Mehr Kontrolle im Hühnerstall

Berlin. Im Kampf gegen Antibiotika in der Tierzucht nimmt Ministerin Aigner die Länder in die Pflicht - die Verbraucherzentrale fordert hingegen eine Tiermast ohne Antibiotika.

10.01.2012 UPDATE: 10.01.2012 10:49 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden
Von Rasmus Buchsteiner, RNZ Berlin

Berlin. Umweltschützer schlagen Alarm: Gefährliche Keime in Hähnchenfleisch. Bei einer Stichprobe des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) war die Hälfte der untersuchten Proben aus Supermärkten in Berlin, Hamburg, Köln, Nürnberg und der Region Stuttgart mit multiresistenten Keimen belastet - Erreger, die mutmaßlich durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Hähnchenmast entstehen und zu schweren Erkrankungen führen können.

Allerdings: Bei nur 20 untersuchten Proben und jährlich 600 Millionen Masthähnchen in Deutschland sind die Befunde nicht repräsentativ. Anders sieht es bei einer Untersuchung des nordrhein-westfälischen Verbraucherministeriums vom vergangenen November aus: Von rund 15,2 Millionen erfassten Tieren waren lediglich vier Prozent nicht mit Antibiotika behandelt worden.

Kurz vor dem Start der Grünen Woche am 20. Januar - der weltweit größten Agrarschau in Berlin - gehen Politiker nun in die Offensive. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) will die Bestimmungen für den Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht verschärfen, auf ein absolutes Mindestmaß beschränken. Zudem sollen die "Befugnisse der zuständigen Kontrollbehörden der Bundesländer deutlich erweitert werden", so die Ministerin gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Heute will Aigner ihre Pläne vorlegen.

Die Ministerin forderte die Länder auf, scharf gegen Medikamentenmissbrauch in der Tiermast vorzugehen. Wo eindeutige Verstöße festgestellt würden, müssten diese auch "schnell und konsequent" geahndet werden. "Wenn Antibiotika zum Beispiel illegal zur Wachstumsförderung eingesetzt werden, ist das kein Kavaliersdelikt." Aigners Ministerium will 2012 erstmals genaue Daten über die in Deutschland ausgelieferten Tierarzneimittel veröffentlichen - dabei werde dann deutlich, in welchen Postleitzahl-Bereichen Tierärzte die meisten Antibiotika bezogen hätten.

In den Ländern werden die Pläne der Agrarministerin skeptisch gesehen. NRW-Verbraucherminister Johannes Remmel (Grüne) wirft Aigner im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion Versagen im Kampf gegen Medikamenten-Missbrauch in der Tiermast vor. "Bis heute lehnt Frau Aigner etwa einen Nationalen Reduktionsplan und einen Antibiotika-Gipfel ab, obwohl die Studienergebnisse die Dringlichkeit darlegen." Auch Aigners Forderung nach schärferen Kontrollen kontert Remmel: "Wenn wir den Missbrauch ahnden sollen, müssen wir auch die Instrumente dafür haben. Doch die enthält uns die Bundesregierung vor."

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Auch Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentralen, kritisiert Ministerin Aigner. Deren Pläne seien ungenügend. Es reiche nicht aus, den Informationsfluss zwischen den Behörden zu verbessern und in den Betrieben mehr zu kontrollieren. Billen verlangt im Gespräch mit der RNZ, Aigner müsse einen Stufenplan entwerfen, "mit dem wir innerhalb von zehn Jahren zu einer Tiermast kommen, die völlig frei ist von Antibiotika."

Davon abgesehen sieht Billen zuerst die Hersteller in der Pflicht, sichere Produkte zu liefern - unabhängig vom Preis. "Das machen sie offensichtlich nicht." Positiv sei, dass einige Hähnchen-Hersteller von sich aus erklärt hätten, auf den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika zu verzichten. "Das sollte Schule machen", so Billen. So lange will Minister Remmel nicht warten. NRW wird morgen eine Datenbank starten, in der der Einsatz von Antibiotika in der Geflügelmast dokumentiert wird.