Igor Braun betreibt eine Schäferei in einem Waibstadter Gewerbegebiet. Der Gemeinderat lehnt dies aus baurechtlichen Gründen ab und befürchtet durch die Tierhaltung Geräusch- und Geruchsbelästigungen für die umliegenden Betriebe. Die Baurechtsbehörde muss nun entscheiden, ob der Schäfer mit seinen Tieren die ehemalige Lagerhalle weiterhin als Stall nutzen darf. Foto: Christian Laier
Von Christian Laier
Waibstadt. "Mäh, möh, bäh": Im Schafstall von Igor Braun kann man das Blöken überall hören. Lämmer tollen umher, die Hütehunde haben gut zu tun, damit alles seine Ordnung hat. Es riecht nach Bauernhof, als die rund 650 Mutterschafe und ihr Nachwuchs am frühen Morgen gefüttert werden. Aus einer Ecke des Stalls machen sich 80 Ziegen bemerkbar und fordern ebenfalls ihr Futter ein. Es herrscht Bauernhof-Idylle im Stall der Schäferei Braun. Allerdings bahnt sich Unheil an: Der Waibstadter Gemeinderat hat sich gegen die Haltung von Mutterschafen in dieser zum Stall umgewandelten Lagerhalle im Gewerbegebiet "Bitzwiesen" ausgesprochen.
Seitens der Stadtverwaltung befürchtet man durch die Tierhaltung Geräusch- und Geruchsbelästigungen für die umliegenden Betriebe. Braun fragt sich nun, wo er seine Herde in den Wintermonaten unterbringen soll, falls das zuständige Baurechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises seinen Bauantrag ablehnen sollte. Kommen die Schafe ungeschoren davon?
"Anscheinend stört es jemanden, dass in dieser Halle Schafe gehalten werden. Es gab bisher nie Probleme. Alle direkten Nachbarn haben mir versichert, dass sie kein Problem mit meiner Tierhaltung haben", erzählt Braun im Gespräch mit der RNZ. Der Inhaber der Schäferei betreibt am gleichen Standort im Hauptberuf eine Schreinerei. In einer der Hallen überwintern die Tiere. Um das Gewerbegrundstück herum, das am Waibstadter Ortsrand in Richtung Neidenstein neben der Landstraße liegt, befinden sich mehrere Gewerbebetriebe. Nun wurde Braun aufgefordert, einen Bauantrag zur Umnutzung der Halle als Stall einzureichen. Dieser Aufforderung ist er nachgekommen. Der Gemeinderat wurde im Rahmen des Verfahrens beteiligt und lehnte die Erteilung seines Einvernehmens zu diesem Bauantrag einstimmig ab.
Braun kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. Mit seinen Merinolandschafen und den Burenziegen ist er im Kraichgau und vor allem im Heidelberger Raum viel unterwegs, um Landschaftspflege zu betreiben. Die meiste Zeit des Jahres sind seine Tiere draußen auf der Weide. Die Ziegen werden benötigt, weil sie in ihrem Maul oben und unten Zähne haben und so mit ihrem Gebiss besonders gut Gehölz wie Brombeerbüsche zerbeißen können. Die Schafe kümmern sich vor allem ums Gras, weil sie nur im unteren Teil ihres Maules Zähne haben und das Gras nur abzupfen können. Die Tiere kümmern sich so darum, dass Grünflächen in ihrer Form und Funktion erhalten bleiben. Ohne die Schafe und Ziegen würden diese Landschaften versteppen und verwalden.
Braun hat einige Flächen rund um das Kloster in Heidelberg gepachtet. Im Auftrag der Stadt Heidelberg kümmert er sich um die Renaturierung von "verbuschtem Brachland" wie Streuobstwiesen, vorzugsweise in schwer zugänglichen Hanglagen. Mit seiner Herde ist er darüber hinaus in Waibstadt, Zuzenhausen, Reilingen und Ketsch unterwegs. Derzeit ist die Schäferei Braun auch am Weideprojekt "Herdenschutzhunde im Wolfserwartungsland" beteiligt.
In den Stall in Waibstadt kommen die Tiere dann, wenn sie "ablammen". Das Mutterschaf ist dann für rund drei Monate im Stall, bis es seine Lämmer "abgesetzt" hat. Die frisch geborenen Lämmer benötigen noch den Schutz des Stalles, weil die meisten an kalten Wintertagen in der freien Natur nicht überleben würden. Die Ziegen haben kein Winterfell und müssen in den kalten Monaten in den Stall, damit sie nicht sterben, wenn es kalt und regnerisch ist.
"Wo soll ich mit meinen Tieren hin, wenn ich hier raus muss?" fragt Braun. Der Bau eines Stalles im Außenbereich sei aufgrund des Baurechts praktisch unmöglich, glaubt Braun. In ein Wohngebiet könne er erst recht nicht umziehen. Letztlich bleibe nur ein Gewerbegebiet. "Ich bin mit meiner Schäferei doch gewerblich tätig. Es ist ja nicht mein Hobby, sondern letztlich ein Unternehmen. Warum darf ich dann keine Schäferei im Gewerbegebiet betreiben? Hier stört es doch am wenigsten", findet Braun.
Er schaue sich schon länger nach Alternativen um, aber auf dem Immobilienmarkt gebe es derzeit kein passendes Objekt, das als Schafstall für die Herde geeignet sei. Hinzu komme auch der wirtschaftliche Faktor, ein neues Objekt müsste bezahlbar sein. Schließlich beschäftigt Braun zwei festangestellte Schäfer, die seine Herde betreuen.
Nun hofft Braun, dass die Baurechtsbehörde seinen Bauantrag zur Umnutzung trotz der ablehnenden Haltung des Gemeinderats genehmigen wird und er seinen Stall dann weiter nutzen darf. Aus seiner Sicht gibt es dazu auch keine praktische Alternative: "Ich kann mit meinen Schafen und Ziegen aktuell nirgendwo anders hin", betont er.