Nach Bluttat in Kandel

Tatverdächtiger soll einem Gutachten zufolge älter als gedacht sein (Update)

Der gewaltsame Tod der 15-jährigen Mia in Kandel hatte kurz nach Weihnachten bundesweit für Aufsehen erregt. Dringend tatverdächtig ist ihr Ex-Freund, der einem  Gutachten zufolge älter sein soll, als bisher vermutet.

20.02.2018 UPDATE: 20.02.2018 16:40 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden
Trauermarsch in Kandel
Die 15-Jährige war am 27. Dezember bei einer Messerattacke in einem Drogeriemarkt so schwer verletzt worden, dass sie starb. Foto: Uli Deck/dpa

Landau/Kandel. (dpa) Der mutmaßliche Mörder der 15-jährigen Mia aus Kandel ist einem Gutachten zufolge älter als bisher angenommen. Demnach ist der Ex-Freund des am 27. Dezember in einem Drogeriemarkt erstochenen Mädchens wahrscheinlich etwa 20 Jahre alt, wie die Staatsanwaltschaft Landau am Dienstag mitteilte. Bislang hatte der Flüchtling aus Afghanistan als 15 Jahre alt gegolten. Der junge Mann war kurz nach dem tödlichen Messerangriff festgenommen worden und sitzt wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft.

Das Alter ist wichtig für ein späteres Gerichtsverfahren. Das Gutachten gehe der Staatsanwaltschaft zufolge von einem Mindestalter von 17,5 Jahren aus, das wahrscheinlichste Lebensalter sei etwa 20 Jahre. Zur Tatzeit Ende Dezember war er zwischen 15,5 und 18 Jahre alt und gelte damit als Heranwachsender und nicht als Erwachsener im strafrechtlichen Sinn. Bei Angeklagten zwischen 14 und 17 Jahren gilt immer Jugendstrafrecht. Rechtlich möglich ist das in den meisten Fällen auch bei Heranwachsenden, die zur Tatzeit 18 bis 21 Jahre alt waren.

Ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht angewendet wird, beeinflusst zum Beispiel das Strafmaß bei einer Verurteilung: Nach Jugendstrafrecht sind maximal fünf Jahre Haft möglich, bei Mord in der Regel bis zu zehn Jahre. Bei Mord in besonders schweren Fällen und nur bei Heranwachsenden (nicht bei Jugendlichen) können es auch maximal 15 Jahre Haft sein. Nach Erwachsenenstrafrecht wird Mord in der Regel mit einer lebenslangen Haftstrafe geahndet, außerdem ist in besonders schweren Fällen anschließende Sicherungsverwahrung möglich.

In dem Fall, der bundesweit Entsetzen ausgelöst hatte, gehen die Ermittlungen indes weiter. "Neben der Vernehmung von Zeugen dauert insbesondere die Auswertung der bei dem Beschuldigten sichergestellten Mobiltelefone an", erklärten die Ermittler. Der Verdächtige schweige zu den Vorwürfen.

Der junge Mann war ohne Ausweis nach Deutschland gekommen und hatte sein Geburtsdatum mit 1. 1. 2002 angegeben. Er wurde daher als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling eingestuft. Sein Asylantrag wurde nach Angaben der Ermittler im Februar 2017 abgelehnt. Zugleich sei aber ein Abschiebeverbot nach dem Aufenthaltsgesetz festgestellt worden.

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Der Verdächtige war nach seiner Registrierung in Frankfurt ins pfälzische Germersheim gebracht worden und lebte dort zunächst in einer Jugendhilfeeinrichtung. Anschließend zog er in eine betreute Jugendwohngruppe in Neustadt an der Weinstraße.

Mehrere Monate war er mit dem 15-jährigen Opfer zusammen, bis das Mädchen Anfang Dezember Schluss machte und ihn Mitte Dezember wegen Beleidigung, Nötigung, Bedrohung und Verletzung persönlicher Rechte anzeigte. Auch der Vater des Mädchens war deshalb zweimal bei der Polizei. Schon kurz nach der Tat kamen Zweifel auf, ob der Festgenommene tatsächlich erst 15 Jahre alt ist. Der Kreis Germersheim, bei dem das zuständige Jugendamt angesiedelt ist, hatte eine Volljährigkeit ausgeschlossen.

Das Alter wurde nach Angaben der rheinland-pfälzischen Landesregierung Anfang Mai 2016 vom Jugendamt Frankfurt festgestellt. "Weder wenn man jemanden befragt, noch wenn man jemanden untersucht, gibt es hundertprozentige Sicherheit", erklärte Manuela Skotnik vom Sozialdezernat Frankfurt. Zudem müsse man im Jugendhilferecht immer von der untersten Altersgrenze ausgehen. Die Staatsanwaltschaft Landau hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, um das Alter feststellen zu lassen. Bei der Untersuchung wurden Hand, Gebiss und Schlüsselbeine geröntgt.

Die CDU-Landtagsopposition forderte, das Alter minderjähriger Asylsuchender wie im Saarland immer medizinisch festzustellen. "Es hat sich erneut gezeigt, dass eine reine Inaugenscheinnahme - wie sie in Rheinland-Pfalz nach dem Willen der Landesregierung praktiziert wird - nicht ausreicht", betonte Fraktionsvize Christian Baldauf.

Auch der Kreis Germersheim forderte verlässliche Methoden. Wer einen Anspruch auf Jugendhilfe habe, solle sie auch erhalten, erklärte Landrat Fritz Brechtel (CDU). "Lücken, die einen Missbrauch dieses Rechtsanspruchs ermöglichen, müssen schleunigst geschlossen werden." Der AfD-Landtagsabgeordnete Matthias Joa warf den Behörden Fahrlässigkeit vor. Der Jugendschutz habe versagt.

Die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition will die Altersprüfung junger Flüchtlinge neu organisieren. Geplant sei, dass wie früher nur Schwerpunkt-Jugendämter die Altersfeststellungen vornehmen sollten, nachdem nur noch wenige junge Leute ins Land kämen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). "Die Idee dahinter ist (...), dass dort einfach eine ganz andere Kompetenz ist, als wenn ein Jugendamt das alle paar Monate mal macht." Bisher gibt es in Trier, im Kreis Mainz-Bingen und Kusel Schwerpunkt-Jugendämter.

Das Ziel sei ein noch schnelleres und strafferes Verfahren, erklärte das Integrationsministerium. "Klar ist, dass in Zweifelsfällen eine medizinische Altersfeststellung erfolgen muss." Bei Bedarf solle das schnell und verlässlich gehen. Dafür werde das Land auf die Kommunen zugehen. Nötig sei auch eine Konkretisierung, was ein Zweifelsfall sei.

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