Rauenberger Ausstellung zur Geschichte der Firma Landfried

Als der Tabakhandel blühte - Ausstellung des Winzermuseums im Schloss ab Sonntag

14.10.2016 UPDATE: 15.10.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Eröffneten die Ausstellung des Rauenberger Winzermuseums zur Geschichte der Firma Landfried, von links: Rauenbergs Bürgermeister Peter Seithel, der Landtagsabgeordnete Karl Klein, Dielheims Bürgermeister Hans-Dieter Weis, Kornelia Rößler, Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, Museumsleiter Wolfgang Rößler und Ingrid Schinz, die Eigentümerin der Firma Landfried. Fotos: Pfeifer

Rauenberg. (oé) Lange bevor der Weinbau zur beherrschenden Sonderkultur der hiesigen Region wurde, war es schon der Tabak. In Spitzenzeiten wurden in Baden und der Pfalz zwei Drittel der deutschen Tabakproduktion erzeugt (die aber nur ein bis zwei Prozent des Verbrauchs in Deutschland abdeckte). Ein Pionier der heimischen Tabakindustrie war die Firma Landfried, die bereits 1846 das vormals fürstbischöflich-speyrische Schloss in Rauenberg für 7200 Gulden erwarb und dort Zigarren, Zigarillos und Rauchtabak zu produzieren begann.

170 Jahre später findet genau an diesem Ort jetzt eine Sonderausstellung des Winzermuseums Rauenberg statt, die von Museumsleiter Wolfgang Rößler zusammengestellt wurde und interessante Einblicke in die Geschichte der Firma Landfried gewährt. Zugleich spiegelt sich darin auch ein Stück Kultur- und Sozialgeschichte unserer Region, wie die Redner jetzt bei der Eröffnung der Ausstellung deutlich machten.

Angeführt wurde die Rednerliste von der Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Friedlinde Gurr-Hirsch - von Museumsleiter Rößler ebenso herzlich begrüßt wie die anderen Gäste dieses Abends. Aber auch der Landtagsabgeordnete Karl Klein (dessen Familie früher selbst Tabak anbaute), Rauenbergs Bürgermeister Peter Seithel und nicht zuletzt die Eigentümerin der Firma Landfried, Ingrid Schinz, ergriffen das Wort und ließen die Geschichte des heimischen Tabakgewerbes anschaulich Revue passieren.

So erfuhr man etwas über die bescheidenen Anfänge der Firma Landfried im Jahr 1810 als Ladengeschäft für Landprodukte in der Heidelberger Hauptstraße (ein Porträt des Firmengründers Philipp Jakob Landfried ist in der Ausstellung zu sehen); man hörte von dem anfangs durchaus schwierigen Einstieg in die Tabakproduktion (die Kunst des Zigarrenmachens wollte erst erlernt sein), aber auch von ersten Exporterfolgen (schon 1851 rauchte man in Buenos Aires Pfälzer Zigarren). Die Gäste, darunter viele Rauenberger Honoratioren, erfuhren von den prekären Lebensverhältnissen zur Mitte des 19. Jahrhunderts und davon, wie bald immer mehr Menschen in der aufblühenden Tabakindustrie Lohn und Brot fanden. Allein die Firma Landfried betrieb neben ihrem Heidelberger Stammsitz schließlich fünf Fabriken in der Region.

Die Ausstellung zeigt Bilder und Fotografien aus diesen Fabriken, und anhand alter Karten sieht man, woher der Tabak der Firma Landfried kam. Deren ehemaliger Messestand ist ebenso zu sehen wie alte Werbetafeln und jede Menge kleiner Zigarrenkisten, die aus dem duftenden Holz der spanischen Zeder gefertigt und liebevoll gestaltet wurden. Firmen konnten sich sogar eigene Sonderserien bestellen, wie Zigarrenkisten mit dem Aufdruck des Winzerkellers zeigen - alles Ausdruck eines einst blühenden Gewerbes.

Ihren Höhepunkt erlebte die Tabakproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Damals bezog die Firma Landfried auch ihr heute noch bestehendes Firmenareal an der Bergheimer Straße in Heidelberg. Nach dem Zweiten Weltkrieg sank die Nachfrage nach den heimischen Tabakwaren aber rapide, Landfried stellte von Massenware auf Spezialprodukte um und fuhr die Produktion allmählich immer weiter zurück. In Rauenberg war 1970 endgültig Schluss, in Dielheim ging die Fertigung aber noch bis ins Jahr 2010 weiter.

Wenige Jahre zuvor, im Jahr 2006, war die EU-Ordnung für den Tabakanbau gefallen. Damit gab es keine Garantiepreise mehr und der heimische Tabak war auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Viele bäuerliche Familienbetriebe stiegen damals endgültig aus dem Tabakanbau aus, wie Friedlinde Gurr-Hirsch darlegte. Aber nicht alle: 25 bis 30 Betriebe sind in Baden heute noch aktiv und bauen auf circa 900 Hektar (zu Hochzeiten war die Fläche einmal doppelt so groß) speziellen Wasserpfeifentabak an. Die Nachfrage nach diesem Produkt steigt der Staatssekretärin zufolge sogar wieder. Dabei ging die "bekennende, aber nicht militante Nichtraucherin", wie sie sich selbst nannte, auch kurz auf die gesundheitlichen Aspekte des Rauchens ein. Ihre diplomatische Position: Beim Tabak sei es wie beim Wein - in Maßen sei beides ein Genuss und ein Kulturgut. Nur wenn man nicht damit umzugehen wisse, könne es zur Sucht werden.

Die Firma Landfried hat sich inzwischen endgültig aus dem Tabakgeschäft zurückgezogen und konzentriert sich der Unternehmenschefin Ingrid Schinz zufolge heute ganz auf die Entwicklung ihrer Immobilien. Als Nächstes steht in den kommenden beiden Jahren die Umwandlung der Dielheimer Fabrik in Wohnungen an (die Exponate der Ausstellung stammen zum größten Teil aus dem dortigen Inventar). Und für das Landfriedsche Schloss in Rauenberg gibt es ebenfalls schon Pläne, wie die Unternehmerin verriet.

Das Winzermuseum wird ihren Worten zufolge aber auch künftig erhalten bleiben. Seit 30 Jahren hat die einst von Gerhard Geißler gegründete Einrichtung nun schon ihr Domizil in dem historischen Bauwerk und ist in dieser Zeit zu einem "Anziehungspunkt von überregionaler Bedeutung" geworden (Bürgermeister Seithel), der "die ganze Region bereichert" (Karl Klein). Friedlinde Gurr-Hirsch würdigte das Heimatmuseum, das 1986 vom früheren Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser eröffnet wurde, als "wunderbaren Ort der Ehrenamtlichkeit". Der Dank galt Ingrid Schinz dafür, dass sie die Räume für das Museum zur Verfügung stellt; der Stadt, dass sie die Einrichtung unterstützt; und vor allem Wolfgang Rößler und seinem Team, dass sie das Museum weiterhin mit Leben erfüllen. So wie auch jetzt wieder mit dieser sehenswerten Ausstellung, deren Eröffnung der Rauenberger Musikverein stimmungsvoll umrahmte.

Info: Die Ausstellung ist am morgigen Sonntag, 14 bis 17 Uhr, erstmals geöffnet; ebenso an den folgenden Sonntagen. Für Gruppen ab zehn Personen gibt es auch Termine nach Vereinbarung.

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