Zeitlos gut

John, Paul, George und Ringo haben die Popgeschichte geprägt wie keine andere Band.
Der kurze, aber gewaltige Siegeszug der Beatles revolutioniert die Welt. Ob Mode, Merchandising, Trends, das Gesamtwerk der Söhne Liverpools schwingt bis zum heutigen Tag nach. Unser Mitarbeiter Wolf H. Goldschmitt dreht zum 
50. Jubiläum der ersten Single die Uhrzeiger zurück.

17.12.2012 UPDATE: 17.12.2012 08:00 Uhr 3 Minuten, 49 Sekunden
1967 galt ''Sgt. Pepper's'' als das beste Album der Beatles. Foto: dpa
John Lennons Mundharmonika auf "Love me do" garantiert seit einem halben Jahrhundert den Wiedererkennungswert dieses Titels. Doch die erste Schallplatte verkauft sich nur schleppend. Wenn Manager Brian Epstein nicht selbst ein paar 1000 Platten gekauft hätte, wäre das Lied kaum auf Rang 17 der britischen Charts gelandet. Eine gute Investition! Nur fünf Monate später liegt die erste Langspielplatte der Beatles auf Platz 1 und die Welt den Fab Four bald zu Füßen.

"Wo wollen wir hin?", lautet die Standardfrage von John Lennon auch vor dem letzten Konzert der Band am 31. Dezember 1962 im Hamburger Starclub. Hier holen sie sich das handwerkliche Rüstzeug für die Karriere. Und Paul, George und Ringo antworten wie immer: "To the Toppermost of the Poppermost". Frei übersetzt: Hinauf zum höchsten Gipfel des Pop-Ruhms! Aus heiterem Himmel kommt der kometenhafte Aufstieg freilich nicht. Brian Epstein "komponiert" Image und Erscheinung der Band als selbstbewusste, aber wohlerzogene und anständig gekleidete Rock'n'Roll-Musiker wohlüberlegt. So wird jedes Bandmitglied perfekt und massentauglich zugeschnitten. Der süße Paul, der smarte John, der stille George und der lustige Ringo. Jeder Fan kann nun den Typ Beatle anhimmeln, der ihm am sympathischsten ist. Ein genialer Schachzug, denn weder früher noch später einigen sich so viele gesellschaftliche Kreise auf gemeinsame Identifikationsfiguren.

Die man sogar kaufen kann, denn mit den Beatles wird das Merchandising, auf das heute kein Künstler verzichten kann, aus der Taufe gehoben. Es gibt Beatlepuppen in allen möglichen Größen und Materialien, ihre Konterfeis finden sich auf Schürzen, Tassen, Taschen, Schals und selbst Aschenbechern. Die Originale kosten heute richtig Geld. Und mit Reproduktionen verdienen Händler wie der Beatlesstore in London immer weiter.

Über 40 Jahre nach der Trennung der "Heiligen Familie des Pop" ist also ein Ende der Erfolgsstory nicht in Sicht. Die Wegbereiter des Pop sind bisher nicht nur die erfolgreichsten Musiker - einsamer Rekord: Im April 1964 belegen sie die ersten fünf Plätze in der offiziellen US-Hitparade - sie setzen auch andere Trends und Duftmarken, die bis zum heutigen Tag nachschwingen. Und sie revolutionieren das Lebensgefühl einer ganzen Generation.

Manager Brian Epstein spürt schon früh, dass die jungen Männer weit mehr sind als eine einfache Popgruppe, von denen es in den 60ern raue Mengen gibt. Die Beatles lieben beispielsweise Kleidung über alles. Mode, Styling, Accessoires und Frisuren gehören folglich von Beginn an zu ihrem Kult. Sie passen optisch ideal zusammen und dieses Bild wird entscheidend für ihren Erfolg. So existiert kaum ein Foto, auf dem die vier ungepflegt erscheinen. Die zahlreichen Outfits der Fab Four sind legendär, angefangen von ihrem Hamburger Debut in Lederjacken und schwarzen Pullovern über die legendären kragenlosen Jacketts der Beatlesmania und die farbenfrohen Kostüme der Sergeant-Pepper-Ära bis zum schrillen Paisley-Hippie-Look. Kurzum, sie schaffen die Basis für eine eigenständige Jugendkultur. Ganz nebenbei kurbeln sie bis zum heutigen Tag den weltweiten Verkauf von Instrumenten an.

