Kandidaten für die Papst-Nachfolge. Oben (v.l.): Peter Turkson (Ghana), Angelo Scola (Mailand), Gianfranco Ravasi (Vatikan), Christoph Schönborn (Wien). Mitte: Odilo Pedro Scherer (Brasilien), Francis Arinze (Nigeria), Luis Antonio Tagle (Philipinen) Jorge Mario Bergoglio (Argentinien). Unten: Jean-Louis Tauran (Frankreich), Tarcisio Bertone (Vatikan), Laurent Monsengwo Pasinya (Kongo) und Angelo Bagnasco (Vatikan). Fotos: dpa
Von Hanns-Jochen Kaffsack
Rom. Der päpstliche Paukenschlag ist kaum verhallt, schon wird weltweit über den Nachfolger spekuliert. Wer könnte Benedikt XVI. auf dem Stuhl Petri ablösen? Und von welchem Kontinent kommt das nächste Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche?
Am Tag nach der überraschenden Ankündigung Joseph Ratzingers (85), seine Bürde als Papst abzulegen, füllen Porträts möglicher Kandidaten ganze Seiten in den italienischen Blättern. Dabei wird sich das Karussell der Kardinäle bis zu der Papstwahl im März noch Wochen drehen.
Falls überhaupt wieder ein Europäer Chancen haben sollte, gilt neben anderen der Wiener Erzbischof und Theologe Christoph Schönborn (68) als möglicher Nachfolger. Als starke Fraktion werden wie meist die Italiener gehandelt. Gut informierte Kreise hinter den Vatikanmauern sprächen davon, "dass schon vor Wochen die verschiedenen Fronten begonnen haben, sich zu positionieren", schreiben die Vaticanisti der römischen Zeitungen. Gemeint ist: "Die Partie wird zwischen den Kardinälen Italiens und den anderen gespielt."
Der Topfavorit unter den Italienern, die eine Phalanx von immerhin 28 Kardinälen stellen, ist wohl der Mailänder Erzbischof Angelo Scola (71). Es fallen aber auch die Namen des Kurienkardinals Gianfranco Ravasi (70) und des Vorsitzenden der Bischöfe des Landes, Angelo Bagnasco (70) aus Genua. Aus Frankreich wird Jean-Louis Tauran genannt. Der 69-Jährige leitet den päpstlichen Rat für interreligiösen Dialog.
Mit der Wahl setzen die 117 Kardinäle in jedem Fall auch inhaltliche Akzente - liegt ihnen mehr eine Reform der Kurie am Herzen oder eine stärkere Öffnung der weltumspannenden Kirche hin zu anderen Kontinenten? Auch Joseph Ratzinger kann nach seinem Rücktritt als Papst noch Einfluss ausüben. Das Bewerberprofil laufe auf einen starken und wohl auch jüngeren Papst hinaus, orakeln die Experten von "La Republica". Doch es dürfte noch weit mehr Kriterien geben. Etliche Kardinäle zeichneten sich durch Prestige und Charisma aus, "im Moment sticht allerdings noch niemand entscheidend hervor", hält die Turiner "La Stampa" fest.
Auch wenn die Europäer in dem Kollegium der wahlberechtigten Kardinäle noch die Mehrheit haben, würde ein afrikanischer, lateinamerikanischer oder asiatischer Pontifex niemanden überraschen. Schlägt die Stunde Asiens nun in der Weltkirche, dann könnte der relativ junge und von Benedikt geschätzte Luis Antonio Tagle (55), Erzbischof von Manila, der Kandidat sein.
Die Katholiken außerhalb Europas machen sich große Hoffnung, dass einer von ihnen das Rennen macht. Denn sie werden gemeinhin als Zukunft der Kirche bezeichnet, weil bei ihnen die Zahl der Gläubigen im Gegensatz zu Europa wächst.
Allein aus Afrika gelten gleich mehrere Kandidaten als "papabile". Gute Chancen werden dem nigerianischen Kardinal Francis Arinze eingeräumt, obwohl er schon 80 Jahre alt ist. Wesentlich jünger ist Kurienkardinal Peter Turkson (64) aus Ghana. Auch Benedikt hatte schon von einem "dunkelhäutigen" Papst gesprochen.
Die Lateinamerikaner setzen auf den Brasilianer Pedro Odilo Scherer (63) mit deutschen Vorfahren oder den Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio (76). Nordamerikaner hoffen auf den Quebec-Kanadier Marc Ouellet (68).
Die Liste scheint so kurz nach der Rücktritts-Ankündigung Benedikts nahezu unerschöpflich. Der neue Papst braucht dabei gleich aus mehreren Gründen eine deutliche Mehrheit. Zum einen geht es um die Einheit der Kirche. Zudem war es Benedikt selbst, der im Jahr 2007 festlegt, dass bei einer Papstwahl künftig eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen notwendig ist.