Maximales Gegengift

Knallbunte, fröhliche Musik mitten in der Rezession? Die Band Maximo Park hat ein Gegengift. Das Album "The National Health" des britischen Quintetts enthält Botschaften zur Lage der Nation. Paul Smith und Duncan Lloyd über frustrierte Jugendliche und die Frage, warum die Welt nicht noch ein weiteres Post-Punk-Album von Maximo Park braucht.

06.06.2012 UPDATE: 06.06.2012 14:28 Uhr 2 Minuten, 33 Sekunden
Maximales Gegengift
Von Olaf Neumann

Das neue Album klingt düsterer als der Vorgänger. Was ist der Grund dafür?

Paul: Alle unsere Platten haben auch eine dunkle Seite. Wobei das Düstere am Ende oft durch unseren trockenen, sarkastischen Humor aufgebrochen wird. Der Albumtitel "The National Health" ist dafür das beste Beispiel. Licht und Schatten sind bei uns immer da, wir machen praktisch Songs für alle Stimmungen. Wenn man gute Laune hat, ist es eine muntere Platte. Und wer nach dem gewissen Extra sucht, für den haben wir melancholische Stücke wie "The Undercurrents" zu bieten. Ein immer wiederkehrendes Thema unserer Songs sind unerfüllte Träume.

Wollen Sie die Menschen mit Ihrer Musik trösten?

Paul: Ich denke: Ja. Musik hat immer etwas Tröstendes. Menschen kaufen sich Platten, um sich zu stimulieren.

Ist Ihre Musik ein Gegenentwurf zum fröhlichen Mainstream-Pop, der aus dem Radio plärrt?

Duncan: Wir können auch Popsongs, aber ich höre so gut wie nie Mainstream-Radio. Ab und zu schalte ich BBC 6music an, die spielen alles durcheinander. Songschreiben ist eine instinktive Angelegenheit, es ist keine bewusste Reaktion auf oder gegen etwas. Das würde zu scheußlichen Ergebnissen führen. Unsere Songs passieren einfach. Die Stimmung bestimmt den Sound.

Was wollen Sie mit Ihrer Musik erreichen?

Paul: Wir wollten uns von Anfang an von der Masse abheben. Das Mainstream-Radio empfanden wir immer als Belästigung. Heute sehe ich das entspannter. Wenn ein Song gut ist, warum soll er dann nicht gespielt werden? Rihannas "Fall In Love In A Hopeless Place" ist zum Beispiel großartig. Leider dudelt im Radio fast nur noch Einlullendes, aber Musik ist auch dazu da, Menschen aufzurütteln. Wir verstehen unsere Songs als Gegengift. Sie reflektieren den Alltag der Leute mit all seinen Widrigkeiten.

In einem Song beschäftigen Sie sich mit dem Leben in den "Banlieues", den multikulturellen Vororten französischer Städte. Ein politischer Song?

Paul: Wenn man sich in Europa umguckt, findet man überall kleine Problemzonen. Oberflächlich betrachtet scheint es allen gut zu gehen, aber unter der Oberfläche brodelt es. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Zu diesem Song habe ich mich durch einen Zeitungsartikel über die Banlieues inspirieren lassen, aber im Grunde steht er auch für die Unruhen in den englischen Städten im vergangenen Sommer. Die letzte Zeile lautet: "Man hat uns gesagt, dass wir alles mitnehmen können, was wir wollen." Schuld an den Riots ist auch ein Lebensstil, der auf sozialen Aufstieg bedacht ist und irgendwo auch eine Werbung, die suggeriert: "Auch du kannst dieses schicke Auto fahren." Unsere Gesellschaft zerbricht und die meisten sehen dabei einfach zu. Verstehen Sie mich nicht falsch, Gewalt ist für mich unverzeihlich. Aber wundern tue ich mich über diese Entwicklung ganz sicher nicht.

Nicholas Sarkozy und David Cameron haben die Taten als unpolitisch bezeichnet.

Duncan: Die Unruhen waren unvermeidlich, denn die Situation in den Vororten ist immer schlimmer geworden. Die Studiengebühren steigen und immer weniger junge Menschen können es sich leisten, auf die Uni zu gehen. Irgendwann hat nur noch die Elite Zugang zu Bildung. Das einzige Positive an den Riots ist, dass die Menschen in London oder Manchester beim Aufräumen ein neues Gemeinschaftsgefühl entwickelt haben. Unsere Songs beschreiben bittere Dinge, aber am Ende blitzt immer ein bisschen Hoffnung auf. Vielleicht ändert sich ja morgen schon etwas an den Verhältnissen.

Je schlimmer die Zustände sind, desto besser für die Kunst?

Paul: Anfangs waren wir unsicher, in welche Richtung das Album gehen soll. Es muss "Bäng" machen. Ideen haben wir genug, aber es kommt darauf an, eine Plattform zu finden.

Frustriert es Sie, wenn die Ideen mal ausbleiben?

Duncan: Solche Situationen gab es auch bei dieser Produktion. Unser Keyboarder Luke ist zum Beispiel ein absoluter Perfektionist, der sich tagelang in eine Idee verrennen kann, die am Ende vielleicht gar nicht umsetzbar ist. Und unser Drummer war frustriert, weil er sich nicht so stark ins Songwriting einbringen konnte. Dann haben wir ihm aber vermittelt, dass er der eigentliche Motor dieser Band ist. Das machte für ihn wieder Sinn. Eine Albumproduktion läuft nie geschmeidig, eine gewisse Reibung ist immer dabei.

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