"Fußball hat Rhythmus"

Star-Trommler Martin Grubinger über seine Liebe zum FC Bayern, die Ästhetik des Zinédine Zidane und die Idee, Profikicker mit Walzer zu trainieren.

21.03.2017 UPDATE: 27.03.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 55 Sekunden
„Fußball hat Rhythmus“

Martin Grubinger. Foto: Felix Broede

Das ist definitiv der richtige Schal!" Martin Grubinger lacht, als ihn der Reporter mit dem rot-weißen Fan-Utensil um den Hals begrüßt - "genau denselben habe ich auch". Ja, manchmal ist es selbst für einen Norddeutschen von Vorteil, wenn der eigene Sohn Fan des FC Bayern ist und der Vater sich fürs Interview mit dem wohl besten (und schnellsten!) Schlagzeuger der Welt kurzerhand den "Halsschmuck" des Sohns ausborgen kann - wohl wissend, dass der österreichische Perkussionist ein leidenschaftlicher Anhänger des Rekordmeisters ist. Vor seinem Heidelberger Gastspiel am morgigen Sonntag (26.) mit dem BBC Philharmonic hat Christoph Forsthoff Grubinger getroffen und mit dem 33-Jährigen über die Begeisterung klassischer Musiker für Fußball gesprochen.

Hintergrund

■ Name: Martin Grubinger

■ Geboren am 29. Mai 1983 in Salzburg

■ Status: Trommel-Wirbler.

■ Karriere: Ersten Unterricht erhielt Grubinger von seinem Vater, Martin Grubinger senior, einem Schlagzeuger und Lehrer am Mozarteum. Bereits als Jugendlicher nahm

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■ Name: Martin Grubinger

■ Geboren am 29. Mai 1983 in Salzburg

■ Status: Trommel-Wirbler.

■ Karriere: Ersten Unterricht erhielt Grubinger von seinem Vater, Martin Grubinger senior, einem Schlagzeuger und Lehrer am Mozarteum. Bereits als Jugendlicher nahm Grubinger an internationalen Wettbewerben teil. Er studierte am Bruckner-Konservatorium in Linz und ab 2000 am Mozarteum in Salzburg. Grubinger gilt als einer der weltbesten Marimbaphon-Spieler. Er besitzt ca. 500 Idiophone und Membranophone, von denen er 400 beherrscht.

■ Auftritte: Grubinger spielt in den großen Konzerthallen der Welt zusammen mit renommierten Philharmonie-Orchestern. Aufsehen erregte er 2006 mit einem so genannten Schlagzeugmarathon, dem Showdown at Vienna Musikverein, und mit einer siebenstündigen Schlagzeugnacht im Rahmen des Beethovenfests. Als Solist brachte er mehrere Stücke zur Uraufführung. 2010 spielte er das Music Discovery Project mit der Hip-Hop-Band Blumentopf und beim Eurovision Song Contest 2015 in Wien trat er als "Pausenfüller" auf.

■ Privat: Grubinger ist mit der Pianistin Ferzan Önder verheiratet und lebt in Neukirchen an der Vöckla (Oberösterreich). Er engagiert sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. lex

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Österreicher und Bayern gelten nicht gerade als die allerbesten Freunde - wie wird da ausgerechnet ein Österreicher zum FC Bayern-Fan?

Ich bin ja Salzburger, und da gibt es schon einen sehr starken sprachlichen, aber auch inhaltlichen Konnex mit den Bayern - anders als bei den Wienern oder den Österreichern im Osten unseres Landes. Und in Salzburg ist der nächste größere Fußballklub, mit dem man mitfiebert, der FC Bayern: Mein erstes Trikot habe ich als Vierjähriger bekommen und besitze inzwischen über 40 Bayern-Trikots.

Aber trotzdem: Wie wird ein Salzburger Bub Bayern-Fan?

Wie es genau passiert ist, weiß ich nicht mehr, aber ich kann mich erinnern, dass ich damals schon Lothar Matthäus und auch Stefan Effenberg in seiner ersten Zeit bei Bayern gesehen habe. Es war die Zeit, als Jupp Heynckes zum ersten Mal bei Bayern Trainer war, und auch in der Volksschule waren dann unter meinen Schulkollegen ein paar Bayern-Fans.

Klingt nach einem richtigen Fußball-Fan - und der wechselt ja auch ein Fan-Leben lang nicht den Verein …

(lacht) … niemals! Ja, da werde ich zum Verrückten - auch im Stadion: Ich schäme mich dann immer ein bisschen, denn manchmal ist meine Frau mit dabei oder mein Sohn, und ich bin dann so emotional: Natürlich ist der Schiedsrichter immer an allem schuld, und liegt ein Bayern-Spieler am Boden, war das selbstredend ein Foul - dieser unfassbare Gegenspieler, gib‘ ihm Gelb! (lacht)

Im Stadion fiebern Sie also richtig mit?

