Von Armin Guzy
Kraichgau. Wächst das Tofuschnitzel für Kraichgauer Vegetarier demnächst auf dem Acker nebenan? Alles deutet darauf hin, denn der Tofu-Grundstoff, die Sojabohne, soll schon in diesem Jahr in der Region heimisch werden - und das gentechnikfrei. Eine Anbaufläche von 1000 bis 1500 Hektar ist nach Ansicht von Jürgen Recknagel, Leiter der Müllheimer Außenstelle des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums Augustenberg, langfristig durchaus realistisch - und für die hiesigen Landwirte auch wirtschaftlich interessant. Eine Infoveranstaltung für Mitglieder der Kraichgau-Getreide-Erzeugergemeinschaft in Richen war mit mehr als 200 Teilnehmern bestens besucht. Im März sollen die ersten Felder bepflanzt werden.
Der Bedarf an eiweiß- und stärkehaltigem Kraftfutter in der Tierzucht ist groß. Vor allem in der Geflügelzucht wird immer mehr Importsoja verfüttert. Wer das Futter nicht einführt, sondern selbst anbaut, setzte bislang meist auf Raps oder Erbse. Diesen aber erwächst mit dem ausländischen Exoten nun eine zumindest regional ernst zunehmende Konkurrenz. Denn Soja ist, was Wasser und Nährstoffe betrifft, vergleichsweise genügsam, wenig anfällig für Krankheiten und Schädlinge, ertragreich und zudem ein idealer Bodendünger und -auflockerer. Außerdem hat die stark ölhaltige Kraftbohne einen höheren Eiweißgehalt als alle anderen Hülsenfrüchte.
Weil die Anbaufläche in Deutschland derzeit gerade mal bei 5000 Hektar liegt - weltweit sind es mehr als 100 Millionen Hektar - , muss fast das gesamte verfütterte Soja importiert werden: Hinsichtlich der Klimabilanz ökologisch fragwürdig und - wenn das Soja aus den USA, Südamerika oder Asien kommt - auch wegen der gentechnischen Veränderungen fast aller dort angebauten Sojabohnen umstritten.
Dazu wollen nun Landwirte der Kraichgau-Getreide-Erzeugergemeinschaft eine Alternative bieten. Der Verein ist Vertragspartner des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums (KRZ), und dieses wiederum plant 2013 bereits 500 Hektar für den Sojaanbau ein - womit im Kraichgau künftig zehn Prozent der gesamten deutschen Sojaanbaufläche liegen würden. Ehrgeizig, aber offenbar machbar und hinsichtlich des vor drei Jahren eingeschlagenen KRZ-Weges einer gentechnikfreien Futtermittelproduktion auch konsequent. Klimatisch ist der Kraichgau zwar weniger geeignet als die Rheinebene, liegt aber von den Wachstumsbedingungen immer noch im Mittelfeld. Ein Versuchsfeld im Raum Eppingen hat ordentliche Erträge abgeworfen. "Wo Wein angebaut wird, gedeiht auch Soja", sagt Recknagel.
Als Absatzmarkt hat das KRZ vor allem die Region im Sinn. Durch die räumliche Nähe zu zahlreichen Tierhaltern, allen voran zwei große Geflügelzüchter in Eppingen und Obergimpern, sieht KRZ-Prokurist Dieter Schleihauf eine hohe Nachfrage. Aber auch in der Naturkostnische könnte sich der Kraichgausoja breitmachen: Lactosefreie Milch und Tofu aus heimischer Produktion sind denkbar. Mit der Heilbronner Campina GmbH hat man zudem einen großen Molkereibetrieb in unmittelbarer Nähe, dessen Milchviehhalter ebenfalls als Abnehmer in Frage kommen. Als Pflanzanreiz bietet das KRZ seinen Vertragspartnern außerdem zum Start feste Erzeugerpreise von 400 Euro pro Tonne.
Bislang hatte der Sojaanbau für hiesige Landwirte jedoch einen entscheidenden Haken: Die Bohnen sind erst verdaulich, nachdem sie in einem technisch kniffeligen Verfahren entölt und wenige Minuten bei 140 Grad getoastet wurden. Dazu waren bislang im weiten Umkreis nur einige Betriebe in Bayern in der Lage. Zu diesen Spezialisten ist vor Kurzem aber eine regionale Firma hinzugestoßen: Die Mühle Ebert in Dielheim verfügt inzwischen über das erforderliche Know-how und auch über die Kapazität, das Soja aus dem Kraichgau zu verarbeiten. Außerdem wird der Anbau inzwischen auch vom Land gefördert. Subventionierter Selbstanbau und kurze Transportwege stehen dann teuren, klimaschädlichen Überseeimporten gegenüber - kein Wunder, dass Schleihauf der Kraftbohne eine blühende Zukunft in der Region vorhersagt.