Endlich wieder einkaufen? Gerade vor größeren Geschäften mussten Menschen am Montag anstehen. Je nach Größe der Verkaufsfläche variiert die Höchstgrenze der Kunden. Foto: Christiane Barth
Von Christiane Barth
Sinsheim. Tetris spielen ist einfacher. Die Läden sind seit gestern wieder geöffnet, doch welche Einrichtung wie wieder aufmachen darf, gleicht einer komplizierten Spielanleitung mit einem umfangreichen Fußnotenkatalog. Sei’s drum. Stöbern geht wieder. Klamotten anprobieren geht wieder. An der Kasse Schlange stehen geht auch wieder. Und das taten sehr viele Kunden am Montag. Die RNZ hat sich beim Einzelhandel in der Stadt ein wenig umgehört.
Markus Viertel, Filialleiter bei "C&A", sah kurz nach Ladenöffnung bereits die Verkaufsfläche geflutet. 100 Kunden dürfen dort gleichzeitig in den Laden, als Sicherheitsmaßnahme lässt er nicht mehr als 50 hinein. Die Türen wurden also vorübergehend wieder geschlossen. Auch in anderen Textilketten wie "Kik" sowie "H&M" waren lange Schlangen vor den Kassen und teils auch vor dem Eingang zu sehen.
Im Modegeschäft "Street one" waren die Mitarbeiter seit Tagen in Lauerstellung. "Die Ware fürs Frühjahr haben wir schon längt ausgepackt und uns darauf eingestellt, dass es bald wieder losgeht. Alles, damit wir nicht von jetzt auf nachher so viel auf einmal machen müssen", teilt Mitarbeiterin Gabi Ebinger mit.
Silke Gmelin vom gleichnamigen Ledergeschäft hat bemerkt: "Die Leute sind einfach froh, dass sie wieder einkaufen dürfen." Von einem Ansturm könne sie noch nicht reden, aber das Telefon klingele sehr häufig, weil sich viele Kunden rückversichern wollten, ob tatsächlich geöffnet ist. Auch zahlreiche Terminvereinbarungen um Schulranzen anzupassen, seien vorwiegend telefonisch erfolgt. Geschäftsinhaber Werner Gmelin bricht eine Lanze für die Fachgeschäfte und klagt über die vermehrte Flucht der Kunden zu Online-Riesen. "Das merken wir schon", bedauert er.
Auch Klaus Gaude von der Buchhandlung Doll will nicht von einem Ansturm reden. Dass wieder mehr Leben in den Laden gekommen ist, sei aber deutlich festzustellen. "99 Prozent der Leute waren genauso froh wie wir, dass wir wieder arbeiten dürfen, und vor allem, dass man sich endlich wieder einfach mal umschauen darf." Seit Tagen bereite er sich auf den Neustart vor, arbeite mit Hochdruck daran, den "Laden auf Präsenz zu drehen" – und dies sei auch dringend nötig gewesen, auch des Sortiments wegen. Denn die Saison der Gartenratgeber sowie der Rat- und Wanderführer beginnt, Reiseführer sind nicht angesagt. Gaude, der auch Vorsitzender des Arbeitskreises Handel ist, äußert sich erfreut darüber, dass der Buchhandel jetzt der Kategorie "Produkte des täglichen Bedarfs" zugeordnet wurde: "Daher sind wir nicht so abhängig vom Inzidenzwert."
Carmen Medini vom Bücherland sieht in frohe Gesichter: "Die Kunden sind glücklich, dass sie wieder reindürfen." Umschauen, stöbern: Das hätten die Kunden schon vermisst. Viele sind auch froh, einfach wieder ein Buch aus dem Regal nehmen zu dürfen. Sie genießen es, Waren anzufassen, etwas, dass online nicht geht. Wie es nun weitergehen wird? "Entweder wir bekommen jetzt den ganz großen Run, oder die Kunden bleiben verhalten, weil die Zahlen jetzt wieder nach oben gehen. Den Dienstplan haben wir jedenfalls mit einem großen Fragezeichen versehen." Medini merkt an: "Wir können aber nicht ständig auf und wieder zu machen, das verträgt der Einzelhandel auf Dauer nicht. Wir müssen lernen, mit dem Virus umzugehen."
Öffnung nach Art des Technik-Museums: Mit dem Schneidbrenner wurde eine 200 Kilogramm schwere Kette durchtrennt. Foto: MuseumFlorian Zangl vom Ordnungsamt berichtet, dass das Telefon im Gewerbeamt am Montagvormittag nicht stillgestanden habe. Eine große Verunsicherung sei bei den Einzelhändlern festzustellen. "Jetzt ging es ja doch schneller, als wir alle gedacht hatten", meint Zangl, der zudem bedauert, auch auf den Seiten des Landes nicht auf alle Fragen, die auftauchen, eine Antwort zu finden ist. Zudem seien von den Einzelhändlern "ganz spezielle Fragen" gestellt worden, für deren Klärung sich auch die Rathausmitarbeiter "erst noch kundtun müssen". Dominierend sei jedoch die Freude darüber, dass die Öffnung jetzt funktioniert. Auch OB Jörg Albrecht ist froh, dass der Einzelhandel wieder öffnen darf. Gleiches wünscht er sich baldmöglich für die Gastronomie: "Da warten wir noch auf ein Signal."
Auch kritische Stimmen wurden geäußert. Manche halten die Ladenöffnungen unter den Corona-Bedingungen für widersinnig, da durch die Beschränkungen der Umsatz leide. Dies stehe nicht im Verhältnis zu den erhöhten Kosten, die die Hygienekonzepte verursachen. Kritisch angemerkt wurde teils auch, dass der Einzelhandel deutlich höhere Hürden für die Öffnung überwinden muss als der Lebensmittelhandel.
Während der Einzelhandel in der Mosbacher Innenstadt teilweise mit Startschwierigkeiten bei den Kassensystemen zu kämpfen hatte, scheinen die Sinsheimer Händler damit keine Probleme gehabt zu haben.