Johann N. ist schuldfähig

Gutachter: Angeklagter führte ein relativ normales Leben

19.03.2018 UPDATE: 19.03.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 34 Sekunden

Johann N. ist schuldfähig - Gutachter: Angeklagter führte ein relativ normales Leben

War Johann N. schuldfähig, als seine Freundin nach einem Streit zu Tode kam? Darum ging es gestern in der Aussage von Dr. Hartmut Pleines im Prozess am Heidelberger Landgericht. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie hatte den Angeklagten begutachtet - allerdings verweigerte Johann N. eine direkte Befragung. Darum stützt sich Pleines Gutachten auf die vorliegenden Akten und die bisherigen Zeugenaussagen. Für Pleines ist das grundsätzlich zulässig, denn "schwere psychische Erkrankungen spielen sich nicht nur im Innern ab. Sie schlagen sich auch im Verhalten und der Lebensführung eines Menschen nieder".

In dieser Hinsicht kam der Gutachter zu der Erkenntnis, dass es bei dem 34-jährigen Angeklagten keine Hinweise für ein schweres Leiden gebe. Vielmehr zeichnete Pleines einen relativ unspektakulären Lebensweg nach: Geboren wurde Johann N. in Budapest, er machte einen Werkrealschulabschluss, absolvierte eine Ausbildung und war dann im Sanitätsdienst der Bundeswehr tätig. Anzeichen für eine Schizophrenie oder für manisch-depressive Schübe gebe es in seinem Lebenslauf keine. Ebenso fanden sich keine Hinweise auf eine Minderbegabung oder Drogenmissbrauch. Johann N. ist nicht vorbestraft, vielmehr habe er sich an die gesellschaftlichen Normen und Regeln gehalten. Pleines sprach von einer "recht spannungsarmen, flexiblen Persönlichkeit, die sich mehrfach gut angepasst hat".

Allenfalls eine gewisse Selbstbezogenheit mit leicht narzisstischen Zügen attestierte der Gutachter dem Angeklagten. Er neige dazu, seinen eigenen Bedürfnissen einen hohen Stellenwert einzuräumen - auch zu Lasten von anderen - und habe eine gewisse Passivität gezeigt, wenn es etwa um Familienunternehmungen, Hilfe im Haushalt oder die Suche nach einer Arbeitsstelle gegangen sei. Mit seiner eher ruhigen, besonnenen Art, die von mehreren Zeugen im Prozess beschrieben wurde, sei er ein "Gegenpart" zu Julia B. gewesen, die eher als temperamentvoll, impulsiv und direkt charakterisiert wurde. Als die Beziehung an Verbindlichkeit verlor, habe er zwar seelische Belastungen gezeigt, die sich aber in einem normalen Rahmen bewegt hätten.

Auch eine kurzfristige tief greifende psychische Entwicklung, die zu verminderter Willenskontrolle und einer Tat im Affekt hätte führen können, sah Pleines bei Johann N. nicht. Dazu passe sein Verhalten nach der Tat nicht. Üblicherweise würde man mit schwerer Erschütterung beim Täter rechnen und dem Versuch, alles wieder gut zu machen. Johann N. aber hatte nach der Tat behauptet, Julia B. aus der Wohnung geworfen und ihr den Schlüssel abgenommen zu haben.

Pleines Fazit war daher eindeutig: "Es liegt keine psychische Beeinträchtigung vor, die zu Schuldunfähigkeit führen könnte." (ste)