Stefan Mappus kämpft um seine Reputation

Nein, er sei kein Opfer und kein Getriebener gewesen: Der frühere Regierungschef hat im Untersuchungs-Ausschuss die Verantwortung für den "sehr guten" EnBW-Deal übernommen

10.03.2012 UPDATE: 10.03.2012 05:21 Uhr 3 Minuten, 49 Sekunden
Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Es ist fast wie früher: Stefan Mappus kommt in den Landtag, verschwindet kurz in einem Büro, betritt dann den Plenarsaal, verteilt Küsschen an eine CDU-Abgeordnete, lässt sich von den Fotografen blitzen und ist ansonsten bester Laune. Dann, es ist kurz nach zehn, setzt sich auf seinen Platz. Seinen? Nein, es ist längst der Klappsitz eines Grünen. Denn Mappus ist hier nur noch Gast, als Zeuge geladen vom Untersuchungsausschuss des Landtages, der die umstrittene Übernahme der EnBW-Aktion beleuchtet. Jener Deal, der Mappus das Amt und schließlich auch den Klappsitz im Plenarsaal kostete.

Diese erste Zeugenaussage wurde mit Spannung erwartet, die Landtagsverwaltung hatte eigens den Plenarsaal geräumt, aber fast alle Presseplätze unten im Parkett sind verödet, auch die Zuschauertribüne bleibt, bis auf die landespolitischen Korrespondenten, lückenhaft.

Ulrich Müller, der Ausschussvorsitzende und ehemalige Minister, spricht denn auch zunächst nur für die Fernsehzuschauer, die zumindest für ein paar Stunden live dabei sein können. Er erläutert, was bisher geschah, und schon ist auch der Zeuge dran: 45 Jahre alt, von Beruf Diplomökonom und entschlossen, seinen Ruf wiederherzustellen: "Ich möchte mit Fakten belegen, dass ich den Ankauf nach besten Wissen und Gewissen vorbereitet und vollzogen habe."

Fünf Viertelstunden lang schildert Mappus vorwiegend chronologisch die Vorgeschichte des Kaufs, weitere fast acht Stunden dauert das Frage-und-Antwort-Spiel. Drei Mitarbeiter des Rechnungshofes schreiben auf der Regierungsbank eifrig mit, neben Mappus sitzt sein neuer Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner, der schon Kanzler Kohl in der Spendenaffäre vertrat.

Stark gerafft: Die Franzosen hatten im Vorfeld einer geplanten Parisreise des damals neuen Regierungschefs "ungewöhnlich offensiv" kommuniziert, sie wollten entweder die Mehrheit an der EnBW besitzen oder nichts. Nun war aber, sagt Mappus, Konsens in allen Landtagsparteien, dass ein ausländisches Unternehmen niemals die Mehrheit des drittgrößten deutschen Energiekonzerns übernehmen sollte. Das hatte Mappus auch Frankfurter Wirtschaftsjournalisten erklärt, aber diese eher beiläufige Bemerkung geriet auch nach Paris. Die Edf war entsprechend sauer - und drohte mit Ausstieg aus ihrer deutschen Tochter. Umgehend bat Mappus morgens telefonisch seinen Freund, den Investmentbanker Dirk Notheis von Morgan Stanley (MS) um Vermittlung und saß abends bei EdF-Chef Henri Proglio bereits zum Gespräch.

"Everything is on the table", alles steht zur Disposition, sagte man ihm dort unverblümt. "Da wurde mir schlagartig klar, dass die EdF ernst machen würde." Proglio, mit dem er sich auf Englisch unterhielt, machte noch ungefragt eine Preisangabe: Nicht unter dem Buchwert von damals 39,90 Euro sei die Aktie zu haben - für Mappus ein Zeichen der Entschlossenheit. "Es hätte mit höchster Wahrscheinlichkeit potente ausländische Kunden gegeben", deshalb lautete seine Botschaft: Wenn verkauft wird, dann an uns.

