Rückkehr in die "Heimat": Die CDU schließt ihren Frieden mit Kohl

Stehende Ovationen beim ersten Besuch des Altkanzlers in der Unionsfraktion seit einem Jahrzehnt

26.09.2012 UPDATE: 26.09.2012 08:31 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden
Ovationen für den Altkanzler: Auch Helmut Kohls früheres 'Mädchen' Angela Merkel applaudierte. Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Er lässt ein paar Minuten auf sich warten. Dann plötzlich ist er wieder da, wird im Rollstuhl in den großen Saal hier im dritten Stock des Reichtages geschoben, vorbei an den von ihm so ungeliebten Journalisten und einem dichten Kamerapulk.

Blitzlichter zucken, das Gedränge ist so groß wie früher. Helmut Kohl im Scheinwerferlicht. Um 16.36 Uhr brandet warmer Beifall auf, stehende Ovationen der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU, die Rückkehr des "schwarzen Riesen" nach zehn Jahren in "seine Fraktion". Der Altkanzler, gezeichnet von den Folgen eines Sturzes vor vier Jahren, ein schwer kranker Mann, wird gefeiert, genießt den begeisterten Empfang, wirkt gerührt. "Das ist meine Heimat", so Kohl laut Teilnehmern der Sitzung. Knapp zwanzig Minuten lang hält der Altkanzler ein entschiedenes Plädoyer für Europa. Gerade die Deutschen dürften nicht vergessen, die Zukunft Europas könne nur gemeinsam gestaltet werden, Misstrauen sei keine Grundlage für eine Vertiefung der europäischen Integration. Die Zukunft müsse mit Mut und ohne Pessimismus angegangen werden, appelliert Kohl.

Überschwänglich begrüßt Fraktionschef Volker Kauder den "Kanzler der Einheit", ohne den die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen sei, erinnert an die historischen Verdienste, blendet die Spendenaffäre weitgehend aus. Zwar habe es auch einmal unterschiedliche Ansichten gegeben, die Freundschaft sei dadurch allerdings nicht getrübt worden, so Kauder laut Teilnehmern. Angela Merkel, "Kohls Mädchen", wie sie früher abfällig genannt wurde, wird erst am Donnerstag eine Laudatio auf ihren politischen Ziehvater halten. Gestern hielt sie sich zurück.

Wiedervereinigung, zwölf Jahre nach der schmerzlichen Trennung im Zuge der Spendenaffäre. Für viele in der Union ist die Zeit für eine Art Schlussstrich gekommen. Die Spendenaffäre und die Namen der Geldgeber, die Kohl bis heute nicht preisgeben will? "Schnee von gestern", "alte Kamellen", winkt Unionsfraktionsvize Michael Fuchs ab. Man sei froh, dass Kohl "wieder so gut drauf ist", sagt der Kohl-Freund. Ein Hauch von Familienfeier bei CDU und CSU. "Ein wahnsinnig bewegendes Ereignis", schwärmt CDU-Mann Jens Spahn, der bei der ersten Wahl Kohls am 1. Oktober 1982 noch in den Windeln gesteckt hat. Für ihn sei der Pfälzer "der Kanzler meiner Kindheit, der Kanzler meiner Jugend". Die Spendenaffäre ist für Spahn zwar "ein Makel, ein Schatten". Aber das historische Verdienst überwiege auf jeden Fall.

"Kanzler der Einheit, Ehrenbürger Europas", so der Titel eines weiteren Festaktes am Donnerstagabend. Die Union baut weiter an seinem Denkmal. Ein Jahrzehnt lang hat der Rekordkanzler und Rekord-CDU-Chef keine Fraktionssitzung mehr besucht. Zu groß war das Zerwürfnis in der Spendenaffäre im Jahr 2000, als es zum Bruch kam, Kohl den Ehrenvorsitz niederlegen musste.

Pünktlich vor dem 30. Jahrestag seiner ersten Wahl zum Regierungschef wird der Altkanzler nun gefeiert, gestern von der Unionsfraktion im Reichstag, am morgigen Donnerstag von der Konrad-Adenauer-Stiftung mit einem Festakt im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden. Dort wird auch eine Sonderbriefmarke mit dem Konterfei des Altkanzlers präsentiert.

Die Feierlichkeiten und die Erinnerung an die politische Wende 1982, den Regierungswechsel von der sozialliberalen Koalition zur schwarz-gelben lassen vor allem die CDU wieder zusammenrücken, so als sehne sich die Partei nach Glanz, Wärme und Größe, die manch einer mit der Regierungszeit Kohls verbindet.

1976 war der CDU-Mann aus Oggersheim aus der Mainzer Staatskanzlei nach Bonn gewechselt. "Ich will Kanzler werden", bekannte Kohl bereits ein Jahr zuvor als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident. 1982 sollte er sein Ziel schließlich erreicht haben - und 16 Jahre lang regieren.