Ein wichtiges Kapitel im Leben der größten Popgruppe nehmen stets ihre Frisuren ein. Auch auf diesem Gebiet sind sie wandlungsfähig wie Chamäleons. Im Verlauf ihrer Karriere tragen sie viele unterschiedliche Haartrachten, von den "Pilzköpfen" bis zu den langhaarigen "Gammlerfrisuren". Die Avantgardisten machen das Tragen langer Haare auch für Männer gesellschaftlich akzeptabel und populär, auch wenn sie auf ihre freche Art gegen Vorurteile ankämpfen müssen. So kontert John Lennon die einfältige Frage eines US-Journalisten, wie sie denn mit so langen Haaren nachts schlafen können mit: "Na ja, wenn du schläfst, merkst du das doch gar nicht." Apropos Pressekonferenzen, auch diese früher drögen Frage-Antwort-Runden profitieren von der Schlagfertigkeit der Beatles. Und Ringo gebührt der größte Lacher. Gefragt, was er von Beethoven halte, antwortet er locker: "Am meisten liebe ich seine Gedichte".

Selbst in Sachen Gesichtshaar geben sie damals den Trend vor. Für das Album "Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band" lassen sie sich Oberlippenbärte stehen, ein Novum für Musiker. Dreitagebart oder Vollmatratze, in den 60ern ein Attribut von Westernbösewichten und Homosexuellen, kein Problem für eine Band mit Narrenfreiheit. Noch heute bieten Internethändler falsche "Beatlesbärte" als Partyknüller an, ebenso die runde Brille von John Lennon als nettes Accessoire. Bis 1966 touren die Pioniere als erste Gruppe der Welt durch dieselbe: in Europa, den USA, Australien und Asien stehen insgesamt 170 Konzerte auf dem Programm. Als erste veröffentlichen sie nicht nur Platten, sondern betreiben rege einen Fanclub, treten in Fernsehshows auf und drehen Filme. 1964 kommt die Musikkomödie "A Hard Day's Night" in die Kinos, zu der zeitgleich das entsprechende Album erscheint. 1965 entsteht "Help!", später dann der Zeichentrickfilm "Yellow Submarine". Und im Gegensatz zu Elvis, der in seinen Kinofilmen in Rollen schlüpft und dessen schauspielerische Fähigkeiten überschaubar bleiben, spielen die Beatles lediglich sich selbst. Gerade weil sie keinen künstlerischen Anspruch erheben, herumblödeln und Spaß haben, überleben ihre Filme bis heute. Für das 1965 erscheinende Album "Rubber Soul" produzieren sie erstmals Kurzfilme, die sie kostenlos an Fernsehstationen verteilen - lange vor MTV wird so der Videoclip geboren. Es sind die Beatles, die 1967 bei der ersten, globalen TV-Satellitenübertragung "Our World" zu "All you need is love" über 400 Millionen Fernsehzuschauer gleichzeitig mitsummen lassen - noch so ein bis zum heutigen Tag unerreichter Rekord.

"The End" heißt bezeichnenderweise der letzte, gemeinsam aufgenommene Titel auf der LP "Abbey Road". Von wegen Ende! Der Name der erfolgreichsten Band der Geschichte lässt auch noch über 40 Jahre nach ihrer unschönen Trennung die Kassen klingeln. Denn Produkte der Beatles in luxuriöser Verpackung gelten längst als Statussymbol. Die Plattenfirma EMI bringt nun musikalisch hochwertige Ware auf den Markt: eine Vinyl-Ausgabe der Remastered-Serie von 2009. Damals werden die "Kronjuwelen der Popmusik" für CD nach dem neuesten Stand der Technik entstaubt. Diese Tonträger verkaufen sich 17 Millionen Mal. Jetzt sind die Alben erstmals wieder auf 180-Gramm-Vinyl nachgepresst worden. Natürlich im originalen Artwork, z.B. inklusive Posters im "White Album"-Karton. Die Meilensteine der Popmusik gibt es einzeln und in Stereo, aber auch als Box für rund 400 Euro. Als Bonus liegen hier ein Fotobuch bei, außerdem die "Past Masters"-Platten mit jenen Hits, die nicht auf LP erschienen sind. Die frühen Titel in Mono gibt's dann demnächst. Na denn, Beatles forever!