Demonstratives Schulterklopfen gestern im Bundestag: Franz Müntefering (l.) scheint mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück zufrieden zu sein. Foto: dpa
Von Christoph Slangen, RNZ Berlin
Berlin. Peer Steinbrück weiter unter Druck. Die rüden Bemerkungen über das italienische Polit-Personal haben dem Merkel-Herausforderer jede Menge Kritik eingetragen. Steinbrück hatte Silvio Berlusconi und Beppe Grillo während einer Wahlkampfveranstaltung lax als "Clowns" bezeichnet. In Italien hat es der Sozialdemokrat damit immerhin auf die Titelseiten einiger Gazetten geschafft - neben dem Papst. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano, gerade auf Deutschlandbesuch, hatte ein für Mittwochabend geplantes Essen mit dem SPD-Mann kurzerhand abgesagt.
Doch auch in der eigenen Partei ist die Irritation über den neuerlichen Fauxpas des Kanzlerkandidaten groß. Eher überschaubar blieben die Verteidigungsversuche. So richtig glücklich über Steinbrücks neueste Schienbeintritte war jedenfalls niemand. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte Steinbrück verteidigt, gestern dann - eher halbherzig - auch der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann: Ein Kanzlerkandidat müsse politische Vorgänge kommentieren dürfen. Und: "Natürlich wird er als Kanzler in solchen Dingen zurückhaltender sein", versprach Oppermann.
Auffällig war gestern auch, dass weder Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier noch Parteichef Sigmar Gabriel dem Kanzlerkandidaten zur Seite sprangen: Schweigen, Kopf einziehen, Hoffen, dass dieser Sturm sich bald legt?
Doch nach der langen Pannenserie zweifeln inzwischen immer mehr Spitzensozialdemokraten daran, ob Steinbrück tatsächlich noch aus seinem anhaltenden Formtief herausfindet. Er könne nicht einfach noch Monate so weiter machen, heißt es besorgt. Der Spitzenmann schätze die Wirkung seiner Worte unverändert falsch ein. Der ursprüngliche Reiz seiner Kandidatur sei ohnehin schon so gut wie aufgebraucht, lautet eine immer öfter zu hörende Einschätzung. Es werde immer schwieriger, das öffentliche Negativ-Bild noch einmal zu korrigieren, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
Offiziell versuchen die meisten Parteifreunde, Steinbrücks Ausrutscher klein zu reden: Wenn ein Politiker keine Streicheleinheiten erwarten dürfe, sei das Silvio Berlusconi, heißt es in der SPD-Bundestagsfraktion. Schließlich habe der Ex-Regierungschef im italienischen Wahlkampf auch kein Blatt vor den Mund genommen.
Im Rahmen der Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie, die den Kandidaten von Beginn an verfolgt, habe die "Clown"-Episode zumindest einen Vorteil: Mit seinen Äußerungen treffe der Kandidat ausnahmsweise das Bauchgefühl der Partei, hält man ihm in der Bundestagsfraktion zugute. Soll heißen: Seine früheren Beschwerden über zu niedriges Kanzlergehalt oder billigen italienischen Wein nehmen die Genossen ebenso übel wie Steinbrücks Millionen-Einkünfte aus Reden - Angriffe auf Berlusconi jedoch nicht.
Politikberater Michael Spreng, der einst den CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber beraten hatte, hält die Attacke zwar für "sehr undiplomatisch". Doch er nimmt Steinbrück in Schutz: "Er hat seine Markenkern aufpoliert: Hier sagt ein Mann, was er denkt, und seine Bezeichnung für Berlusconi war ja eher harmlos." Die Wahlkampfveranstaltungen unter dem Motto "Klartext mit Peer Steinbrück" gehen übrigens weiter - das nächste Mal am 6. März in Rostock.