Die Grippeimpfung ist derzeit vielerorts ausschließlich Risikopatienten vorbehalten. Darunter fallen Schwangere, Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke sowie das medizinische und pflegerische Personal. Foto: von Erichsen
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Jahrelang haben Ärzte und Apotheker vor den Gefahren einer Grippewelle gewarnt und den Patienten dazu geraten, sich impfen zu lassen. "Insofern ist die momentane Situation natürlich ärgerlich", sagt Theodor Reinert.
Der grippevorbeugende kleine Piks in den Oberarm sei vielerorts in der Region nur noch jenen vorbehalten, die zu einer Risikogruppe zählen. Dazu zählen Schwangere, Menschen ab 60 Jahren, chronisch Kranke sowie das medizinische und pflegerische Personal. "Alle anderen müssen sich gedulden oder gehen leer aus", berichtet Reinert, Mannheimer Apotheker und Vorstandsmitglied des baden-württembergischen Apothekerverbands.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte Ende des vergangenen Monats vier Chargen des Grippeimpfstoffs Begripal und eine des Mittels Fluad in Deutschland zurückgerufen. Für die Präparate des Herstellers Norvatis waren schon zuvor Verkaufsstopps in Italien, Frankreich Österreich und der Schweiz verhängt worden, nachdem in Spritzen weiße Partikel entdeckt wurden.
Beschwerden blieben zwar aus, als Maßnahme der Risikovorsorge und aus Sorge vor allergischen Reaktionen, die verunreinigte Seren hervorrufen können, verschwanden die Impfstoffe vom Markt. Mit Ausnahme von Deutschland wurden die Norvatis-Mittel in den Ländern später wieder freigegeben. Experten fanden heraus, dass die weißen Flocken Verklumpungen normaler Eiweißbestandteile des Impfstoffs seien.
Hierzulande war die Rücknahme der fünf Chargen mit 750.000 Dosen hingegen endgültig. Viele Spritzen seien ungekühlt zurückgeschickt worden und könnten nicht mehr verwendet werden, erklärte das PEI. Das Institut gab im Gegenzug 620.000 Dosen anderer Hersteller frei. "Dennoch war und ist die Verunsicherung der Patienten natürlich groß", sagt Reinert. Der Apotheker warnt zwar ausdrücklich vor Panikmache, zürnt aber den Krankenkassen. Die hatten nach einer Ausschreibung in Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg aus Kostengründen Exklusivverträge mit Norvatis abgeschlossen.
Das Schweizer Pharmaunternehmen bot mit Begripal den günstigsten Impfstoff an, konnte aber schon vor dem Lieferstopp nicht ausreichend Mittel liefern, was damals schon zu Versorgungsengpässen in den drei Bundesländern führte. "Nördlich der Mainlinie ist die Lage noch viel dramatischer als hier", berichtet Reinert. Im kommenden Jahr sei auch in Baden-Württemberg eine Ausschreibung vorgesehen.
Reinert hofft, dass die Krankenkassen bis dahin die richtigen Schlüsse aus dem Impfchaos ziehen. In Deutschland sei die Produktion der Präparate in diesem Jahr jedenfalls gelaufen. "Schade" findet Reinert die aktuelle Lage, denn eigentlich empfiehlt er jedem, sich impfen zu lassen. "Man ist einfach auf der sicheren Seite." Und wenn eine Impfung nicht (mehr) möglich ist? "Dann muss man trotzdem nicht krank werden", sagt Reinert und gibt Tipps zur Vorbeugung: häufig die Hände waschen (Wasser und Seife reichen), Hände vom Gesicht weglassen, wenn man zuvor einen möglicherweise mit einem Virus belasteten Gegenstand angefasst hat und während einer Grippewelle Abstand zu anderen halten, engen Kontakt vermeiden.
Und eine gesunde Lebensweise gehört natürlich auch dazu, zum Beispiel vitaminreich essen und trinken. "Damit ist schon viel gewonnen", sagt Reinert.