Damit war in Gang gesetzt, was Mappus so beschreibt: "Das Land stößt einen Prozess an, für den es noch nicht mal im Ansatz administrative Regeln gab". Heißt, weder juristisch noch von der Abwicklung hatte ein Bundesland jemals einen solchen Kauf abgewickelt. "Das kann keine Staatskanzlei". Also war man auf Berater angewiesen und höchste Geheimhaltung. Aber auch Eigeninteresse räumt Mappus ein: "Politisch war das sehr reizvoll, weil die Opposition kaum was gegen den Rückkauf hätte haben können."

Über den Preis, gestützt auch durch Standard-Analysen anderer Großbanken von Barclays bis zur LBBW, war man sich rasch einig. Nicht hingegen über den Parlamentsvorbehalt. Immer wieder gingen bei der beratenden Kanzlei Gleis Lutz die Mails hin und her, immer wieder habe Dirk Notheis nachgebohrt, aber die Franzosen blieben hart, ließen nur die Wahl zwischen Stillschweigen am Parlament vorbei oder Abbruch.

Ausführlich und wiederholt schildert Mappus die Informationsströme. "Wir hatten die besten Berater ausgesucht, auf deren Ratschlag muss sich der Ministerpräsident verlassen können." Von der zweitgrößten Investmentbank und der renommierten Kanzlei fühlte er sich bestens beraten, und falsch sei die Darstellung, "da hätten Kumpels bei einem Grals Bier mit Handschlag ein Geschäft gemacht!" Auf Fragen setzt er nach: "Ich war nicht Beratungsopfer und nicht Getriebener, sondern rational handelnder Ministerpräsident."

Dem Staatsministerium wirft er Manipulation vor: "Mich stört am Regierungsbericht dass der Eindruck erweckt wird, im internen Mailverkehr wurde ich ständig informiert über Skepsis. Den Mailverkehr zu überwachen war nicht meine Aufgabe. Und die Skepsis wurde nicht kommuniziert." Aber wurde sie denn vielleicht nachgefragt? Mappus: Hätte er um das Risiko des Verfassungsbruchs gewusst, "hätte ich es nicht gemacht.

Das war auch mit Helmut Rau (dem damaligen Staatsminister) so abgesprochen. Denn ganz nebenbei sind wir damals davon ausgegangen, dass wir die Wahl gewinnen." Als Ministerpräsident später vor dem Staatsgerichtshof wollte er sich nicht sehen.

Fast wäre der Handel dann doch noch geplatzt, weil der französische Industrieminister am 5. Dezember seine Zustimmung verweigerte. Da hatte er einen Frankfurter Wirtschaftsjournalisten schon exklusiv gebrieft, da waren das Kabinett und die Fraktionen für den Folgemorgen eingeladen, da wartete der herbeitelefonierte Finanzminister Willi Stächele vor der Tür, um die entscheidende Unterschrift zu leisten. Das aber zog sich, schließlich sei "die Einschaltung der höchsten Stelle" in Frankreich nötig geworden. Nicht Mappus, so stellte der es gestern dar, ließ also den Kabinettskollegen Stächele warten, sondern Monsieur le Président Sarkozy höchstpersönlich. Vielleicht tröstet das den Badener, der als letztes Opfer des Deals seinen Job als Parlamentspräsident hergeben musste.

Mappus ist ruhig und sachlich, nur ein bisschen alte Angriffslust schimmert noch durch, wenn er die neue Führung des Staatsministeriums kritisiert. Sein Büroleiter habe damals mit mehreren Mitarbeitern Aktenkopien für ihn angefertigt - man hätte in der Villa Reitzenstein also wissen müssen, dass es Originalunterlagen gibt. "Es gab vieles an Informationen, wenn man gewollt hätte." Nur habe Staatsministerin Silke Krebs sein Gesprächsangebot bis heute nicht beantwortet: "Man wollte kein Zuviel an Fakten."

Oder wenn er den Staatsgerichtshof schilt: "Ich weise den Vorwurf des Verfassungsbruchs entschieden zurück", moniert Mappus, schließlich habe er weder vorsätzlich noch billigend gehandelt. Immerhin aber gibt er zu: "Der Weg war außergewöhnlich grenzwertig und darf im Regelfall nicht bestritten werden aus Respekt vor dem Parlament, und er war auch eine Zumutung für die Verwaltung." Für diese Erkenntnis hätte es den Untersuchungsausschuss wohl kaum gebraucht.