Hintergrund Pflegestärkungsgesetz II

20.06.2017 UPDATE: 20.06.2017 06:00 Uhr 1 Minute, 41 Sekunden

Wohin führt das neue Pflegestärkungsgesetz?  

REFORMIERTES PFLEGESTÄRKUNGSGESETZ (PSG)

(hje) Die wesentlichen Neuregelungen betreffen den Begriff der Pflegebedürftigkeit und die Pflegesatzkalkulation. Damit verbunden ist ein neues Begutachtungsverfahren der Pflegebedürftigkeit. Dies könnte die ambulante und stationäre Pflegesituation grundlegend verändern. Betroffen sind die Pflegeheime, die ambulanten Sozialdienste als auch die Pflegebedürftigen selbst.

Die Pflegebedürftigkeit wird seit Januar in fünf Pflegegrade eingestuft; nicht mehr in die bisherigen Pflegestufen 1 bis 3. Anhand des neuen Begutachtungsassessments (NBA) erfolgt die Einstufung nach einem Punktesystem in einen der fünf Pflegegrade. Das Assessment umfasst sechs Module, die die Lebenssituation eines Antragstellers prüfen. Bewertet wird nach dem Grad der Selbstständigkeit mit der die einzelnen Lebensbereiche bewältigt werden: Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen. "Selbstständig" ist ein Antragsteller und damit nicht pflegebedürftig, laut Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK): wenn sich jemand innerhalb seiner Wohnung mit einem Rollator fortbewegen kann und dabei keine Unterstützung durch eine andere Person braucht. Neu beim Begutachtungssystem ist die Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen.

Pflegebedürftigkeit beginnt bei 12,5 Punkten auf der Bewertungsskala mit dem Pflegegrad 1. Die Zuwendungen bei stationärer Pflege wurden für die unteren Pflegegrade 1 und 2 gekürzt. Die Absicht des Gesetzgebers: ambulante Pflege vor stationärer. Das neue Pflegstärkungsgesetz II (PSG II) fördert die ambulante Pflege. Dies könnte dazu führen, dass Pflegebedürftige erst ab einem höheren Pflegegrad in eine Einrichtung gehen. Eine weitere, noch nicht absehbare Thematik ist die Vergabe der neuen Pflegegrade bei der Einstufung durch den MDK. Die Frage ist zum Beispiel: erhält ein Pflegebedürftiger, der nach dem alten Modell die Pflegestufe 3 hatte, nach den neuen Begutachtungsrichtlinien den Pflegegrad 3 oder 4. Dies hätte direkte Folgen für die wirtschaftliche Situation der Heime. Deren Personalbedarf ermittelt sich anhand des Personalschlüssels und der Pflegegrade.

Die Pflegesätze erfahren ebenfalls eine gesetzliche Neuregelung. Der Eigenanteil der stationären Heimkosten stieg bisher mit jeder höheren Pflegestufe. Mit dem PSG II bleibt der Eigenanteil über alle Pflegegrade unverändert. Jede Einrichtung kann den Eigenanteil jedoch selbst festlegen. Allerdings enthalte das neue Pflegestärkungsgesetz auch einige Gesetzeslücken, so der Bundesverband privater sozialer Dienste (bpa). Für Heimbewohner, die nicht in die Pflegegrade 2 bis 5 eingestuft seien und keine Leistung von der Pflegekasse erhalten, fehle die Regelung zur Finanzierung der Heimkosten durch die Sozialhilfeträger. Laut bpa gelte ähnliches für Menschen mit Pflegegrad 1 in der ambulanten häuslichen Pflege.

Für die Pflegeeinrichtungen bleibt abzuwarten, wie sich die Reformen des PSG II auswirken. Erste Erfahrungswerte sollen bis Ende des Jahres vorliegen. Die Reaktionen regionaler Heime reicht von "wir wissen es noch nicht" bis "das PSG II ist eine Mogelpackung".