Amtsgericht Sinsheim. Foto: Archiv/Christiane Barth
Sinsheim. (bju) "Der erste V 6, der Ihre Vernunft um den Verstand bringt." So lautet ein Werbeslogan für den Porsche Panamera, der bei den beiden Angeklagten Ü. (24) und S. (23) aus Aglasterhausen richtig Wirkung gezeigt hatte, als der Jüngere den Vertrag eines Privatdarlehens über 42.500 Euro bei einem Autohaus in Fürth im Oktober 2019 unterzeichnete. Nun musste sich das Duo wegen zahlreicher Betrugsdelikte vor dem Amtsgericht verantworten.
Zwar waren die Gehaltsnachweise des Mechatronikers S. korrekt, das Arbeitsverhältnis bestand aber nicht mehr. Die monatlichen Rücklastschriften der Raten in Höhe von rund 500 Euro waren die Konsequenz. Fürs Gericht Täuschung über die Rückzahlungsfähigkeit und Betrug. Doch der Sachverhalt in der fünfstündigen Verhandlung war komplexer, die Beweggründe des Duos waren komplizierter: Eigentlich wollten sie eine neue Firma gründen.
Von Gemeinsamkeit im Gerichtssaal keine Spur. Die beiden würdigten sich während der Verhandlung kaum eines Blickes. Günstige Waren in der Türkei einkaufen oder produzieren lassen und in Deutschland mit Gewinn verkaufen, so ging die Geschäftsidee, die auf die Erfahrung von Ü. beruhte, der ein Büro in Helmstadt-Bargen hatte. Nach dem "Porsche-Coup" folgten Kreditanfragen bei zwei Banken in Höhe von 43.500 Euro und 33.700 Euro. Das Geld habe man für die Einlagen in die neue GmbH benötigt. Und um das Geschäft zum Laufen zu bringen. Die Angeklagten waren schon vor Prozessbeginn geständig, zeigten Reue. Durch Video-Identifikations-Verfahren und gefälschte Gehaltsnachweise flogen sie auf, die Kredite wurden nicht bewilligt.
Ende 2019 fuhren die zwei mit wenig Geld und vielen Ideen im Porsche nach Istanbul, wo sie aufgrund der Pandemie anstelle von vier Wochen vier Monate bleiben mussten. "Wir hatten nicht mal mehr etwas zu essen", äußert sich Ü. Mittels zwei nicht mehr existenter Apple-Smartphones – 800 und 900 Euro teuer – ergaunerten sie sich online die Finanzierung der Rückflüge. Den Porsche holte der Vater von Ü. erst im August 2020 vom Bosporus zurück. Nicht das letzte Mal, dass seine Eltern und seine schwangere Freundin dem Angeklagten halfen.
34 Mal verkaufte er über eine Online-Plattform Turnschuhe, die nicht geliefert wurden. So erklären sich die stattlichen 41 Betrügereien, die das Gericht dem Duo vorwarf. Die Vorwürfe zu den Taten im Mai 2019 wurden eingestellt: Ü. hatte – wieder mit Unterstützung seiner Familie und seiner Partnerin – die verursachten finanziellen Schäden ausgeglichen. Außerdem hatte jedes Betrugsopfer laut Verteidigung 25 Euro als Entschädigung erhalten. Ü., der nach seinem Schulabschluss als Selbstständiger im ersten Jahr eine Million Euro Umsatz gemacht haben will, erzählte auch von seinem fünfeinhalbmonatigen Gefängnisaufenthalt in Mannheim. "Eine schreckliche Zeit", in der er viel nachgedacht habe. Ein Bewährungshelfer schaut nach ihm. Er wird wegen Depressionen behandelt.
Im November habe Ü. erstmals in seinem Leben Bewerbungen geschrieben und einen Arbeitsvertrag erhalten. Der junge Mann hat 200.000 Euro Schulden. Fluchtgefahr, die die Staatsanwältin befürchtete, bestehe nicht: "Ich brauche meine Familie, und das Kind und meine Freundin sind das Wichtigste für mich." Er wolle sein Leben ändern.
Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft mit Blick auf die Vorstrafen eine "hohe kriminelle Energie" fest, die keine Bewährung verdiene. Insgesamt entstehe der Eindruck, dass Ü. seinen damaligen Freund S. ausgenutzt habe. Der Mitangeklagte sei unauffällig gewesen. Lediglich die bisherige Wiedergutmachung sei strafmildernd, ebenso die gezeigte Reue und Ü’s Festanstellung. Die Raten für den Porsche zahle er regelmäßig. Das Fahrzeug steht abgemeldet in der heimischen Garage. "Ich werde mit den Konsequenzen leben", sagte auch S. vor dem Urteil.
S. wurde zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ü. konnte sich bei seinem Anwalt für das Urteil bedanken: Er wurde zu zwei Mal zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, wobei ihm die Zeit angerechnet wurde, die er in Mannheim einsaß. Vier Jahre beträgt die Bewährungszeit, außerdem muss er Arbeitsstunden ableisten. Es sei die allerletzte Warnung, sagte die Richterin.