Von Steffen Rüth
Aufbauende Musik schadet nie, vor allem nicht nach so einem von der Pandemie geprägten Jahr. Andrea Bocelli, der Tenor aus der Toskana, widmet sich auf seinem neuen Album "Believe" der musikalischen Umsetzung seines tiefen Glaubens an Gott. Und so interpretiert er etwa Leonard Cohens "Hallelujah" oder auch Klassiker der Glaubensmusik wie "Angele Dei" oder "Ave Maria". Auch einige Duette mit Mezzosopranistin Cecilia Bartoli sowie Bluesgrass-Sängerin Alison Krauss sind enthalten. Steffen Rüth schaute per Videointerview in Andrea Bocellis Wohnzimmer in der Toscana vorbei.
Andrea, 2020 war kein einfaches Jahr. Sie selbst waren im März, wie auch Ihre Familie, am Coronavirus erkrankt. Wollen Sie die Menschen – und vielleicht auch sich selbst – mit "Believe" ein bisschen in den Arm nehmen?
Andrea Bocelli: Das kann ich bejahen. Ich möchte Hoffnung spenden. In diesem Moment in der Geschichte müssen wir ganz besonders auf unser Gemüt achten. Daher kam die Idee, Songs zu machen, die Geist und Seele bereichern können.
Wie wichtig ist Musik für Sie selbst? Vermag Sie ein Lied zu trösten? Zu erfreuen?
Das alles, ja. Musik ist ein ganz wichtiger Teil meines Lebens. Es gibt keinen Moment in meinem Tagesablauf, in dem ich keine Musik spüre. Die ist immer da, immer ganz nah. Ich kann und will mir keine Welt vorstellen, in der die Musik nicht mehr existiert. Musik ist ein sehr wichtiges Werkzeug in der Therapie unserer Seelen. Aber wir müssen sie achten. Wir dürfen die Musik nicht missbrauchen.
Wie meinen Sie das?
Wir hören Musik immer und überall, im Aufzug, im Restaurant, im Supermarkt. Das ist falsch, finde ich. Musik erfordert mehr Aufmerksamkeit. Wenn du Musik hörst, dann müssen sich dein Gehirn und dein Herz ganz auf die Musik fokussieren. So sehe ich das jedenfalls.
In welchen Situationen hören Sie selbst Musik?
Zuhause auf meiner Musikanlage, in erstklassiger Qualität. Musik ist zwar mein Beruf. Aber noch viel mehr ist sie Genuss für mich
Sie singen auf "Believe" unter anderem "Hallelujah" von Leonard Cohen. Was ist Ihre Beziehung zu dem großen Klassiker?
Die Melodie von "Hallelujah" geht direkt ins Herz. Wenn du diesen Song morgens einmal anstimmst, dann singst du ihn den gesamten übrigen Tag weiter, du kannst gar nicht anders. Das Lied nimmt dich vollständig ein. Ich wollte "Hallelujah" seit langer Zeit gerne aufnehmen und freue mich, dass ich nun auch ein paar der Zeilen in italienischer Sprache singe. "Hallelujah" ist einer dieser Songs, bei denen du das Gefühl hast, ihn schon dein ganzes Leben zu kennen.
Ist es für Sie als Fan von Inter Mailand denn in Ordnung, mit "You’ll Never Walk Alone" die Hymne des FC Liverpool zu interpretieren?
Ja! Meine Absicht mit dem Song ist keine fußballerische. Für mich ist dieses Lied ein Meisterwerk, das Hoffnung und Zuversicht vermittelt. In jeder schwierigen Situation dürfen wir unseren Optimismus nicht verlieren. Davon bin ich zutiefst überzeugt, auch jetzt in der gegenwärtigen Gesundheitskrise. Am Ende eines jeden Sturms, und ist er auch noch so schwer, brechen die Wollen auf, kommt die Sonne raus. Und die Vögel werden wieder singen.
Sie gelten als ein sehr positiver Mensch. Auch in diesem schwierigen Jahr?
Absolut. Ich habe sehr, sehr großes Vertrauen in den Erschaffer unserer Welt, in Gott. Mein Glauben ist ein großer Aktivposten in meinem Leben. Bei allen Herausforderungen und Problemen, die mir im Leben begegnet sind, habe ich für mich akzeptiert, dass dieses Leben eine Reise ist, auf der ich jede Station genießen und wertschätzen sollte.
In normalen Jahren singen und touren Sie überall auf der Welt. Seit Corona haben Sie nur sehr wenige, dafür sehr besondere Konzerte gespielt, etwa an Ostern im menschenleeren Dom von Mailand. Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Phantastisch. Ich bin einfach dankbar. Das Schicksal hat es einmal mehr gut mit mir gemeint. Ich durften mitten im Lockdown in Italien live spielen. Das Osterkonzert im Duomo di Milano empfand ich als unglaublich berührend und einzigartig. Der Dom war zu der Zeit ein ikonisches Symbol der Pandemie in unserem Land. Dort singen und beten zu dürfen, hatte sehr, sehr viel Bedeutung für mich.
Ihr Sohn Matteo hat mit Jennifer Lopez gemodelt, ist Schauspieler und hat einen Plattenvertrag unterschrieben.
Ja, er studiert am Konservatorium, er schreibt Songs, er arbeitet richtig hart. Mal gucken, was aus ihm wird. Er hat Talent, aber er wird nichts geschenkt bekommen.
Wie geht es Ihrer Tochter Virginia?
Ausgezeichnet. Virginia ist supermusikalisch. Sie spielt Piano und liebt es zu singen.
Werden Sie mal ein Duett mit ihr singen, so wie auf Ihrem vorherigen Album mit Matteo?
Das wird sich ergeben oder nicht. Es gibt keinen Druck in unserer Familie. Meine Kinder sollen frei entscheiden, was sie in ihrem Leben tun möchten.
Wie halten Sie sich momentan fit?
Ich singe jeden Tag zuhause. Wirklich jeden Tag. Die Stimme muss in Form bleiben.
Der restliche Körper auch?
Och, mit Sport mache ich mir keinen großen Stress. Ich bewege mich natürlich, und ich liebe es zu reiten. Zudem esse ich sehr gesund, ich trinke so gut wie keinen Alkohol, und ich rauche natürlich nicht. Ich möchte gesund sein und gesund bleiben.
Info: Das Album "Believe" ist vor kurzem erschienen. Live am 27. Mai 2022 in Mannheim in der SAP Arena.