Von Günther Keller
Sinsheim. Hat die Stadt bei der Erschließung des Industriegebiets Süd geschlampt? Auftragsvergaben ohne vorherige Ausschreibungen, Minus-Geschäfte beim Grundstückshandel, fragwürdige Bürgschaften - das hält die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg der Verwaltung vor. Und mehr noch: Sonderzahlungen an Rathaus-Beamte werden von den Kontrolleuren als "rechtswidrig" eingestuft, 24.000 Euro für Business-Seats seien klärungsbedürftig, der Einsatz von Dienstfahrzeugen für den privaten Bereich hinterfragbar.
Oberbürgermeister Rolf Geinert war am Freitag aus doppeltem Grund aufgebracht: Zum einen hatten nach den Krematorium-Unterlagen nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage rathaus- und gemeinderatsinterne Papiere die Zeitung erreicht, was Geinert als bezeichnend für den "Verfall der politischen Kultur in Sinsheim" wertete. Zum anderen hält der Verwaltungschef die Darstellung der Gemeindeprüfungsanstalt für "schlicht und ergreifend falsch". Während Geinerts Versuch, über die Polizei an den Verursacher der Indiskretion zu kommen, bereits im Ansatz wegen fehlender Strafbarkeit scheiterte, will der Oberbürgermeister die GPA-Expertise jedenfalls so nicht stehen lassen: Die Stellungnahme der Verwaltung zu den Vorhaltungen sei bereits in Karlsruhe, man verlange klare Korrekturen der bisherigen Bewertungen. Geinert: "Dieses Verfahren ist noch längst nicht abgeschlossen."
Gut 100 Seiten dick ist der Prüfbericht, der sich turnusgemäß mit den Jahren 2004 bis 2008 befasst. Unterm Strich, so bilanzieren die Kontrolleure, seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Großen Kreisstadt "insgesamt geordnet", die Investitionen seien "solide finanziert", der Gesamteindruck gut. Das große "Aber" folgt im Detail:
> Gewerbegebiet Süd: Laut GPA - und von der Stadt auf Nachfrage bestätigt - bekam die MVV-Tochter Energiedienstleistungen für etwa eine Dreiviertelmillion Euro den Auftrag zur Projektsteuerung. Eine vorgeschriebene europaweite Ausschreibung erfolgte nicht. Auch die Erschließung selbst für etwa acht Millionen Euro wurde ohne vorherige Ausschreibung durchgeführt, so die Prüfer. Dass die Stadt gleichzeitig zugunsten der Grundeigentümer für die Kostenübernahme geradestand, Grundstücke "wohl unter Wert" verkaufte, wird kritisch betrachtet. OB Geinert erkennt die Problematik, räumt auch die indirekte Subvention ein, sagt aber: "Ich stehe dazu". Man habe nach "massiven Vorleistungen" jedoch "Rückflüsse in Millionenhöhe" zu verzeichnen gehabt, was bei der Gesamtbewertung zu berücksichtigen sei. Überdies sei das Verfahren im Nachhinein durch Gemeinderatsbeschlüsse "legalisiert" worden.
> Leistungszulagen: Dass nahezu allen Beamten so genannte Leistungszulagen gezahlt wurden, stößt den Prüfern auf. Insgesamt waren für 2008 und 2009 rund 34.000 Euro überwiesen worden, und zwar trotz des Plazets im Gemeinderat "rechtswidrig", wie es heißt. Deshalb sei eine Rückforderung des Gehaltszuschlags überlegenswert. Aus Sicht des Rathauses waren die Prämien korrekt, nicht zuletzt weil man sich am Beispiel anderer Städte orientiert habe und man die Beamten gegenüber den Angestellten nicht habe schlechter- stellen wollen. 2010 wurden laut Stadt kein Aufschlag mehr gezahlt - "auch unter dem Aspekt der äußerst angespannten finanziellen Lage".
> Business-Plätze im Stadion: "Aufklärung" verlangt die Prüfungsanstalt darüber, welchen Sinn die vier Business-Seats der Stadt in der Rhein-Neckar-Arena machten (zwei weitere Dauerkarten halten die Stadtwerke). OB Geinert verweist auf Repräsentationszwecke, wie sie auch in anderen Bundesligastädten Usus seien. Auch habe man die Plätze in Anerkennung für besonderes ehrenamtliches Engagement vergeben. Ab der Spielzeit 2010/11 wurden von der Stadt keine Karten mehr geordert, allerdings von den Stadtwerken. Die GPA billigt der Kommune allerdings auch zu, dass sie den repräsentativen Aufwand insgesamt "deutlich unter den überörtlichen Erfahrungswerten" halte.
> Dienstwagen für Privatfahrten: Für die Gemeindeprüfer ist dies ein Dauerärgernis: "Eine unentgeltliche Nutzung des Dienstwagens ist grundsätzlich ausgeschlossen", heißt es. Bei Privatfahrten müsste der Nutzer die Kosten übernehmen. Dennoch will die Stadt nach einem entsprechenden Gemeinderatsbeschluss an der "seit Jahrzehnten praktizierten Regelung" festhalten. Diese sieht die freie Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor.
Für OB Geinert ist das letzte Wort zum Prüfbericht jedenfalls noch lange nicht gesprochen. Gegenüber der Karlsruher Behörde hat die Stadt vorsorglich bedeutet, dass man künftig einen anderen Prüfer zugeteilt haben will.