Tempo 30 könnte Verkehr deutlich mindern
Wiesloch. Verkehrsbüro stellt Studie im Wieslocher Gemeinderat vor. Das Hauptproblem: Der Verkehr wird innerorts nur verlagert
Damit wären in Altwiesloch zwar keine "paradiesischen Zustände" erreicht, wie Stefan Wammetsberger vom Büro Koehler und Leutwein darlegte. Die Belastung bliebe mit rund 20.000 Fahrzeuge täglich immer noch sehr hoch. Aber Tempo 30 auf den Durchgangstraßen würde dennoch dazu führen, dass erheblich weniger Verkehr von außen nach Wiesloch hineinflösse: Von Nußloch etwa kämen 15 bis 20 Prozent weniger Fahrzeuge. Dabei handelt es sich den Gutachtern zufolge vor allem um Durchgangsverkehr, der sich eine andere Route wählen würde - etwa über die B 3; oder von Dielheim her auf die Kreisstraße in Richtung Rauenberg. Dielheim selbst wäre laut Gutachter "nicht sonderlich tangiert" von Tempo 30 in Wiesloch. Der Gesamtverkehr dort bliebe gleich.
Eine Kehrseite hätte die Medaille aber schon. Sie betrifft nicht den Durchgangs-, sondern den Ziel- und Quellverkehr, der in Wiesloch entsteht und nach Wiesloch will. Da es auf den Durchgangsstraßen bei Tempo 30 nicht mehr schneller ginge, würde dieser Verkehr sich dann den kürzesten Weg durch die Weinstadt suchen. Mit der Folge, dass sich Verkehr auf nachgeordnete Straßen verlagert. Beispiel Heidelberger Straße: Gälte dort über die gesamte Strecke Tempo 30, nähme der Verkehr in der Schlossstraße um 40 Prozent zu (1700 Fahrzeuge mehr). Dieser Effekt ließe sich vermindern, wenn beispielsweise Tempo 30 in der Heidelberger Straße erst ab der Einmündung Schiller- und Gerbersruhstraße gälte. Dann wären es in der Schlossstraße nur noch 700 Fahrzeuge mehr (plus 15 bis 17 Prozent). Auch die Messplatzstraße schon ab dem Rebenweg mit Tempo 30 auszuweisen, ergibt den Gutachtern zufolge wenig Sinn, weil das nur zu einer Verlagerung in die Hauptstraße führen würde.
Bei solch gezielten Ausnahmen von flächendeckendem Tempo 30 bliebe die Verkehrsabnahme beim überregionalen Verkehr nach Einschätzung der Gutachter nahezu gleich, während sich die Verlagerungseffekte beim hausgemachten Verkehr verringern ließen. So, dass es zwar in den Nebenstraßen überall "ein bisschen mehr Verkehr" geben werde, die Anwohner im "Endeffekt aber wenig davon merken" würden. Insgesamt versprachen sich die Gutachter von Tempo 30, eventuell ergänzt durch andere "weichen Maßnahmen" wie eine weitere Verdichtung des Busverkehrs sowie Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger, eine deutliche Abnahme und auch "Harmonisierung" des Gesamtverkehrs. Wie sich das auf die Lärmbelastung auswirkt, soll in einem nächsten Schritt untersucht werden.
Die Reaktionen im Gemeinderat waren durchaus gemischt. Während Dr. Gerhard Veits für die Grünen von einem "hervorragenden Ergebnis" sprach ("das erste Mal sind weiche Maßnahmen mit harten Zahlen unterlegt") und die SPD sich ebenfalls darin bestärkt sah, dass es "auch mit weichen Maßnahmen geht" (Klaus Rothenhöfer), äußerten sich andere Fraktionen skeptischer. Dies betraf sowohl die Verlässlichkeit der Prognosen (Dr. Fritz Zeier, Freie Wähler) als auch die drohenden Verlagerungseffekte mit entsprechenden Protesten betroffener Anwohner (Dr. Holger Bergdolt, Freie Wähler, Dr. Jörg Richter, FDP). Auch mögliche Auswirkungen auf den Einzelhandel wurden thematisiert (Kurt Wagner, CDU). Adrian Seidler (CDU) schließlich erinnerte daran, dass selbst bei einem vollen Erfolg der "weichen Maßnahmen" Altwiesloch "immer noch mehr Verkehr hätte als Mühlhausen", wo eine Umgehungsstraße gebaut wurde.
Zudem ist noch nicht geklärt, ob ein nahezu flächendeckendes Tempo 30 überhaupt umsetzbar wäre. Ein "Pilotprojekt" wäre dies nach Einschätzung der Verkehrsgutachter allemal. Da aber auch Landesstraßen betroffen wären, wäre die Stadt Wiesloch "nicht überall Herr im Haus" (Dr. Veits, Grüne). Man braucht also "Rückendeckung" aus Karlsruhe und Stuttgart. Deshalb soll das Thema auch beim für Anfang März geplanten Verkehrsgipfel von Behörden, Kommunal- und Landespolitikern in Walldorf erörtert werden, wie Oberbürgermeister Franz Schaidhammer mitteilte.
Und auch die Bürger sollen ein Wörtchen mitreden. Nicht nur im Rahmen einer Bürgerversammlung, die der OB für die erste Jahreshälfte ankündigte, sondern auch in Form einer Bürgerbefragung, die die CDU schon letztes Jahr vorgeschlagen hat. Dass die Bürgerbefragung parallel zur Bundestagswahl stattfindet, ist aber eher unwahrscheinlich: Rechtlich zwar grundsätzlich möglich, aber kaum praktikabel, lautete die Auskunft der Hauptamtsleiterin Andrea Gärtner. Beide Urnengänge müssten nämlich räumlich und organisatorisch strikt getrennt werden: mit eigenen Wahllokalen und eigenen Wahlhelfern.
Nun beginnt erst einmal die formale Bürger- und Behördenbeteiligung, die etwa sechs Wochen dauern wird. Dazu sollen die Unterlagen auch auf die Homepage der Stadt Wiesloch gestellt werden, so Harald Schneider vom städtischen Bauamt. Die für eine Umsetzung der Pläne maßgeblichen Behörden sollen zudem an einen Tisch geholt werden. Ein auf dieser Grundlage erarbeiteter Entwurf wird dann erneut dem Gemeinderat präsentiert.