Von Agnieszka Dorn
Mühlhausen/Östringen. Gesund soll es sein, eine heilende Wirkung auf Gelenke, Wirbelsäule und Haut haben und genutzt wurde schon von den Römern als Heilmittel– aber trinken wollten es nicht einmal die Tiere. Die Rede ist vom Schwefelwasser, das als Heilwasser genutzt wird.
Wenn man daran riecht, kann man die Tiere durchaus verstehen, denn durch Schwefelwasserstoff – der in der Flüssigkeit gelöst ist – riecht das Wasser nach faulen Eiern. Teilweise ist der Geruch extrem unangenehm. Schwefelhaltiges Wasser soll durch die darin enthaltenen Mineralstoffe eine vorbeugende und lindernde Wirkung bei verschiedenen Krankheiten haben, etwa bei chronischen Leiden oder Bluthochdruck. Zudem soll es sich positiv auf Durchblutungsstörungen auswirken.
Wer schon einmal auf der Liparischen Insel Vulcano in Italien war, dem schlug garantiert schon bei der Anfahrt auf der Fähre der Geruch von faulen Eiern entgegen – die aktive Vulkaninsel ist bekannt für gesunden Schwefelschlamm und man kann in warmen Schlammquellen die heilsame Wirkung genießen. Allerdings nimmt man dafür in Kauf, dass der Körper noch einige Tage lang "duftet".
Wobei man gar nicht unbedingt nach Italien reisen muss, um in den Genuss des heilsamen Wassers zu kommen: Schwefelwasser und Schwefelquellen gibt es nämlich auch hier in der Region, etwa im Mühlhausener Ortsteil Rettigheim und im Nachbarort Östringen. In beiden Gemeinden schlummert an einigen Stellen ein wahrer Schatz unter der Erde: schwefelhaltiges Wasser.
"In einem Teil unseres Ortes gibt es nach wie vor Schwefelwasser unter der Erde", sagt Ewald Engelbert, Rettigheims Ortsvorsteher. Wer etwa entlang der Rettigheimer Tongrube unterwegs ist, kann das durchaus schon mal riechen. Dort gibt es Wasserhydranten, aus denen, wenn man sie aufdreht, nach Schwefel riechendes Wasser heraussprudelt. Engelbert vermutet, dass es in der Region Vulkane gegeben habe und der Schwefel das Zeugnis davon sei. Zudem könnte es auch hier Thermalwasser geben. Das käme zum Vorschein, wenn man in der Tongrube 600 Meter tief in die Erde bohren würde, ist sich der Ortsvorsteher sicher. "In Rettigheim gab es früher zehn bis 15 Schwefelwasserbrunnen", erzählt er. Getrunken wurde das Wasser aufgrund des beißenden Geruchs aber nicht. Die Menschen gingen zu anderen Ortsbrunnen, um "normales" Wasser für den häuslichen Gebrauch, etwa zum Kochen oder Wäschewaschen, zu holen.
"In Rettigheim wurden Wasserleitungen erst 1953 gelegt", berichtet Engelbert, so lange schöpften die Rettigheimer aus Ortsbrunnen. Noch heute gibt es Häuser im Ort, die einen solchen Schwefelbrunnen im Keller haben. Eine der Bewohnerinnen und Bewohner ist Luzia Kretz, der Brunnen befindet sich in den "Katakomben" ihres Hauses. Das Wasser stammt aus der Erde. "Trinken wollte dieses Wasser aber nicht einmal das Vieh", erinnert sich die 92-Jährige.
Etwa zwei Meter tief ist der Brunnen in ihrem Keller, aus dem man Schwefelwasser schöpfen kann. Eine Leitung befördert das Wasser zum Garten-Waschbecken; mit dem Wasser wurden und werden nach wie vor die Blumen gegossen. Einen besseren Beweis dafür, dass das Schwefelwasser gesund sein soll und die Lebensgeister weckt, als eben dieser Garten, gibt es eigentlich nicht – denn die Blumen von Luzia Kretz stehen in voller Pracht, Blüte und Farbe. Die 92-Jährige ist äußerst stolz auf ihren "Garten Eden".
Einen schwefelhaltigen Brunnen im öffentlichen Raum gibt es heute in Rettigheim nicht mehr. Die dortigen Wasserreservoirs führen teilweise noch nicht einmal Trinkwasser, sondern tragen lediglich zum schönen Ortsbild bei – und zur Erfrischung an heißen Tagen.
Nicht weit von Rettigheim entfernt, kurz vor dem Nachbarort Östringen, befindet sich allerdings mitten im Wald am Krumbach eine frei zugängliche Schwefelquelle. Das Wasser kann man auch durchaus trinken – allerdings riecht es, wen wundert es, nach faulen Eiern.
Seit jeher sind im Östringer Krummbachwald Quellen bekannt, die einen stark unangenehmen Geruch haben. "Der Kurbrunnen wurde 1960 gebaut und fördert etwa 60.000 Liter Schwefelwasser pro Tag", erzählt Ewald Engelbert. Der Schwefelwasserstoff entsteht durch bakterielle Lösung aus dem unter der Erde liegenden Tongestein.
Östringen spielte einst mit dem Gedanken, das Wasser zu nutzen und ein Schwefelbad zu errichten, das Vorhaben scheiterte aber an den Kosten.