Eine Ikone der Frauenbewegung: Die Britin Emmeline Pankhurst bei einer Rede am Londoner Trafalgar Square. Im Kino wurde sie zuletzt von Meryl Streep dargestellt. Archiv-Foto: dpa
Von Caroline Bock
Berlin. Clara Zetkin, Hedwig Dohm, Minna Cauer, Helene Lange oder Louise Otto-Peters - in Quizshows dürften viele Deutsche bei diesen Namen passen. Die Genannten haben als Vorkämpferinnen dazu beigetragen, dass Frauen in Deutschland wählen dürfen. Ein Recht, das seit 100 Jahren gilt - verkündet im Übergang zwischen Kaiserzeit und Republik.
Clara Zetkin hatte 1911 den Frauentag mit ins Leben gerufen, war Reichstagsabgeordnete und zu DDR-Zeiten eine sozialistische Ikone. Für Kaiser Wilhelm II. war sie die "gefährlichste Hexe des deutschen Reiches". Zetkin und andere Frauenrechtlerinnen werden gerade wieder entdeckt und gefeiert. Das Bundesfrauenministerium fördert eine Jubiläumskampagne. In Frankfurt gibt es die Ausstellung "Damenwahl!". Die frühe Frauenbewegung ist in Deutschland nicht so bekannt wie die Suffragetten-Bewegung in Großbritannien. Deren Geschichte wurde fürs Kino mit Meryl Streep in einer Hauptrolle verfilmt.
Ähnlich wie das Ende des Ersten Weltkriegs, die Novemberrevolution und der Matrosenaufstand ragt das Thema Frauenwahlrecht bis ins Heute. Das Kapitel Gleichberechtigung ist nicht abgeschlossen, von der Lohnfrage bis zu den Chefetagen. Noch immer gibt es viele Männerdomänen. Die Lücken fallen sogar Angela Merkel auf, die sonst in Frauenfragen nicht gerade auf Alice Schwarzers Spuren wandelt, aber kürzlich die Junge Union süffisant für ihren frauenlosen Bundesvorstand kritisierte.
In der Kaiserzeit bestimmten Ehemänner über das Leben ihrer Frauen. Es galt der "Gehorsamkeitsparagraf". Noch bis 1977 sah das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass Frauen nicht ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten durften.
Die Aktivistin Minna Cauer forderte schon 1902: "Die Frau gehört nicht mehr ins Haus, sie gehört in dieses Haus: den Reichstag." Visionär war die Schriftstellerin Hedwig Dohm. Die Vordenkerin machte sich bereits 1873 für das politische Stimmrecht für Frauen stark. Einer ihrer viel zitierten Sätze lautet: "Menschenrechte haben kein Geschlecht."
Als der Rat der Volksbeauftragten am 12. November das Wahlrecht reformierte und damit den Frauen eine Stimme gab, fiel das nicht vom Himmel. Es hatte eine Vorgeschichte - mit Vereinen, Zeitschriften, Kundgebungen, Kongressen. Die erste Partei, die das Frauenstimmrecht wollte, war 1891 die SPD. Davor sorgte August Bebel 1879 mit dem Buch "Die Frau und der Sozialismus" für Furore. Im Oktober 1918 hatten mehr als 50 Frauenorganisationen den Reichskanzler Max von Baden aufgefordert, das Wahlrecht durchzusetzen.
Deutschland war damals nicht allein. Rund 40 Staaten führten zwischen 1906 und 1932 das Frauenwahlrecht ein, in Neuseeland galt es schon seit 1893. Früher hieß es, das Recht sei in Deutschland mit dem Kriegsende gekommen. Clara Zetkin nannte es "ein Geschenk einer Revolution, die von proletarischen Massen getragen wurde". Die moderne Forschung sieht viele gesellschaftliche Faktoren im Spiel. Die Historikerin Hedwig Richter beschreibt, wie sich die Gesellschaft um die Jahrhundertwende änderte: Frauen arbeiteten als Lehrerin oder Stenotypistin, sie fuhren Rad, die Badeanzüge wurden bequemer. Tausende Frauen zog es an die Universitäten. Es waren Jahre des Aufbruchs, gebremst vom Ersten Weltkrieg.
Warum ist die Leistung der frühen Frauenrechtlerinnen heute so wenig bekannt? "Revolution und Geschichte ist männlich geprägt, Frauen als Protagonistinnen fallen hinten runter", sagt Jenny Jung, eine der Kuratorinnen am Historischen Museum Frankfurt. Dazu kam, dass viel durch den Nationalsozialismus verloren ging, etwa Zeugnisse zu den Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann.
Als erste Frau sprach die Sozialdemokratin Marie Juchacz, die Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, am 19. Februar 1919 in der Weimarer Nationalversammlung. Grund zum Dank für das Wahlrecht sah sie keinen. "Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."
Margarete Stokowski hat gerade mit "Die letzten Tage des Patriarchats" einen Bestseller gelandet. Die 32-Jährige zitiert darin die Pionierin Hedwig Dohm: "Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor." Der Satz ist über 100 Jahre alt.