Marionetten-Theater Wiesloch

Puppenspieler diskutierte zum Abschied mit dem kleinen Prinzen

Peter Schneider gab seine letzte Vorstellung - Künftig sitzt er im Publikum in der letzten Reihe

24.04.2018 UPDATE: 25.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Peter Schneider (im Bild mit Sandra Gayer) hat seine Karriere als aktiver Puppenspieler beendet. Foto: Pfeifer

Wiesloch. (jbü) Nach über 40 Jahren und etwa 300 handgeschnitzten Marionetten empfing Peter Schneider jetzt ein letztes Mal den rauschenden Applaus als aktiver Puppenspieler im Marionetten-Theater Wiesloch. Für die Zukunft hat er sich schon ein gemütliches Plätzchen im Publikumsraum auserkoren. Die Sitzbank in der letzten Reihe soll von nun an sein Stammplatz sein. Denn auch wenn Schneider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf der Bühne die Fäden ziehen kann, so will er seinem Theater treu bleiben.

Als Abschiedsstück hatte sich Schneider "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry ausgesucht, das mit dem naiv-kindlichen Nachfragen des Protagonisten der verkopften Welt der Erwachsenen den Spiegel vorhält. Ein zusätzlicher Anlass für die Erzählung ist deren 75-jähriges Jubiläum. Für die Inszenierung mit Marionetten hatte Schneider vor 36 Jahren sowohl den Text geschrieben als auch die Figuren geschnitzt. Nun saß er als Erzähler durch die Geschichte führend und mit dem kleinen Prinzen diskutierend neben der Bühne. Der kleine Prinz wurde von der Leiterin des Theaters, Sandra Gayer, gespielt, für die es die erste Hauptrolle auf der Wieslocher Bühne war. Birgit Pfeiffer und die Ehefrau des scheidenden Regisseurs, Christina Reckers-Schneider, übernahmen alle weiteren Rollen.

Dabei bewiesen die Spielerinnen, dass auch wenn sie nicht selbst im Rampenlicht stehen, sie den Puppen mit viel Einfühlsamkeit und buchstäblichen Fingerspitzengefühl ein Eigenleben einhauchen können. Als Zuschauer vergaß man gar die Spielerinnen, die zwar auf der Bühne standen, jedoch durch ihre schwarze Kleidung fast unsichtbar zu sein schienen. Paul Winterstein sorgte für Ton und Beleuchtung, denn die Stimmen der Figuren kamen zum Teil vom Band. Dabei war es Peter Schneider stets wichtig, dass die Sprecher mit Bedacht ausgewählt werden: "Das muss schon zu den Figuren passen." Die externen Sprecher haben die Marionetten vor sich stehen, während sie den Text aufnehmen, denn sie müssten sich ein Bild von der Figur machen können.

Die vom Publikum mit begeistertem Applaus belohnte Aufführung als Schneiders letzte zu bezeichnen, ist nicht ganz korrekt. Am 8. Juli wird er ein allerletztes Mal mit seinem indonesischen Schattenspiel Wayang Kulit auftreten. Fasziniert von dieser Kunstform, der er auf einer Forschungsreise nach Java zum ersten Mal begegnete, importierte er sie vor etwa 30 Jahren nach Deutschland. Seitdem ist sie bundesweit einzigartig geblieben. "Es ist faszinierend, was man mit nur zwei Dimensionen darstellen kann", schwärmt Schneider noch heute.

Anfangs habe er versucht, das Schattentheater mit seinen zweidimensionalen Figuren authentisch javanisch zu gestalten. Doch schnell habe er gemerkt, dass man es an das deutsche Publikum anpassen musste. "Es muss etwas Eigenständiges sein." Trotz der Adaptionen ist er dennoch der Ansicht: "Die Probleme sind überall auf der Welt die gleichen: Eifersucht, Liebe und so weiter." Ein gewisses Maß an Exotik erwarten die Besucher seiner Schattenspiele durchaus. Die richtige Mischung scheint der Schlüssel zu sein.

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Auf eine Sache blickt Peter Schneider jedoch mit Sorge: Bislang hat sich kein Nachfolger für sein Schattenspiel gefunden, dabei würde er sein Wissen um diese Kunstform und die Puppen lieber weitergeben, als dass sie starr in einem Museum verstummen. Beim Marionetten-Theater sieht es hingegen besser aus, denn die derzeit aktiven Spieler denken noch lange nicht ans Aufhören. Unklar ist nur, wer in Zukunft die Rolle des Regisseurs übernehmen soll. Doch Peter Schneider hat vollstes Vertrauen in seine Fädenzieher: "Als Regisseur muss ich nur sagen, spielt das energischer oder wütender, und sie verstehen sofort, was ich meine."

Am 23. Juni lässt man wieder frei nach Heinrich von Kleists Komödie "Der zerbrochene Krug" die Puppen tanzen. Dann jedoch mit Peter Schneider auf seinem neuen Stammplatz.

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