Botenjob nach dem Deutschkurs: Erste Flüchtlinge arbeiten schwarz

21.12.2016 UPDATE: 21.12.2016 09:15 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Botenjob nach dem Deutschkurs: Erste Flüchtlinge arbeiten schwarz

Flüchtling Leon steht in einem Flüchtlingsheim in Düsseldorf vor einem Fenster. Foto: dpa

Von Klaus Tscharnke, dpa

Die Versuchung ist groß: Die Aussicht auf ein paar zusätzliche Euros verleiten inzwischen auch den einen oder anderen Flüchtling dazu, einen illegalen Job anzunehmen. Die meisten aber scheuen das Risiko der Schwarzarbeit - und haben dafür auch kaum Zeit.

Nürnberg (dpa) - Es sind nicht viele - und Chancen haben sie nach Experteneinschätzung auch nur in wenigen Nischenjobs. Dennoch haben inzwischen erste Flüchtlinge in Deutschland die Schwarzarbeit als Erwerbsmöglichkeit entdeckt, berichten mehrere Fachleute. Offizielle Zahlen gibt es dazu freilich nicht - und so weichen die Experteneinschätzungen über den Umfang schwarzarbeitender Flüchtlinge stark voneinander ab. Ein Massenphänomen sei es jedenfalls nicht, betonen Fachleute nahezu übereinstimmend.

Befeuert hatte die Diskussion über schwarzarbeitende Flüchtlinge im vergangenen Frühjahr das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW). Basierend auf einer Hochrechnung hatten die Tübinger Forscher für das Jahr 2016 zwischen 100 000 und 300 000 schwarzarbeitende Flüchtlinge prognostiziert. Sie hatten unterstellt, dass sich von den rund 800 000 Flüchtlingen rund 25 Prozent in der Schattenwirtschaft verdingen könnten. Viele zweifeln die IAW-Annahmen allerdings an.

Dass es Flüchtlinge gibt, die schwarzarbeiten, dafür hat auch Wolfgang Kaschuba, Hinweise. Dass es so viele sind, glaubt aber auch der Direktor des Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Berliner Humboldt-Universität nicht. Allenfalls eins bis zwei Prozent der lebenden Flüchtlinge dürften nach seiner Beobachtung hin und wieder illegale Jobs übernehmen, berichtet er und beruft sich dabei auf die Kontakte seines Instituts in die Flüchtlingsszene.

So genau weiß er es aber auch nicht. Denn kaum ein Flüchtling gibt in den Gesprächen mit den Wissenschaftlern zu, schwarzzuarbeiten. "Uns erzählen Flüchtlinge immer nur von Freunden und Bekannten, die schwarzarbeiten", berichtet Kaschuba. Aber auch wenn das nicht immer zuverlässige Quellen seien, so lieferten die Berichte der Flüchtlinge doch wichtige Einblicke in diese arbeitsmarktpolitische Grauzone.

Wichtigste Erkenntnis nach Kaschubas Ansicht: "Schwarzzuarbeiten - das macht kein Flüchtling leichtfertig. Jeder weiß, dass er damit seinen Flüchtlingsstatus aufs Spiel setzt". Dass ein kleiner Teil es trotzdem tut, hat mehrere Gründe: Für die einen ist die Schwarzarbeit der Schlüssel in die Selbstständigkeit: "Das Problem Schwarzarbeit taucht oft dann auf, wenn das Geld für die Miete eines eigenen Zimmers fehlt", erzählt er. Andere erfüllten sich damit kleine Wünsche, die für sie Ausdruck eines normalen Leben seien: "Mancher träumt davon, einfach mal außerhalb des Flüchtlingsheims in einem Lokal einen Kaffee zu trinken."

Große Jobchancen haben Flüchtlinge nach Kaschubas Einschätzung aber ohnehin nur in wenigen Nischen. Angeheuert werden sie schon mal in Gaststätten. Auf dem Bau würden sie Subunternehmer für einfache Arbeiten einsetzen. Viele verdingten sich bei Lieferdiensten, etwa als Pizzabote. "Da sind abends viele in unseren Großstädten unauffällig unterwegs."

Der Nürnberger Migrationsforscher Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bleibt dennoch skeptisch. "Genaue Zahlen zur Schwarzarbeit, wie sie von manchen Hilfsorganisationen verbreitet werden, sind unseriös. Denn es gibt keine", betont er. Zwar sieht auch er, dass viele Flüchtlinge unter Druck stehen, Schleuser zu finanzieren oder zurückgebliebenen Familienangehörigen zu helfen. Für Jobs seien Flüchtlinge aber schon wegen der von ihnen besuchten Kurse nicht zeitlich flexibel genug. "Integrationskurse nehmen oft den ganzen Tag in Anspruch. Das gilt auch für viele andere Maßnahmen. Da bleibt keine Zeit zum Arbeiten."

Ähnlich sieht das auch die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger. Erfahrungen von Flüchtlingsberatern der Gewerkschaft in der Hansestadt zeigten: Um sich auf dem "Arbeiterstrich" im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg als Taglöhner zu verdingen, "sind Flüchtlinge wegen ihrer Sprachprobleme noch nicht soweit". Der eine oder andere Flüchtling sei aber dort schon mal aufgetreten, sagt Karger.

Geht es nach Erkenntnissen der für Schwarzarbeit-Kontrollen zuständige Zoll-Generaldirektion spielt Schwarzarbeit in der deutschen Flüchtlingsszene bislang überhaupt keine Rolle: "Wir haben noch keine konkreten Feststellungen zu schwarzarbeitenden Flüchtlingen", sagt Behördensprecher Klaus Salzsieder. Diese Einschätzung teilt man auch bei Deutschlands größtem Anbieter von Flüchtlingsunterkünften, der Firma European Homecare. Sprecher Klaus Kocks sagt: "Wir halten das Problem für marginal". Die Vorstellung, dass Anwerber vor Flüchtlingsheimen stehen und Schwarzarbeiterjobs anbieten, entspricht nicht der Realität".