Schauspieler Colin Firth: "Ich mag gute Manieren"

Im RNZ-Interview spricht er mit Mariam Schaghaghi über seinen neusten Kinofilm "Kingsman - The Secret Service", seine neue Rolle als Actionheld und den Mann von Claudia Schiffer

19.03.2015 UPDATE: 21.03.2015 06:00 Uhr 5 Minuten, 4 Sekunden

"Dass ich je in einem Actionfilm die Hauptrolle spielen würde, das hat mich selbst überrascht." Schauspieler Colin Firth über "Kingsman". Foto: dpa

Er gilt als Quintessenz des britischen Gentlemans. Deshalb passt er perfekt für die Hauptrolle im Agenten-Spektakel "Kingsman - The Secret Service", in dem es um eine Liga von eleganten Spionen geht, die als feinste Herrenschneider getarnt die Welt retten. Die Überraschung ist: Colin Firth debütiert hier als Actionheld - und das mit 53! Er wirbelt schwerelos durch die Lüfte, verwandelt einen Pub in eine erstklassige Martial Arts-Bühne und entledigt sich seiner Kontrahenten auf athletisch-elegante Weise. RNZ-Mitarbeiterin Mariam Schaghaghi traf Colin Firth in Berlin, und war erstaunt darüber, was er über Gentlemen, Anzüge oder auch Manieren von sich gab.

Mr Firth, seit wann sehen Sie sich als Actionheld?

Seit gestern. Dass ich je in einem Actionfilm die Hauptrolle spielen würde, das hat mich selbst überrascht.

Was hat den Agenten-Virus in Ihnen ausgelöst? Das Skript oder ...

Das Drehbuch hatte ich noch gar nicht gelesen, als ich mich zum ersten Mal mit dem Regisseur getroffen habe, Matthew Vaughn ...

... uns auch bekannt als Ehemann von Claudia Schiffer, die diesen Film auch mitproduziert hat, ganz diskret unter dem Namen Claudia Vaughn.

Ich hatte Lust mit Matthew zusammenzuarbeiten, weil seine Art des Filmemachens einzigartig ist. Darum wollte ich ihn gerne kennenzulernen. Er erzählte mir, worum es in diesem Film gehen soll, und das hat mir auf Anhieb gefallen.

Wie sind Sie mit denn mit den körperlichen Herausforderungen klargekommen? Wenn Sie herumwirbeln und sechs Kerle gleichzeitig verprügeln, hauen Sie auch den Zuschauer völlig um! Ihre Leistung war spektakulär.

Das war tatsächlich nicht ohne, zumal ich ja nicht mehr ganz jung bin. Allerdings bin ich mir gar nicht sicher, dass ich dieses physische Programm mit 25 hätte absolvieren können. Ich habe Sport damals nämlich sehr gehasst. Das war nur etwas für die anderen. Aber hier habe ich nach einem Monat konstanter Schmerzen sogar richtig Gefallen daran gefunden!

Sind Sie etwa zum Adrenalin-Junkie mutiert?

Ich habe mich wirklich etwas gelangweilt, als meine Kampfszenen abgedreht waren und ich nur noch die normalen Szenen spielen konnte. Das ist ja das, was ich immer mache: im Anzug herumlaufen und Dialoge führen.

Sie wollen uns nicht weismachen, Sie hätten Ihre Arbeit als "Gentleman vom Dienst" vor diesem Actionkracher als öde empfunden?!

Nein. Aber dieser Film war für mich eine fast unmögliche Mission. Ich war nie der Super-Athlet, nicht mal als junger Mann. Doch mit den Jahren wird dir klar, dass das Alter, die Gesundheit und die Schwerkraft dich kriegen, wenn du nichts tust. Nach diesem Film war ich mit 52 fitter und durchtrainierter, als ich je gewesen bin.

Werden Sie denn jetzt weiter regelmäßig sporteln oder Marathon laufen?

Marathon sicher nicht, aber trainieren würde ich gern. Nur habe ich leider nicht mehr diese zehn Trainer um mich, die mich drillen. Mir fehlt auch das große Ziel, auf das ich hinarbeiten müsste. Ohne das bringe ich nie so viel Selbstdisziplin auf, um pro Tag drei Stunden zu trainieren.

Sie wurden u.a. von Brad Allen, Jackie Chans Martial Arts Trainer auf Vordermann gebracht, ferner von einem sechsfachen Weltmeister im Thai-Boxen, einem Turner mit Olympia-Goldmedaille, Fahrtrainer etc. etc.

Ich wusste vor dem Training gar nicht, was genau mich erwartet und was für Machos mich in die Mangel nehmen würden. Ich konnte nur eines sicherstellen: dass ich immer pünktlich zum Training komme und willens war, ihr Programm mitzumachen. Nach einer Weile waren wir alle aber total begeistert, weil wir merkten, dass ich zu viel mehr in der Lage war, als wir alle angenommen hatten.

Mit welchen Spionagefilmen sind Sie groß geworden?

Der erste, den ich zu sehen bekam, war George Lazenbys 007 - "Im Geheimdienst Ihrer Majestät". Der Film stand immer im Schatten von Roger Moore und Sean Connery, aber in meinem Herzen hat er einen festen Platz: Das war der erste Film, den ich ohne Eltern im Kino gesehen habe, mit acht. Und im Fernsehen liefen Unmengen Polizei- und Agentenserien wie "The Men from Uncle" oder "The Champions". Darüber wurde an der Schule gesprochen, das war unsere soziale Währung.

