Am Abschlag: Der gehörlose Golfer Allen John bei den "Deaflympics" in der Türkei, wo er die Goldmedaille für Deutschland holte. Jetzt steht der 30-Jährige, der den Nachwuchs in St. Leon-Rot trainiert, in den Startlöchern für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. Foto: privat
Von Hans-Dieter Siegfried
Wiesloch/St. Leon-Rot. Wenn Allen John mal "offline" ist, bedeutet das für ihn "abschalten", sich in sein Inneres zurückziehen und mal nichts hören wollen. Das meint der 30-Jährige wortwörtlich: Der in Ludwigshafen geborene John trägt seit frühester Kindheit Hörgeräte, da sein Hörvermögen von Geburt an nur fünf Prozent beträgt. Dennoch bahnte er sich seinen oft schweren Weg und hat sich als Golfer international etabliert. Nun will Allen John im Jahr 2020 an den Olympischen Spielen in Tokio mit am Abschlag stehen, Deutschland vertreten und erfolgreich einlochen. Diesem großen Ziel will er alles unterordnen, wie er sagt. Kein leichtes Unterfangen, denn John wird an der regulären Olympiade teilnehmen, da es für Schwerhörige oder Gehörlose noch keine Startmöglichkeiten im Rahmen der Paralympischen Spiele für Sportler mit Behinderung gibt.
"Mit zehn Jahren haben mich meine Eltern erstmals mit auf den Golfplatz genommen", erzählt der Profigolfer, der seit zweieinhalb Jahren mit seiner Freundin Stefanie in Wiesloch wohnt, im Gespräch mit der RNZ. Aus dem anfänglichen Schnupperkurs wurde schnell mehr. Allen John entwickelte sich weiter, gepaart mit Begeisterung, Trainingsfleiß und Talent machte er seinen Weg - und dies trotz des angeborenen Handicaps, der Schwerhörigkeit. Gerade diese Behinderung war es aber letztlich wohl, die ihn selbstbewusster werden ließ.
"Damals waren die Untersuchungen bei Säuglingen noch nicht so fortgeschritten wie heute", erzählt Allen John. So wurde bei ihm erst relativ spät bemerkt, dass die Hörhärchen in beiden Ohrschnecken kaum ausgebildet waren. Kleinere Hänseleien wegen der "komischen Dinger" im Ohr, der Hörgeräte, steckte John später mühelos weg. "Ich bin dadurch gereift, konnte mich behaupten und habe die Fähigkeit, mich durchzusetzen, ausgebaut", blickt er stolz auf seine persönliche Entwicklung zurück.
Sehr hilfreich sei die frühzeitige Konsultation eines Logopäden gewesen, dadurch hätten sein Sprachgefühl und die Aussprache entscheidend optimiert werden können. Einen eindrucksvollen Beweis hierfür lieferte Allen John übrigens mit seinem kurzweiligen Auftritt beim Neujahrsempfang der TSG Wiesloch vor einigen Wochen ab.
Nach dem Abitur zog es den Ludwigshafener für ein Collegejahr in die USA. "In Atlanta stand jedoch nicht das Pauken primär auf dem Stundenplan, vielmehr feilte ich an der Verbesserung meiner Technik beim Golfspiel", gibt er verschmitzt zu. Es folgten einige Jahre als Profi mit wechselnden Erfolgen, dann ein Rückschlag. Eine Verletzung am Schambein setzte den Golfer für zwei Jahre außer Gefecht. Kein Training, keine Wettkämpfe.
Doch statt zu verzweifeln, holte John seinen "Plan B" aus der Schublade, ließ sich in seinem Heimatclub in St. Leon-Rot zum Athletik- und Fitnesskaufmann ausbilden und unterrichtet derzeit die Kinder und Jugendlichen in dem Verein. "Ich musste mich umstellen, mit der neuen Situation klarkommen", blickt er auf diese schwierige Phase zurück, die er erfolgreich meisterte.
Im Vorjahr konnte Allen John einen seiner bisher größten Erfolge feiern. Als Mitglied des Deutschen Teams gewann er die Goldmedaille bei den "Deaflympics", einer Parallelolympiade für Schwerhörige und Gehörlose in der Türkei. "Da musste ich wegen der Chancengleichheit meine Hörgeräte ablegen", berichtete er. Ansonsten sind bei den nunmehr anstehenden Turnieren in Vorbereitung auf Tokio die Hörgeräte unverzichtbare Begleiter. Derzeit ist er neben seinem beruflichen Engagement "mindestens vier Stunden" auf dem Platz, um das Putten sowie die langen und kurzen Schläge zu verbessern - und dies bei jedem Wetter.
Allen John zeichnet nicht nur der professionelle Umgang mit seiner Behinderung aus. Der Mut und die Zuversicht, sich für Olympia zu qualifizieren, um sich vielleicht in zwei Jahren in der japanischen Hauptstadt mit den Besten der Welt zu messen, ist zwar eine sportliche Herausforderung - der Golfer traut sich das jedoch zu. Auch wenn er in der nächsten Zeit als Profi wieder viel auf Achse sein wird.
"Viel Arbeit bis dahin", meint Allen John mit einem zuversichtlichen Lachen. Bleibt ihm zu wünschen, dass er von Verletzungen verschont bleibt - und vielleicht als erfolgreicher Olympionike in etwas mehr als zwei Jahren nach Wiesloch zurückkehrt.