Fraktionen sehen Gefahr einer Parallelgesellschaft

18.05.2018 UPDATE: 19.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Im Dezember 2014 überraschten der Ditib-Verein Heilbronn und ihr Vorstand Erdinc Altuntas die Öffentlichkeit mit dem Plan für den Bau einer Moschee an der Weinsberger-Straße, wo Ditib bereits ansässig ist. Das Areal ist derzeit in einem unschönen Zustand, deshalb sollte bis zur Bundesgartenschau 2019 an diesem zentrumsnahen Ort eine von dem Vorarlberger Stararchitekten Bernardo Bader geplante neue Moschee errichtet werden.

Sie hätte nach architektonischen Gesichtspunkten ein Schmuckstück werden können. Der Entwurf wurde sowohl von der Stadt als auch von der zurate gezogenen Kirchen begrüßt. Jetzt aber droht dem Moscheebau zumindest das vorläufige Aus.

Der nach nunmehr vier Jahren vorliegende Bauantrag hat nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Entwurf gemein - die Fraktionen von CDU, Freien Wählern und FDP, die im Heilbronner Gemeinderat die Mehrheit haben, haben in einem "proaktiven" Brief an OB Harry Mergel ihr Veto zu diesem Bau angekündigt.

Hintergrund

Moschee-Bau als Wahlkampfthema?

Wird der Bau der Moschee in Heilbronn angesichts der im nächsten Jahr stattfindenden Gemeinderatswahl zum Wahlkampfthema? Das befürchtet die Heilbronner SPD-Fraktion.

In einer Stellungnahme zum Vorstoß von

[+] Lesen Sie mehr

Moschee-Bau als Wahlkampfthema?

Wird der Bau der Moschee in Heilbronn angesichts der im nächsten Jahr stattfindenden Gemeinderatswahl zum Wahlkampfthema? Das befürchtet die Heilbronner SPD-Fraktion.

In einer Stellungnahme zum Vorstoß von CDU, FDP und FWV wird die "180-Gradwende in einer so sensiblen Angelegenheit ohne vorherige Abstimmung mit der Verwaltung und allen demokratischen Fraktionen" nicht nur als "schlechter Stil", sondern auch als "völlig unangemessen" bezeichnet. Unter Verweis auf die Erfolge der Heilbronner Integrationspolitik heißt es: "Der nun eingeschlagene Kurs bewirkt einen herben Vertrauensverlust gegenüber den vielen Heilbronnern mit Zuwanderungsgeschichte und Angehörigen anderer Religionen."

Fraktionsführer Rainer Hinderer fordert die drei Fraktionen auf, zu einer Linie der Vernunft und der Besonnenheit zurückzukehren. Wer das Grundrecht der Religionsfreiheit infrage stelle oder populistisch missbrauche, handele grob fahrlässig und gieße Wasser auf die Mühlen der AfD.

Die SPD-Fraktion stehe zur bisherigen Weichenstellung, es gehe dabei auch darum, den bisherigen Zustand einer suboptimalen Infrastruktur durch eine attraktive Bebauung städtebaulich aufzuwerten. Man will Oberbürgermeister Mergel bitten, Gespräche mit allen Beteiligten und dem Gemeinderat zu führen, um den Neubau des Gemeindezentrums zu ermöglichen. (bfk)

[-] Weniger anzeigen

In dem von den Fraktionsvorsitzenden Thomas Randecker (CDU), Herbert Burkhardt (Freie Wähler) und MdL Nico Weinmann (FDP) unterzeichneten Schreiben, das sowohl den OB als Empfänger sowie Altuntas als Betroffenen überrascht hat, heißt es unter anderem: "Die Fraktionen haben über dieses Bauvorhaben getrennt beraten, kommen aber gemeinsam zu folgendem Ergebnis: Das Bauvorhaben wird von der Ditib-Organisation vorangetrieben unter der Überschrift ,eines Moschee-Neubaus‘. Tatsächlich entwickelt sich das Bauvorhaben mehr und mehr zu einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum sowie zu einem türkischen Kulturzentrum mit angeschlossener Moschee."

Auch interessant
Heilbronn: Kritik an "rechtem Gedankengut" im Rat
: Gerät der Bau der Heilbronner Moschee ins Stocken?
: Heilbronner Moschee-Siegerentwurf überzeugt mit subtiler Ästhetik

Geplant seien Nutzungen von Handel, über Dienstleistung, Gastronomie, Bibliothek, Kulturzentrum, Veranstaltungsräumen und Moschee. Daher stelle sich die Frage, ob aus städtebaulicher Sicht ein derartiger Gebäudekomplex richtig angesiedelt sei oder nicht eher städtebauliche Ziele verfehlt würden.

