Bundeskanzlerin Angela Merkel geht von der Bühne. Foto: dpa
Von Christian Altmeier
Hannover. Ohrenbetäubender Jubel lässt die Halle erbeben. Die Delegierten springen von ihren Sitzen auf, johlen, klatschen. Viele schütteln noch etwas ungläubig den Kopf, während sie Angela Merkel stehend applaudieren. 97,94 Prozent haben sich für eine weitere Amtszeit der Parteichefin ausgesprochen. Ein neuer Rekord. Es ist bereits der zweite für Merkel an diesem Tag. Zuvor hatten die Delegierten des Parteitags ihr bereits fast acht Minuten für ihre Rede applaudiert. So lange, wie nie zuvor. Die Zahlen zeigen: Die Kanzlerin ist in ihrer Partei unangefochten. Merkel selbst würde wohl sagen: Alternativlos. Die Christdemokraten wissen, dass sie nur mit einer starken Vorsitzenden erfolgreich sein können. Die steht nun mit gleich zwei Blumensträußen auf der Bühne. "Wer mich kennt, weiß: Ich bin echt platt und bewegt", gesteht die 58-Jährige - um dann gleich wieder in einen nüchternen Ton zu verfallen: "Jetzt geht's wieder ran an den Speck, wir haben noch viel zu tun".
Andere loben sie dafür umso überschwänglicher. "Das Ergebnis zeigt das große Vertrauen, das die Partei in ihre Vorsitzende hat", meint Annette Schavan gegenüber der RNZ. "Es ist der Lohn für die Verlässlichkeit und die überragenden Leistungen, die Angela Merkel für die CDU und das Land erbracht hat", so die Bundesbildungsministerin. Auch der Landesvorsitzende der Jungen Union in Baden-Württemberg, Nikolas Löbel, hält das überragende Ergebnis für "absolut verdient" Merkel habe einen tollen Job gemacht. "Und der große Zuspruch wird die Partei nun bis zum Wahltag tragen", glaubt der Mannheimer Student.
Wesentlich unbescheidener als nach ihrer Wahl tritt die Kanzlerin in ihrer Rede auf. "Diese Bundesregierung ist die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung", behauptet sie - wie bereits mehrfach zuvor. Bei so viel Erfolg gibt es dann auch keinen Grund, den Koalitionspartner zu wechseln. "Keine andere Koalition könnte unser Land so gut führen, wie die christlich-liberale", bekräftigt die CDU-Vorsitzende. Ein klares Bekenntnis zur Fortführung von Schwarz-Gelb.
Allen Treueschwüren zum Trotz: Die Zusammenarbeit mit der FDP war für die Kanzlerin in den vergangenen Jahren keineswegs immer einfach. So bemerkt sie in Hannover spitz: "Auch mir hat eine Satiresendung schon einmal aus der Seele gesprochen mit dem Satz: Gott hat die FDP vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen". Der Seitenhieb sorgt für Heiterkeit im Saal. Doch nicht jedem gefällt der Spott: "Ich fand es nicht gut, dass sie so auf die FDP eingedroschen hat", sagt die Ladenburger Delegierte Jutta Schmitz-Rixen gegenüber der RNZ. Vermisst hat die stellvertretende Vorsitzende der Senioren-Union in Baden-Württemberg dafür eine negative Bemerkung über die Grünen: "Ich kann nur hoffen, dass das keine Koalitionsaussage war".
In der Tat bleiben die auf Parteitagen üblichen Seitenhiebe auf den politischen Gegner bei Merkel Mangelware. Lediglich die SPD nimmt die Parteichefin einige Male aufs Korn. "Das Programm der Sozialdemokraten ist ein Mittelstandsgefährdungsprogramm" ruft sie aus. In solchen Momenten lebt der Saal auf, johlen die Delegierten. Doch es gibt nicht viele davon. In weiten Teilen ähnelt Merkels Ansprache eher einem Rechenschaftsbericht als einer Parteitagsrede. Energisch wird die Kanzlerin, als sie die schlechten Quoten von Frauen in Führungspositionen beklagt: "Meine Geduld ist allmählich am Ende". Die Forderung nach einer Besserstellung von Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, ist aber kein Herzensanliegen der Kanzlerin - sondern ein Zugeständnis an die Frauen-Union.
Zumindest mit ihrer Rede folgte Merkel dem Gründervater der Partei, Konrad Adenauer, und dessen Maxime: Keine Experimente. "Nüchtern und unprätentiös" nennt der Ex-Grüne Oswald Metzger den Auftritt im Anschluss. Auch der Heidelberger Bundestagsabgeordnete Karl A. Lamers gibt zu, dass es "keine Hurra-Rede" gewesen sei - doch passe sie genau deshalb in die Zeit: "Angela Merkel hat unaufgeregt und sachlich aufgezeigt, wofür die Partei steht". In eine ähnliche Kerbe schlägt EU-Kommissar Günter Oettinger: "Es war eine Rede, die Sicherheit und Sachlichkeit ausstrahlt", sagt der frühere baden-württembergische Regierungschef gegenüber der Rhein-Neckar-Zeitung. Und der Schwetzinger Bundestagsabgeordnete Olav Gutting findet die Rede der Kanzlerin gar "erstaunlich locker". Den Nerv ihrer Basis hat Merkel also offensichtlich getroffen. Vielleicht liegt das aber auch an der festen Entschlossenheit der Delegierten. "Heute müssen wir unbedingt zehn Minuten klatschen", sagt ein CDU-Mitglied aus Hessen am Morgen zu seinen Parteifreunden. Da hatte die Vorsitzende mit ihrer Rede noch nicht einmal begonnen.