Einmal Rebell, immer Rebell
Der englische Rock-Musiker Eric Burdon hat ein bewegtes Leben und noch immer viel zu sagen
Burdon verfasste auch einige Bücher über sein aufregendes Leben und machte sich als Chronist der Rockgeschichte einen Namen. Die Autobiografie "My secret life" erscheint im Heidelberger Verlag Palmyra. Heute zeigt der vitale 71-Jährige Sänger, der seit Jahrzehnten in den Staaten lebt, mit seinem neuen Album "Til Your River Runs Dry", dass er immer noch zu den besten seiner Zunft gerechnet werden muss. RNZ-Autor Wolf H. Goldschmitt hat mit Burdon über sein von Alkohol und Drogen gekennzeichnetes Leben, das Glück, rechtzeitig die Kurve zu kriegen und die Zeit im Terroristenknast Stammheim gesprochen.
Wollen wir das Interview in Deutsch führen?
Lieber nicht. Mein Deutsch ist miserabel. "Guten Tag, ein Bier bitte, Auf Wiedersehen". Das wäre fast alles und noch ein paar Schimpfwörter mit "A", die ich lieber nicht zitiere.
Aber du hast doch viel Zeit in Deutschland verbracht?
Das stimmt, aber alle haben ja Englisch mit mir gesprochen oder haben es zumindest versucht.
Auch der Richter in Stammheim?
Das ist ein ganz dunkles Kapitel, an das ich gar nicht gerne zurückdenke.
Erzähl trotzdem.
Meinetwegen. Es war die Zeit der Terroristen von der RAF. Und plötzlich wurde ich während einer Tour verhaftet und in Stammheim eingesperrt. Zuerst hieß es, ich sei ein Sympathisant der RAF. Und ich verstand die Welt nicht. RAF bedeutet in England "Royal Air Force". Bis mir klar war, dass ich als Terrorist verdächtigt werde, dauerte es einige Zeit. Der Richter wollte sich mit meinen prominenten Namen wohl profilieren und ließ mich hinter Gitter bringen. Das war ein echter Nazityp.
Aber irgendwie musst du denen doch aufgefallen sein?
Ich persönlich glaube, dass ich unwissentlich während der Dreharbeiten zum meinem Film "Comeback" in München wohl in der Künstlerszene mit Sympathisanten für die RAF in Verbindung kam. Heute weiß ich, dass der deutsche Staat damals extreme Gesetze hatte, um den Terror oder alles, was nur den Anschein danach hatte, radikal auszumerzen. Weil ich mich im linken Umfeld jener Filmemacher aufhielt, wurde ich automatisch zum Staatsfeind, so ein Quatsch. Der Gerichtsprozess war lächerlich und ich wurde letztlich wegen Einnahme von Kokain angeklagt. Am Ende hatten sie gar nichts gegen mich in der Hand. Doch die Kosten für Anwälte haben mich fast bankrott gemacht. Eine böse Zeit mit bösen Menschen, ist ja heute zum Glück nicht mehr so in Deutschland.
Zurück zur Gegenwart: Der Titel "27 Forever" vom neuen Album ist dem legendären "Club 27" gewidmet. Dem gehören Musiker wie Hendrix, Morrison oder Janis Joplin an, die alle mit 27 Jahren gestorben sind. Du wirst trotz Drogenkonsums und heftiger Alkoholexzessen bald 72 Jahre alt. Was hat dich vor einem frühen Ende mit 27 Jahren bewahrt?
Man muss immer im richtigen Moment den Absprung von einer Drogen schaffen. Ich bin sicher, gemäßigtes Rauchen von Gras schadet nicht. Der kontrollierte Konsum von Drogen aber bleibt das A und O. Außerdem hatte ich stets gute Ärzte wie Keith Richards (lacht). Zugegeben, der Sucht zu entfliehen ist nicht einfach. Besonders wenn du jung bist und von den Fans vergöttert wirst, glaubst du, unsterblich zu sein. In diesem Stadium denkt niemand an den Tod. Siehe Amy Winehouse, das jüdische Mädchen aus London mit der gigantischen Stimme und dem traurigen Ende übrigens auch mit 27. Wenn ich heute auf mein Leben zurückblicke, dann muss ich sagen: ich hatte viel Glück, Gevatter Hein ein Schnippchen zu schlagen. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Ein anderer Song aus den neuen Album ist dem aktuellen Thema Wasser gewidmet. Eric, der Ökomann?
Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern mit Vernunft. Das Thema ist extrem wichtig, gerade für kommende Generationen, wenn die weiterhin gesund leben wollen. Als ich in den 70ern von England nach Amerika zog und in Südkalifornien lebte, war Wasser kein Thema. Es wurde eben verschwendet. Aber wie sagt schon Bob Dylan: die Zeiten ändern sich. Immer mehr Menschen wissen um die Bedeutung von sauberem Wasser weltweit. Ich singe mein neues Lied, um noch mehr Aufmerksamkeit auf dieses existenzielle Thema zu lenken. Auch diese ganzen Privatisierungsgeschichten, die gerade laufen, müssen die Menschen genau im Auge behalten. Es geht um die Zukunft unseres Planeten.
Also lebt der Rebell von früher noch?
Wenn du so willst, meinetwegen. Aber es geht doch nicht an, dass es Firmen gibt, die planen, die weltweiten Nahrungs- und Wasserreserven zu besitzen und nach Gutdünken zu verwalten. Wo ich lebe, in Kalifornien, ist es verboten auf seinem eigenen Grundstück nach Wasser zu graben, auch wenn man genau weiß, dass es dort unten zu finden ist. Aber ich sage laut und deutlich: Wasser gehört allen, das kann nicht einfach so privatisiert werden. Ich will auf keinen Fall, dass irgendwann Coca-Cola die Rechte an Wasser erwirbt und das dann unter anderen Namen in Flaschen verkauft. Wahrscheinlich wird es Kriege ums Wasser geben, und teilweise passiert das in Afrika ja gelegentlich schon. Also ist es für mich legitim, dass ich mir Sorgen um dieses existenzielle Gut mache und das auch in einem Lied zur Sprache bringe. Oder nicht?
"The House of the rising Sun" war der einzige Nummer-1-Hit deines Lebens und du hast am Ende doch keinen einzigen Cent Tantiemen dafür bekommen. Wie konnte das passieren?
Noch so eine traurige Geschichte aus der Vergangenheit. Zunächst einmal: Eine Nummer eins bedeutet in jenen frühen Tagen des Beat eigentlich nicht viel. Meistens kaufte die Plattenfirma selbst so viele Exemplare eines Titels, damit er hoch in den Charts landete. Das war bei den Beatles nicht anders als bei den Animals. Wenn du das einmal begriffen hast, kommst du schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Und jetzt zum großen Raubzug: Ich wurde wie später noch öfter im Leben (lacht) beim "House of the rising Sun" glatt über den Tisch gezogen. Ich und meine Bandkollegen wurden um die Tantiemen schlichtweg betrogen. Bis auf Alan Price, unseren Organisten. Der wusste als Finanzbeamter Bescheid, trickste uns aus und stand plötzlich als einziger Komponist auf dem Plattenlabel. Dafür kassiert er seit fast 50 Jahren die komplette Kohle, der Bastard. Aber Alan, ich vergebe dir, es ist doch letztlich nur Geld und ich hoffe, dass es dich glücklich macht.