Hintergrund - Mörlein Brief

07.12.2017 UPDATE: 07.12.2017 16:31 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden

Der Brief im Wortlaut:

"Mir ist der Bericht über die Bilanz der 100 Tage der Bürgermeisterin von Eppelheim zugespielt worden. Eigentlich habe ich die Mission Eppelheim abgehakt, aber die vielen Ungereimtheiten und Lügen in dem Bericht veranlassen mich, ein paar Zeilen hierzu zu schreiben.

Nach 100 Tagen nichts als heiße Luft.

Die Gemeindeordnung vom Baden-Württemberg klärt klar auf, wie sich eine Kommune zu verhalten hat, wenn eine Klage gegen eine Wahl ansteht. Es zeugt von rechtlicher Unwissenheit, wenn man die entsprechenden Paragraphen ignoriert. Den Bürgern gestehe ich diese Wissenslücke noch zu, nicht aber deren "Meisterin". Ich habe, wie viele andere Bürger auch, noch kein herausstechendes Projekt in den 100 Tagen in Eppelheim entdeckt.

Wenn ich mein Büro räume, sind alle persönlichen Notizen, die sich in einem Schreibtisch befinden, mein Eigentum. Die für die Arbeit der Nachfolgerin notwendigen Vorgänge sind in den entsprechenden Akten in den zuständigen Ämtern zu finden.

Wenn die Bürgermeisterin die Aussage "…dass nichts geregelt, geordnet oder ordnungsgemäß abgearbeitet wurde" getätigt hat, zeigt mir, dass sie noch keine Ahnung von einer Führungsrolle in einer Verwaltung hat. Es gibt in keinem Betrieb eine Stunde Null. Projekte, wie sie in den Kommunen stattfinden, sind keine Eintagsfliegen. Die Prozesse laufen oft über Jahre.

Eine glatte Lüge ist, dass mich meine Nachfolgerin nur vom Namen her kennt. Nach ihrer Wahl war sie mindestens zwei Mal für längere Besprechungen in meinem Büro. Ich habe mit ihr über alle Projekte, die laufen und geplant sind, gesprochen. Ich habe ihr auch angeboten, dass ich ihr jederzeit Auskunft gebe oder behilflich bin, wenn sie mich informiert. Allerdings halte ich mich an das Sprichwort: "Gehe nicht zu…"

Vor zehn Tagen war ich in der Seestraße in Höhe vom städtischen Bauhof unterwegs. Dort hat SIE mich angesprochen. Es ging dabei um meine Verabschiedung beim Abwasserzweckverband. Im Laufe von diesem Gespräch hat sie, zu meiner Überraschung, meine für die Stadt Eppelheim geleistete Arbeit gewürdigt und mich "als ein Mann mit großen Verdiensten für die Stadt" geadelt.

Die Aussage, dass die Stadt pleite ist, ist ebenfalls aus der Luft gegriffen, ebenfalls der Vorwurf, die "Weisungen vom Landratsamt" seien ignoriert worden. Der Kämmerer hat sehr oft darauf hingewiesen, dass die Stadt in finanzielle Schwierigkeiten kommt, wenn nicht – durch den Gemeinderat zu beschließen – infrastrukturelle Veränderungen vorgenommen werden.

Die finanziellen Verpflichtungen, welche die Stadt jetzt hat, sind allerdings nicht aus Jux und Tollerei entstanden. Eppelheim musste vom Bund und Land auferlegte Pflichtaufgaben erfüllen. Der Bau von bisher vier Kindergärten, die Sanierung der restlichen kostete die Kommune über 20 Millionen Euro, die notwendige Sanierung der Schulen dieselbe Summe. Hier hat das Modell PPP bestens gegriffen, denn heute würde keine Schule mehr so umfangreich saniert werden. Was das für den Schulstandort für Folgen hätte, brauche ich nicht zu erwähnen Für die Unterbringung der Flüchtlinge sind gut 4 Millionen Euro zu bewältigen. Was in absehbarer Zeit noch auf die Stadt zukommt, sind die Ausgaben für den ÖPNV, zwar keine Pflichtaufgabe, aber so von der Mehrheit im Gemeinderat gewollt.

Diese Ausgaben jetzt als Alibi für Steuererhöhungen heran zu ziehen und die Schuld dem Amtsvorgänger in die Schuhe zu schieben, ist mehr als jämmerlich. Steuererhöhungen sind anscheinend das einzige Mittel, das den Verantwortlichen einfällt. Ich habe immer bewusst die zusätzliche Belastung der Bürger und der Gewerbetreibenden vermieden, weil viele Einwohner schon von anderen Stellen hohe finanzielle Belastungen tragen müssen und ich ahnen kann, was eine Gewerbesteuererhöhung für Folgen für die Stadt haben könnte.

Wie viele Vorschläge ich in den Gemeinderat eingebracht habe, um die für Eppelheim zu große Infrastruktur abzubauen und mit den Nachbarkommunen zu kooperieren, um Kosten zu sparen, kann ich schon nicht mehr zählen. Wenn die Bürgermeisterin jetzt im Angesicht der finanziellen Verpflichtungen nicht den Schalter umlegt und "überflüssige Einrichtungen und Gewohnheiten" streicht, wird es keine Besserung geben.

Eine Belegung aller Hallen durch die Schulen und die Vereine existiert und ist auch schon einmal in einer Gemeinderatssitzung oder im Technischen Ausschuss vorgestellt worden. Ich erinnere mich noch genau daran, weil wir bei der Entscheidung, die Rhein-Neckar-Halle nicht sanieren zu lassen, sondern abzubrechen und dafür die Capri-Sonnen-Arena zu bauen, Belegungspläne erarbeitet haben. Auch ohne die Rhein-Neckar-Halle reicht der Platz für sportliche Betätigungen der Schulen und der Vereine aus.

Was vielleicht den meisten Bürgern noch nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass die Amtsinhaberin "Wasser predigt und Wein trinkt". Wenn behauptet wird, sie muss aus privater Tasche den Kaffeenachmittag für den ECC bezahlen oder für den Wasserturmplatz einen Tannenbaum stiftet, weil die Stadt pleite ist, dann sollte sie so ehrlich sein und der Bevölkerung auch sagen, dass ihr Dienstzimmer grundlegend renoviert, mindestens mit neuen roten Besucherstühlen und einem Chefsessel ausgestattet wurde.

Wenn die Amtsinhaberin andere Wege zur Bebauung der Stadtmitte gehen will, wünsche ich ihr dazu viel Glück. Ob allerdings ein Ergebnis dabei herauskommt, das von einem Investor getragen wird, bezweifele ich.

Die Aussage, dass oft ein 16 Stundentag ansteht, ist bei diesem Job normal. Dafür erhält auch der Stelleninhaber ein ordentliches Gehalt.

Die Bürger sollen sich nicht blenden lassen von einer 100-Tage-Bilanz, aussagekräftiger ist ein 100-Wochen-Resultat und eine 96-Monatsabrechnung.

Beste Grüße,
Dieter Mörlein"