Mottopartys und Onlinehandel killen den Umsatz

Eppingen. Trotz Fasching finden nur wenige den Weg zum Kostümverleih - Kleiner Laden spiegelt gesellschaftlichen Trend

29.01.2013 UPDATE: 29.01.2013 09:19 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Nur Accessoires und Masken sind noch einigermaßen gefragt.
Von Armin Guzy

Eppingen. Draußen hängen zwei prächtige Kostüme, das Schaufenster ist ansprechend dekoriert - im Modesalon Zorn stehen alle Zeichen auf Fasching. Eigentlich eine umsatzstarke Zeit, denn der Modesalon ist eines der wenigen Geschäfte im weiten Umkreis, in denen man sich Faschingskostüme nicht nur individuell anfertigen lassen, sondern sie auch ausleihen kann.

Drinnen aber von Trubel keine Spur, weder von närrischem noch von sonst einem. Inhaberin Iris Maria Zorn steht zwischen all den Kostümen, Masken und Hüten alleine im Laden - und ist nicht gerade in Faschingslaune. "Vor drei, vier Jahren sind sich die Kunden im Umkleideraum gegenseitig auf den Füßen gestanden", erzählt sie. Inzwischen kommen viele närrisch Gesinnte nur noch, wenn das Kostüm aus dem Onlineversand nicht passt und schnell noch ein Ersatz für die anstehende Prunksitzung her muss. Das Internet und die großen Modekaufhäuser werden für den kleinen Laden in der Brettener Straße zunehmend zur Gefahr.

Dabei hat der Modesalon durchaus Alleinstellungsmerkmale, die gemeinhin als Überlebensversicherung gelten: Kostüme gibt's dort den individuellen Kundenwünschen entsprechend, und wer den Kauf scheut, kann sein Faschingsoutfit auch für weniger Geld einige Tage ausleihen. Aber mit den Preisen im Internet kann die Mittfünfzigerin nicht konkurrieren: Unter 100 Euro findet sich bei ihr kein Narrengewand - schließlich steckt in jedem Kostüm stundenlange Handarbeit. "Zu viel, in unserer kurzlebigen Zeit", bedauert die Eppingerin. "Heute muss halt alles ratzfatz gehen. Und billig sein." Selbst von den Karnevalsvereinen kämen kaum noch Aufträge.

Sorgen bereiten ihr aber auch der Trend zu Motto-Veranstaltungen. Ist bei einer Prunksitzung ein Verkleidungsthema vorgegeben, halten sich die meisten Besucher auch daran. Und die Schneidermeisterin kann in ihrem kleinen Hinterzimmeratelier unmöglich Kostüme für alle denkbaren Mottos im Voraus entwerfen und nähen. Sie empfindet die Mottoveranstaltungen nicht nur aus geschäftlicher Sicht als "Diktat". "Dabei bleibt doch die Spontanität der Leute auf der Strecke", sagt sie. "Da ist der Mensch nicht mehr so frei, wie er an Fasching eigentlich sein sollte. Darum geht es doch: sich so zu verkleiden, wie man will, und nicht, wie man muss."

Wäre da nicht die Maßschneiderei und der ganzjährige Kostümverleih für Eventpartys, die Brettener Straße wäre wohl bald um ein Geschäft ärmer - um ein individuelles, von dem die Stadtoberen ja eigentlich im Branchenmix der Haupteinkaufsstraße gerne mehr sehen würden.

Seit 1962, seit ihre Mutter Berta den Salon eröffnete, ist hier auch Iris Maria Zorn zu Hause. Hier hat sie sich das erste Mal in den Finger genäht, als Vierjährige, im Stehen, weil die Beine für den Stuhl an der Nähmaschine der Mutter noch zu kurz waren. Hier hat sie ihre Hausaufgaben zwischen Schnittmustern und Fadenspulen gemacht. Hier hat sie gespielt, gegessen, gelesen und ihre Leidenschaft fürs Kreative entdeckt.

In den Nachkriegsjahren hatte ihre Mutter damit begonnen, Selbstgenähtes zu verkaufen. 1962 eröffnete sie den jetzigen Laden gegenüber des Rathauses. Mit Nikolausgewändern hat im Kostümbereich alles angefangen. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte, denn weil es damals so etwas fast nirgends zu kaufen gab, war die Nachfrage nach den roten-weißen Kutten von Berta Zorn groß. Aber es dauerte nicht lange, bis sich die Bekleidungsindustrie in dieser Nische breitmachte - mit Preisen, bei denen die Maßschneiderin nicht mithalten konnte. Die findige Dame ließ sich nicht unterkriegen und hatte wohl auch ein Gespür für kommende Trends. Als die spätere Halloween-Welle noch ein sanftes Plätschern auf dem deutschen Kostümmarkt war, hingen in der Brettener Straße schon die ersten Gruselgewänder auf den Kleiderstangen, erinnert sich Iris Maria Zorn. Aber auch das war schnell vorbei: Masken, Umhänge und Accessoires gab es bald überall für weniger Geld.

Mitte der Achtzigerjahre kam dann die Idee mit dem Kostümverleih, der jahrelang auch gut lief. Jetzt scheint auch damit Schluss. "Es ist viel, viel zu ruhig für diese Zeit", seufzt Zorn - und hofft, dass sie das Gefühl für kommende Kostümtrends von ihrer Mutter geerbt hat, damit der Salon eine sicherere Zukunft hat.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.