Genau - "Steht auf, wenn Ihr Bayern seid…" und dann stehe ich schon und klatsche. Mein Traum wäre ja, bei den Fans in der Südkurve zu stehen, aber das ist ein sehr eingeschworener Haufen, da kommt man sehr schwer rein … Im VIP-Bereich hinter Glas herumzusitzen, das ist gar nicht meine Sache. Ich möchte das ganze Flair miterleben und will mit den echten Fans leben: Das macht mir Spaß.

Kehren Sie dann zu den Heim-Spielen auch in die Münchner Fankneipen ein?

Ja, absolut! An so einem Bayern-Tag fahre ich schon sehr früh dorthin, ausgestattet mit Hut, Schal, Trikot, Hose und Bayern-Schuhen - und dann gibt’s dazu noch die Meister-Mischung, das sind meine favorisierten Bayern-Gummibärchen (lacht). An einem Spieltag ziehe ich mir dann drei Packungen dieser Mischung rein: Ich bestelle mir die in hohen Dosen über den Fan-Shop und lasse mir meist gleich 20 Packungen zuschicken - meine Frau kann das gar nicht fassen, aber das ist meine ganz große Leidenschaft, und dann esse ich den Pokal und die Meisterteller und die Champions League-Trophäe.

Nun scheint die Begeisterung für den Fußball bei Ihnen besonders ausgeprägt zu sein, doch auch grundsätzlich ist es schon überraschend, wie viele klassische Musiker sich für Fußball begeistern oder sogar selbst in ihrer Freizeit spielen …

… ja, das stimmt - ob das nun Julian Rachlin ist, Clemens Hagen oder Daniel Müller-Schott, der sogar mit Philipp Lahm befreundet ist, oder auch diverse Dirigenten wie Paavo Järvi oder Riccardo Chailly, der Rossoneri, also AC Mailand-Fan ist.

Woher rührt diese Faszination, denn auf den ersten Blick scheinen das ja zwei sehr gegensätzliche Welten?

Der Fußball hat etwas, das uns Künstler fasziniert. Das ist zum einen diese Kreativität, ständig entstehen neue Situationen. Und dann Spieler wie Zinédine Zidane: Der hat sich bewegt wie Balletttänzer. Das hatte Ästhetik und ein künstlerisches Gesamtverhalten auf dem Platz, dem man sich als Musiker verbunden fühlt. Oder Messi, der aus jeder Situation etwas Überraschendes machen kann: Auch wir Musiker wollen dieses Überraschungsmoment in einem Konzert - für uns und für das Publikum.

Aber ein solches Überraschungsmoment gibt es auch in anderen Ballsportarten …

Dazu kommt die Verliebtheit mit einem Spielgerät, die wir als Musiker ebenfalls kennen - auch wir sind ja sozusagen eins mit unserem Instrument. Und wenn man bei den Fußballern diese Symbiose mit dem Ball beobachtet, wie sie etwa beim Einspielen mit dem Ball jonglieren, ohne dass der auch nur einmal auf den Boden fällt, wie sie sich diesen zuspielen und eins werden mit dem Ball: Das ist faszinierend.

Und welches fußballerische Moment begeistert Sie als Schlagzeuger am meisten?

Das Timing. Oft ist ja etwa bei einem Konter zu hören, das Timing für den richtigen Pass habe gefehlt - und genau das ist das Faszinierende, dass man über eine Spielsituation diverse Rhythmen herauslesen kann. Wenn man die Dortmunder in ihren guten Zeiten bei einer Kontersituation verfolgt hat, hatte man das Gefühl, da ist purer Rhythmus.

Das klingt fast, als stecke in jedem Fußballer auch ein Musiker …

(lacht) Ich würde sehr gern mal eine Mannschaft trainieren. Ich würde eine große Anlage auf den Platz stellen und dann: So, liebe Profifußballer, jetzt müsst‘s ihr im Walzerrhythmus einen Konter über fünf Stationen vor das gegnerische Tor trainieren - um-ta-ta, um-ta-ta. Immer auf der eins - und das trainieren wir fünfzigmal, bis sich das richtig im Unterbewusstsein verinnerlicht hat.

Und dann?

Dann nehmen wir Samba (schlägt den Rhythmus): Immer auf der Drei - eins, zwei, Pass - eins, zwei, Pass. Dann Salsa (schlägt erneut den Rhythmus), und so trainiert man unterschiedliche Spielgeschwindigkeiten.

Welches Ergebnis erhoffen Sie sich?

Wenn die Spieler diesen gemeinsamen Groove, dieses gemeinsame Timing verinnerlicht haben, kann dies helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Ich habe diesen Gedanken schon mal in der Sportreportage vorgeschlagen, und Jürgen Klopp hat sich sogar damit beschäftigt.

Wie fand er es?

Es war ihm dann doch zu wirr und zu komisch. Aber ich würde das gern mal testen und halte nach wie vor nach einer Profimannschaft Ausschau, die sagt: Das probieren wir aus! Denn ich glaube fest, dass mit diesem System Fortschritt zu erzielen wäre.