Wurden Sie jemals gefragt, ob Sie Bond spielen wollen? Und haben Sie nie damit geliebäugelt?

Nein. Sie sprechen mit dem einzigen englischen Schauspieler meiner Generation, den niemand mit dieser Rolle in Verbindung gebracht hätte.

Weil Sie immer schon zu darcyesk waren? Um mal kurz abzudriften, wie schaut es eigentlich um den nächsten Teil von Bridget Jones aus, der längst geplant war?

Das weiß noch kein Mensch. Die Entscheidung ist noch völlig offen. Aber Sie werden es als erste erfahren! (lacht)

Sie bringen hier auch Ihrem Schützling Manieren bei, fast wie in "Pygmalion". Sind Manieren für Sie selbst ein Muss?

Für viele sind gute Manieren etwas Hochmoralisches. Ich finde, dass es eher um Mitgefühl, Sensibilität und Anständigkeit geht. Manieren allein sind völlig sinnentleert und erfüllen nur ein bestimmtes Protokoll. Gute Manieren dienen in der Politik oder in kriminellen Kreisen gern der Tarnung und funktionieren wie ein soziales Schmieröl.

Klingt, als hielten Sie persönlich nicht so viel von Höflichkeit ...

Ich mag gute Manieren sehr, doch übertriebene Höflichkeit hat etwas Distanzierendes und kann in Förmlichkeit erstarren. Im Kontext des Films ist das Thema auch auf die Tafelrunde von König Arthur bezogen, der Film bedient sich der selben Mythen. Ich bin als Kind mit der Sage aufgewachsen und war mir sicher, dass die Ritter der Tafelrunde irgendwo unter einem Berg schlafen und in Zeiten größter Not aufstehen, um England zu retten. Bisher ist das noch nicht eingetreten, insofern weiß ich nicht, was genau ich mir unter der Zeit größter Not vorzustellen habe.

"Kingsman" behauptet, böser und blutiger als Bond zu sein. Stehen Sie der Gewaltdarstellung in Filmen kritisch gegenüber?

Generell hasse ich es, wenn in Filmen Gewalt zelebriert wird. Ich bin ja auch eher der weinerliche Typ und zart besaitet. Doch dieser Film ist anders. Wenn man Gewalt in Film und Theater kategorisch ablehnt, wäre das für Shakespeare und die griechischen Tragödien recht problematisch! Es kommt immer darauf an, welche Funktion die Gewalt hat - soll sie abschrecken, schockieren oder wachrütteln? Im Fernsehen gibt es zu viel Gewaltdarstellung, von Folter bis zur Pornographie, und das sehen sogar Kinder. In "Kingsman" geht es aber um durchgeknallte Figuren, es ist überzogen, pantomimisch und beinahe albern. Blut fließt nur in Tröpfchen. Hier erinnert die Gewalt an Cartoons, man erwartet fast Sprechblasen mit "Puff!" und "Boom!" So eine Gewaltdarstellung macht mir keinen Kummer.

Hier wird sogar jemand enthauptet - in Zeiten von vermehrten Terrorakten stößt das schon bitter auf.

Gewalt nimmt nicht automatisch dadurch ab, dass man sie aus Film, Literatur und Theater verbannt. Ich will hier keine Gewaltdarstellungsdiskussion füh᠆ren. Es bleibt jedem selbst überlassen, wo bei ihm die Grenze liegt. Die Welt da draußen ist leider voller furchtbarer Geschehen. Natürlich könnte die Kunst sich darauf versteifen, nur schöne Geschichten über das Gute im Menschen zu zeigen. Aber letztendlich verarbeiten wir Realität in der Kunst auf verschiedene Art und Weise - humoristisch, satirisch oder konfrontativ mit schmerzlicher Direktheit. Und zuweilen wollen wir der Realität auch nur entfliehen.

In London lebt die Tradition der feinen Herrenschneider noch immer in der Savile Row im Stadtteil Mayfair fort. Was kann ein Anzug für Sie sein?

Na, ein verdammtes Stück Stoff!

Keine Art Uniform oder gar Rüstung, die Schutz bietet?

Natürlich kann sie das auch sein. Kleidung ist immer ein Ausdrucksmittel, das widerspiegelt, wie einem zumute ist und wie man sich selbst positioniert. Selbst wenn dir Mode egal ist, bringst du damit eine bestimmte Haltung zum Ausdruck. Männer haben es viel leichter als Frauen, weil ein Anzug bei ihnen schon ausreicht - der muss dann aber auch perfekt sitzen!

Sehen Sie sich denn selbst als typischen britischen Gentleman?

Ich identifiziere mich überhaupt nicht damit! Denn es gibt ihn nicht mehr. Heutzutage ist er in der englischen Gesellschaft eh nicht mehr präsent, jedenfalls nicht stärker als in Deutschland. Gehen Sie mal nach England und schauen sich dort um. Viel Glück bei der Suche! Wenn dort heutzutage ein Mann im Nadelstreifenanzug mit Schirm und Melone auf der Straße zu sehen ist, würden alle glauben, er ginge zu einer Kostümparty.