. Die grünen Oberbürgermeister können Sie ja fast an einer Hand abzählen. Die sind bei Besetzung der Stadtspitzen eher ein Scheinriese.
Seit zwei Jahren wollen Sie mit dem Arbeitskreis "Große Städte" innerhalb der CDU mehr Aufmerksamkeit für Ihre Anliegen schaffen. Erfolgreich?
Ich glaube schon. Wir vertreten die neun Städte mit über 100.000 Einwohnern. Und wir artikulieren unsere gemeinsamen Interessen – soweit es sie denn gibt. Die neun Städte sind durchaus unterschiedlich, wenn Sie Pforzheim oder Heilbronn auf der einen und Freiburg oder Heidelberg auf der anderen Seite sehen. In jedem Fall werden wir gehört und können etwas bewegen. Und der interne Austausch funktioniert.
Die Gründung war auch eine Reaktion auf die Landtagswahl 2016 mit sehr enttäuschenden Ergebnissen der städtischen Kandidaten. Wissen Sie inzwischen, welcher "Typ" da besser funktioniert?
Eindeutig erkennbar ist, dass die städtischen Kandidaten bei der anstehenden Wahl jünger und weiblicher geworden sind. Wir setzen sehr stark auf studierte Frauen mit Kindern, oft aus dem Wissenschaftsbereich. Das tut der CDU gut.
Bestätigten Sie da nicht gerade das Vorurteil: Frauen dürfen in der CDU vor allem dann kandidieren, wenn die Erfolgschancen schlecht sind?
Das ist Quatsch. Wir sagen doch nicht: Wir haben eh keine Chance – also darf eine Frau ran. Vielmehr gilt das, was ich vorhin gesagt habe. Es geht auch darum, dass die Kandidatin das Lebensgefühl einer Region oder eben einer Stadt trifft. Bei uns ist zudem die Verwurzelung vor Ort entscheidend. Bei den Grünen gibt es oft ein "Wahlkreis-Hopping", bei dem Kandidaten strategisch positioniert werden. Sowas lehne ich ab.
Warum können sich dann Kandidatinnen nur in der Stadt durchsetzen?
Richtig ist, dass die Verbände in den Großstädten oft einen höheren Frauenanteil unter den Mitgliedern haben. Natürlich steigt dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau kandidiert. Aber nehmen wir die kommende Landtagswahl. Von den 21 Erstkandidatinnen treten acht in städtischen Wahlkreisen an und 13 in eher ländlich geprägten. Es ist also überall möglich.
Damit die Kandidaturen erfolgreich sein können: Wo müsste die CDU strategisch in den Städten mehr Präsenz zeigen?
Bei der CDU läuft tatsächlich sehr viel über persönliche Präsenz vor Ort. Stadtgesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr ausdifferenziert sind. Es gibt hier nicht so homogene Gruppen, die man in Vereinen und bei zentralen Veranstaltungen erreicht. Die Bevölkerung ist mobiler und wechselt sich schnell aus. Das macht es schwer, mit Präsenz zu punkten. Und wir als CDU haben den Anspruch für alle da zu sein, nicht nur für eine bestimmte Gruppe.
Und wie erreichen Sie dann diese verschiedenen Kleingruppen in der Stadt?
Wir haben gesagt: Überrascht die Leute. Geht auch mal in Bereiche, wo die CDU nicht so vermutet wird – im Kulturbereich, in der Kreativwirtschaft, bei Umweltgruppen. Da gehören wir als Volkspartei nämlich genauso hin. Wir müssen Offenheit zeigen. Wir werden nicht jedem nach dem Mund reden. Aber wir sind für alle ansprechbar und hören zu.
Gibt es etwas, was Sie zu lange vernachlässigt haben?
Städte sind ein verdichteter Raum, in dem es immer um Zukunft geht, darum, Dinge auszuprobieren, wie wir in zehn, zwanzig Jahren leben könnten. Da haben wir gute Ideen. So einen Entwurf aufzuzeigen, wie die Stadt – in Verbindung mit dem Umland – in zehn Jahren aussehen sollte, das ist ein Punkt, bei dem wir besser werden müssen. Wir sind weit mehr als die Partei der Wirtschaft und der Inneren Sicherheit.
Erwarten Sie vom neuen Oberbürgermeister in Stuttgart, dass er entsprechend für die städtische CDU auch mehr Gesicht zeigt?
Ja. Es ist sicherlich gut, wenn sich der zukünftige Oberbürgermeister der Landeshauptstadt regelmäßig zu Wort meldet und Impulse setzt.
Hätten Sie da auch mehr erwartet von den beiden Großstadt-OBs, die Sie schon haben? Peter Boch in Pforzheim und Gunter Czisch in Ulm?
In der CDU sind beide präsent – auch außerhalb ihrer Städte. Landesweit wahrgenommen zu werden, ist aber nicht einfach. Ich glaube, da tut man sich außerhalb von Stuttgart generell eher schwer – das geht den Oberbürgermeistern aus Mannheim oder Heidelberg nicht anders.
Apropos Heidelberg: Hätten Sie nicht gerne mal einen Oberbürgermeister, der auch ein CDU-Parteibuch hat?
Eckart Würzner hat erklärt, dass er 2022 noch einmal kandidiert. Wenn es eine Schlussfolgerung aus der OB-Wahl in Stuttgart gibt, dann die: Spaltet sich ein Lager, dann geht es schief. Eckart Würzner macht einen guten Job. Wenn er antritt, wären wir als CDU ziemlich verrückt, einen Gegenkandidaten zu schicken.
In Karlsruhe hatte die CDU ja keine Chance gegen den SPD-Amtsinhaber Frank Mentrup. Auch eine Lehre: Wechsel geht nur, wenn ein komplett neues Kandidatenfeld antritt?
Zumindest ist es bei der ersten Wiederwahl so – in Freiburg wurde der grüne Oberbürgermeister nach 16 Jahren abgewählt. Jemanden, der sich nichts zuschulden kommen lässt, nach acht Jahren aus dem Amt zu befördern, ist eine schwierige Herausforderung, unabhängig vom Parteibuch des Amtsinhabers.
Wird der Landtagswahlkampf 2021 mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, die aus dem großstädtischen Stuttgart kommt, einfacher als mit dem Tuttlinger Guido Wolf 2016?
Ich finde Susanne Eisenmann gut. Sie ist klar und verbindlich – und keineswegs so müde wie Winfried Kretschmann zuletzt. Sie hat die riesige Herausforderung, dass sie in diesen Zeiten Kultusministerin ist. Und: Schule ist ein Thema, bei dem jeder mitreden kann. Jeder war in der Schule, hat ein Kind in der Schule, hat ein Enkelkind in der Schule. Da hat sie derzeit einen schweren Job und kann es kaum allen recht machen. Sie geht das aber offensiv und kommunikativ an – beispielsweise mit der "Eisenmann will’s wissen"-Tour.
Und ist sie eine Kandidatin für die Stadt?
Ich habe bisher keine Rückmeldung, dass Stadt und Land beim Blick auf Susanne Eisenmann Unterschiede machen würde. 2016 hatte unser Spitzenkandidat aber in der Stadt echt Probleme – das hat sie sicherlich nicht.