Rund eine Million Menschen feiern in der Nacht des 3. Oktober 1990 in Berlin die wiedergewonnene deutsche Einheit - hier mit einem Transparent "West und Ost - Zukunft für Deutschland und Europa" vor dem Brandenburger Tor. Foto: dpa
Von Basil Wegener
Berlin. Die Situation im Osten sei "besser als ihr Ruf", sagte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, bei der Vorstellung des jüngsten Jahresberichts zum Stand der Einheit. Tatsächlich haben die neuen Bundesländer in vielen Bereichen massiv aufgeholt, dennoch bleiben 30 Jahre nach dem Mauerfall große Unterschiede. Vor allem in den ländlichen Regionen, in denen es an Jobs und Infrastruktur fehlt, fühlen sich viele Menschen abgehängt - doch das betrifft nicht nur den Osten. Ein Überblick:
> Einkommen: Ein ostdeutscher Vollzeitbeschäftigter kam 2018 laut Einheitsbericht im Schnitt auf 84 Prozent des monatlichen Bruttoverdienstes eines Westdeutschen, auf rund 2790 Euro. Die Lohnlücke sank damit von 19 auf 16 Prozent. Nach einer neuen Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung beträgt der Lohnabstand im gleichen Beruf, bei gleichem Geschlecht und vergleichbarer Berufserfahrung sogar 16,9 Prozent. Eine der Ursachen: die geringere Tarifbindung in den neuen Ländern. 49 Prozent der Beschäftigten im Westen arbeiten in Betrieben mit Branchentarifvertrag, nur 35 Prozent im Osten.
Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lagen die Tagesentgelte für Vollzeitkräfte zuletzt im Schnitt im Osten bei 86 Euro, im Westen dagegen bei 110 Euro. Innerhalb Ostdeutschlands wurden die Unterschiede seit der Jahrtausendwende allerdings deutlich kleiner - innerhalb Westdeutschlands wuchsen sie dagegen stark.
> Arbeitslosigkeit: Die durchschnittliche Arbeitslosenquote betrug im vergangenen Jahr 4,8 Prozent im Westen, im Osten 6,9 Prozent - ein deutlicher Unterschied. 2005 war die Kluft aber wesentlich größer (9,9 zu 18,7 Prozent). Ein Grund ist laut Experten neben der allgemeinen Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt auch die Abwanderung aus dem Osten und die dortige Alterung der Gesellschaft.
> Hartz-IV auf Dauer: Ende 2018 bezogen 45,7 Prozent aller arbeitslosen Hartz-IV-Bezieher im Westen seit mindestens vier Jahren ALG II - im Osten 55,2 Prozent. Den niedrigsten Anteil verzeichnete Bayern (37,8 Prozent), Brandenburg den höchsten (58,5 Prozent). Noch größer ist die Spannbreite zwischen Kreisen, von 14,4 Prozent im bayerischen Eichstätt bis 67,4 Prozent in Görlitz (Sachsen) und Oberspreewald-Lausitz (Brandenburg).
> Armut: Auch hier gibt es weiter eine Kluft: In den neuen Ländern waren im vergangenen Jahr 17,5 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht, in den alten Ländern 15 Prozent. 2005 waren es im Osten noch 20,4 und im Westen 13,2 Prozent. Im Westen hat sich die Lage also verschlechtert und im Osten verbessert. Die Stadt mit der höchsten Armutsgefährdungsquote ist Duisburg (27,4 Prozent), gefolgt von Dortmund (23,9), Leipzig (22) sowie Bremen und Essen (je 21,6 Prozent). Es ist also kein reines Ost-West-Gefälle.
> Rente: Für den gleichen Beitragssatz bekommen Beschäftigte im Osten derzeit noch höhere Rentenansprüche als im Westen - als Ausgleich für die niedrigeren Löhne. Der Rentenwert, der angibt, wie viel ein Entgeltpunkt in der Rentenversicherung wert ist, liegt im Osten dagegen noch bei 96,5 Prozent des West-Werts. Bis zum Jahr 2024 sollen die Werte aber angeglichen werden.
Die tatsächlichen Renten hinken im Osten dagegen noch hinterher, was der Vergleich nach mindestens 35 Jahren Versicherungszeit zeigt: Mit Durchschnittsrenten von 1102 bis 1145 Euro liegen die fünf ostdeutschen Länder am Ende der Statistik. Der Bundesschnitt beträgt 1219 Euro, Spitzenreiter ist mit 1343 Euro im Monat das Saarland. Sozialbeiträge sind schon abgezogen, noch nicht berücksichtigt ist die Steuer.