Hintergrund - Gysi

Gysi glänzte mit Anekdoten - Plädoyer für Rot-Rot-Grün

11.01.2018 UPDATE: 11.01.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden

Gysi glänzte mit Anekdoten - Plädoyer für Rot-Rot-Grün

Seinen "doctor iuris" an der Humboldt-Universität Berlin erwarb sich Gregor Gysi mit einer 230-Seiten-Dissertation "Zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtverwirklichungsprozess". Dass der am Dienstag 70 Jahre alt werdende Ex-Wirtschaftssenator in Berlin, langjährige Vorsitzende der Linkenfraktion im Bundestag und aktuelle Präsident der Europäischen Linken in Brüssel aber auch als "doctor humoris causa" punkten kann, bewies nicht nur seine 2017 erhaltene Auszeichnung mit dem Aachener "Orden wider den tierischen Ernst". Auch als Gastredner beim Neujahrsempfang der Volksbank Weinheim und im Gespräch mit der RNZ stellte der Anwalt, Autor und Moderator Schlagfertigkeit, Ironie, Humor und Witz unter Beweis. Einige der Antworten, die er vorab auf Fragen der lokalen Presse gegeben hatte, griff er im Vortrag scheinbar spontan wieder auf.

Dass er in seiner ersten Berufsausbildung Rinderzüchter gelernt hatte, kommentierte er so: "Margot Honecker fand, dass Schüler, die nur die erweiterte Oberschule besuchten, um das Abitur zu machen, nicht genügend mit der Arbeiterklasse verbunden sind. Sie entschied, dass wir einen Beruf zu erlernen hätten. Weil alle anderen Plätze vergeben waren, blieb für mich als Berliner Junge, der Zootiere und Katzen kannte, die Ausbildung zum Rinderzüchter." Abgesehen von einem Ernteeinsatz habe er den Beruf allerdings nie ausgeübt. Für die politische Karriere schuf die Lehre jedoch ausgezeichnete Voraussetzungen, so Gysi: "Ich kann ausmisten. Ich kann melken, das heißt Steuern eintreiben. Und ich kann mit Hornochsen umgehen." Während seines Jura-Studiums habe sein Vater Klaus einmal zu ihm gesagt: "Ein Glück, dass du Rinderzüchter geworden bist. Wenn du je irgendwo Asyl beantragen musst, kannst du deine Kenntnisse im DDR-Recht vergessen. Aber als Cowboy bist du überall gefragt."

Ernster fielen Gysis Antworten auf die Frage der RNZ aus, ob Langzeit-Kanzlerschaften eingegrenzt werden sollten. Maximal zwei fünfjährige Legislaturperioden für den Regierungschef forderte Gysi. Dazwischen sollten - jeweils zur Halbzeit - die Wahlen zu den Länderparlamenten liegen. "Aber in allen 16 Ländern gleichzeitig."

Das Besondere an Angela Merkel? Sie sei uneitel, bescheiden und hänge nicht an materiellem Wohlstand. Vor allem aber könne sie "sympathisch zufällig lächeln", bricht bei Gysi erneut der Schalk durch. Weniger gut gefalle ihm, dass die "eiserne Kanzlerin" keine wirklichen Ideen und Ziele zur Verhandlung stelle, Deutschland und die EU nur verwalte.

Eine erneute Große Koalition bedeute Stillstand, warnte Gysi auch vor öffentlichem Desinteresse. "Wenn Sie auf der Straße nach den Unterschieden zwischen CDU und SPD fragen und darauf mehr als drei Antworten erhalten: Glückwunsch!"

Und was wäre an einer Minderheitsregierung schlimm? "Überhaupt nichts. Ein Parlamentsleben mit wechselnden Mehrheiten würde eine andere Bedeutung entwickeln." Selbst Neuwahlen würden nicht schaden. Nachdem CDU/CSU, FDP und Grüne "Jamaika" in den Sand gesetzt hätten, sollten die Wähler einer "Mitte Links"-Regierung eine Chance einräumen. Und wer benötigt nun mehr Humor? Die Politik mit den Wählern oder die Bürger mit den Politikern? Klare Kante Gysi: "Die Bürger mit den Politikern." Von Günther Grosch