Von Liane Rapp
Schokotoffees mit Lakritzfüllung, Ingwer-Kaubonbons, Gurkenschokolade, Nougat mit Salzgeschmack - lauter Neuheiten, die in der letzten Woche auf der weltgrößten Süßwarenmesse ISM in Köln vorgestellt wurden. 1400 Aussteller aus 67 Ländern präsentierten ihre Klassiker und Newcomer - unter anderem auch "Maya"-Gebäck aus El Salvador gefüllt mit Guave- oder Kokosnussmasse sowie Konfitüre aus Kaffeebohnen.
Fast 32 Kilogramm Süßwaren vernascht der deutsche Durchschnitts-Verbraucher im Jahr. "Damit sind wir hinter den USA, den Niederlanden und Großbritannien in der Spitzengruppe", erklärt Hans Strohmaier, Geschäftsführer des internationalen Handelsverbands Sweets Global Network. Beim Niedrigpreis ist Deutschland sogar Europameister. Für einen ausgewählten Warenkorb mit Schokoriegeln, Chips und Bonbons lege der deutsche Verbraucher 23,46 Euro hin, während der Durchschnitt der Europäer 30,66 Euro für die gleiche Ware bezahlen müsse, die Norweger sogar 55 Euro.
Die Bundesbürger greifen vor allem gern zu Schokolade - drei Viertel von ihnen mindestens einmal pro Woche. "Das ist auch schon mal als Stresskiller gefragt", weiß Torben Erbrath vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Insgesamt werden die Konsumentenwünsche allerdings immer spezifischer. "Da es aber schwierig ist, ein ganz neuartiges Produkt zu erfinden", meint Handelsexperte Strohmaier, "profilieren sich die Hersteller vor allem mit ausgefallenen Variationen". Süße Pistaziencreme als Brotaufstrich, Safran-Buttergebäck, dunkle Schokolade mit Birkenrinde oder Marshmallow-Stangen mit Orangenblütenaroma. Es gibt kaum etwas, das es nicht gibt.
Besonders gefragt: laktose- und glutenfreie Süßigkeiten sowie Produkte speziell für Allergiker. Und, klar, kalorienreduzierte Leckereien. Der Zuckerersatzstoff Stevia ist auf dem Vormarsch: Pulmollbonbons mit Stevia, ebenso Ricola Kräuter und selbst Lakritze.
Einer der führenden Hersteller von Kakao- und Schokoladenprodukten, der belgisch-schweizerische Konzern Barry Callebaut mit Hauptsitz in Zürich, hat in seiner Studie "Insightout" die zukünftigen Verbrauchertrends in Bezug auf Schokolade ausgemacht. Sechs unterschiedliche Typen mit grundverschiedenen Profilen sind dabei entstanden. "Wir suchen immer nach Wegen, um schlummernde Bedürfnisse und künftige Vorlieben der Verbraucher zu erkunden", erklärt Marketing Director Sofie De Lathouwer. Verbrauchertyp 1 legt Wert auf neue und nie da gewesene Geschmackserlebnisse, gönnt sich seinen "täglichen Luxus" als "eine Minute reinsten Genusses". Nach dem Motto "weniger ist mehr" erwartet er von seiner kleinen Schoko-Pause das gewisse Etwas und ausgezeichnete Qualität. Barry Callebaut kommt diesem Wunsch zum Beispiel mit Mini-Schokoladenstiften nach. Schoko-Typ 2 ist ein Schnäppchenjäger, durchblättert Angebote, informiert sich online, will aber dennoch Qualität. In der Studie wird er Typ "Clever & praktisch" genannt, der für einen guten Preis auch bereit ist, die Marke zu wechseln.
"Edle Schlichtheit" wird die Gruppe derjenigen genannt, die es unverfälscht und gesund wollen - nah an der Natur und ohne Schnickschnack. Diese Verbraucher suchen im Angebotsdschungel nach "the one and only" und bleiben diesem Produkt auch treu. Anders der Typ "Mein Essen liegt mir am Herzen": Konsistenz, Farbe und Geschmacksrichtung der Schokolade sollten unique sein, sich abheben vom Rest der Welt. Hier wird Wert auf hochwertige Zutaten gelegt, limitierte Editionen und exklusive Produkte. Hersteller können diesen anspruchsvollen Individualisten gewinnen mit persönlichen Botschaften und etwa kreativen Verzierungen.
Zwei Trends, die vor allem auch in Deutschland zum Tragen kommen, sind der Verbrauchertyp "menschlich und lokal", der wissen möchte, woher sein Produkt kommt, nämlich am liebsten aus der Region. Er sucht die "Seele" eines Produktes, einen Kompass im globalisierten Markt und legt Wert auf Tradition und Authentizität. Und die Verbraucher, die nur zu Produkten greifen, die fair angebaut und gehandelt werden, am besten noch aus biologischem Anbau. Sie werden in der Studie als Konsumenten, die Wert auf "Respekt und Verantwortung" legen, zusammengefasst. "Die Zukunft liegt auch in meinen Händen", ist ihr Votum.
14 Millionen leben vom Kakao
Diese Zielgruppe hat auch der Verein Transfair e.V. im Fokus. Er vergibt für Deutschland das Fairtrade-Siegel und stellt sicher, dass nur jene Produkte zertifiziert werden und auf den deutschen Markt kommen, die hohen Nachhaltigkeits-Standards entsprechen. Fairtrade schreibt zum Beispiel vor, dass zusätzlich zum Mindestpreis immer eine Fairtrade-Prämie ausgezahlt wird. Dieses zusätzliche Geld können die Produzenten aus benachteiligten Regionen des Südens in Gemeinschaftsprojekte finanzieren: etwa den Bau einer Schule, die Umstellung auf ökologischen Anbau oder in Investitionen in die dörfliche Infrastruktur.
In mehr als 30 Entwicklungsländern wird Kakao angebaut - 14 Millionen Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt mit seiner Produktion und in zahlreichen Ländern Westafrikas und Lateinamerikas ist die Kakao-Produktion Haupteinnahmequelle vieler Familien. Etwa an der Elfenbeinküste und in Ghana, wo 90 Prozent der Bauernfamilien davon abhängen. Der Faire Handel verhilft diesen Kleinbauern zu einer Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Schokolade mit dem Fairtrade-Siegel gibt es bundesweit in 36 000 Verkaufsstellen.
Auch das deutsche Unternehmen Lambertz aus Aachen - aktueller Gesamtumsatz 560 Millionen Euro - hat die Zeichen der Zeit erkannt und nun neben Printen, Lebkuchen und Dominosteinen auch "Bio Hafer Cookies" im Angebot. Bloggerin Marid Schulz alias "Plotterfee" meint: "Eine Kombination aus Sesam, Nüssen, Rosinen und Karamell mit leckerer Vollmilchschokolade - mein persönliches Highlight." Bio, ein Trend, der auch bei Schokolade und Süßigkeiten auf dem Vormarsch ist, auch wenn sein Marktanteil insgesamt noch bei vier Prozent liegt. Auf der Messe auch dabei: Panettone und Christstollen, Blaubeer-Joghurt Drops und Riegel mit Latte Macchiato-Füllung - alles Bio.