Tatsächlich hat sich das Architekturbüro Bader schon vor längerer Zeit aus dem Projekt zurückgezogen. Die Gründe dafür waren, das ergab eine Rückfrage, nicht erfreulich. Ein Heilbronner Architekt, der bei einem Moscheebau im Landkreis schlechte Erfahrungen gemacht hat und "nie wieder" ein solches Projekt annehmen würde, sagte seinerzeit, dass der inzwischen so umstrittene Dachverband von Ditib in Köln, massiv eingreife.

Anstelle von Bader hat ein Heilbronner Architekturbüro die (Neu)-Planung übernommen. Erdinc Altuntas (er ist auch Landesvorsitzender von Ditib und hat sich 2017 von Erdogans Nazivergleich gegenüber der Bundeskanzlerin distanziert), pflegt aber eine sehr eigene Informationspolitik: Er lässt sich nur gegenüber ihm genehmen Journalisten ein.

Bei der Pressekonferenz 2014 zur Vorstellung der Moschee-Pläne sagte er auf die Frage, ob der türkische Staat den Heilbronner Moscheebau mitfinanziere "nein", dies solle nur über Spenden geschehen. Dazu, wo diese Spenden herkommen werden, gibt es keine verlässlichen Angaben.

Thomas Strobl, Innenminister und davor Heilbronner Stadtrat, hatte sich ebenfalls schon vor einem Jahr auf Nachfrage sehr distanziert gegenüber dem Wirken und den Plänen von Ditib in Heilbronn gezeigt. Mitglieder der genannten Fraktionen werfen dem Heilbronner Ditib-Verein Einflussnahmen pro Erdogan bis hin zum Ausspionieren von dessen Gegnern vor und sehen die Baumaßnahme in der jetzigen Form der Integration nicht förderlich, sondern hinderlich.

Hintergrund

Unter den nach neuesten Angaben 51 Prozent der Heilbronner, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, stellen die Menschen mit türkischem Hintergrund die eindeutige Mehrheit. Die Zahl der Muslime in der Stadt Heilbronn wird auf über 10.000 Personen geschätzt,

[+] Lesen Sie mehr

Unter den nach neuesten Angaben 51 Prozent der Heilbronner, die eine Zuwanderungsgeschichte haben, stellen die Menschen mit türkischem Hintergrund die eindeutige Mehrheit. Die Zahl der Muslime in der Stadt Heilbronn wird auf über 10.000 Personen geschätzt, der Großteil ist türkischer Abstammung. Es gibt mehrere Moscheen in Heilbronn und im Landkreis. Von der Moschee im Industriegebiet und vor allem von der Bilal-Moschee (sie werden vom Verfassungsschutz überwacht) heißt es, dass hier Hassprediger tätig sind und salafistische Positionen vertreten werden. (bfk)

[-] Weniger anzeigen

Die Stadträte der drei Fraktionen befürchten, dass durch den Moscheebau in der geplanten Form eine Parallelgesellschaft entsteht: "Diese Stadt in der Stadt, welche von der Ditib gebaut und betrieben werden soll, wird dadurch wiederum zu einem geschlossenen System ausgebaut werden, denn zu einem Bestandteil der Stadt. Auch hinsichtlich der Zielgruppe, die dort angesprochen wird, wird eine einseitige Ausrichtung erwartet."

Die angestrebte Ausrichtung des Moschee-Baus hat auch einen sehr handfesten Aspekt: Die wirtschaftliche Grundlage für den offenbar mindesten sieben Millionen Euro teuren Bau wäre ohne die geplante weitgehend kommerzielle Nutzung nicht mehr gegeben.

Einer der Unterzeichner des Briefes sagt, er habe nichts gegen eine Moschee und auch nichts gegen Minarette, aber nicht in dieser Form, und weist darauf hin, dass man sich beispielsweise nicht an die Regeln des Sonntagsverkaufs halte, dies dürfe in einer Innenstadt aber nicht sein. Schnell reagiert hat Pro Heilbronn-Stadtrat Alfred Dagenbach, der daran erinnert, welchen Sturm der Entrüstung und Vorwürfe von Populismus er im Gemeinderat erntete, als er im Rahmen der Debatte zu einer Resolution gegen Antisemitismus sagte, "dass die von uns mehrfach angeregte Wiedererrichtung der zerstörten Heilbronner Synagoge vonseiten der Stadtverwaltung nur mit Ausflüchten bedacht wird, aber sie sich um den Bau einer Moschee der staatlichen türkischen Religionsbehörde Ditib ereifert."

Das lässt Rückschlüsse auf die zu erwartende Diskussion zu. Tatsächlich war OB Harry Mergel und mit ihm eine ganze Reihe von Gemeinderäten immer Befürworter des Moscheebaues als Teil der Integrationsbestrebungen, aber auch als Abbild der Realität. Ob es bei ihm und anderen bei der Unterstützung der Ditib-Pläne bleibt, ist offen. Er war aktuell wegen Abwesenheit nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.