Der 35er Bus fährt durch die engen Gassen der Neckargemünder Altstadt - das wird vorerst auch so bleiben. Foto: Alex
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Das gab es in der Geschichte der Stadt am Neckar wohl noch nie: In der jüngsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates fiel eine Entscheidung mit nur einer einzigen Ja-Stimme und sonst ausschließlich Enthaltungen. Der "Ja-Sager" war Bürgermeister Frank Volk, der auch zu diesem kuriosen Abstimmungsverhalten aufgerufen hatte - obwohl auch er lieber Nein gesagt hätte.
Der Gemeinderat wollte damit ein Zeichen setzen - gegen die Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV). Nur unter Protest hat das Gremium die sogenannte Finanzierungsvereinbarung für die Jahre 2018 bis 2021 und damit die Kostenexplosion beim Betrieb der Buslinie 35 akzeptiert, die zwischen dem Heidelberger Stadtteil Wieblingen und Neckargemünd fährt.
"Es heißt Neuverhandlung, aber eine Verhandlung ist etwas anderes", kritisierte Volk. Beim Betrieb der RNV-Buslinien 34 und 35 bilden Neckargemünd, Schönau, Heiligkreuzsteinach und Wilhelmsfeld eine Solidargemeinschaft als separater Teil des Linienbündels Heidelberg. Dieses wird von 2014 bis 2021 von der RNV betrieben.
Nach vier Jahren - also 2018 - werde der Preis für die folgenden vier Jahre "verhandelt", erklärte Volk. Das Ergebnis: Die Kosten pro gefahrenem Kilometer steigen von 69 Cent auf 1,16 Euro - eine 69-prozentige Steigerung. Allein 32 Cent der Mehrkosten pro Kilometer entfallen auf das Personal, jeweils zehn Cent auf die Modernisierung des Fuhrparks und der IT-Systeme, ebenfalls zehn Cent auf "allgemeine Kostensteigerungen" und fünf Cent auf den teurer werdenden Treibstoff.
Auf der Gegenseite steht ein Plus von 20 Cent bei den Fahrgeldeinnahmen. Die Gemeinden im Steinachtal hatten die Erhöhung bereits im Frühjahr akzeptiert. Der Rhein-Neckar-Kreis hatte seinen Zuschuss von 40 auf 45 Prozent erhöht.
Neckargemünd jedoch blieb hartnäckig. Bürgermeister Volk bat die RNV, die Kalkulation offenzulegen. "Das machen wir als Stadt bei Gebühren ja auch", meinte er. Nachdem sich die RNV geweigert hatte dies zu tun, sei er im Januar bei einem Gespräch "recht massiv" aufgetreten und habe die Muskeln spielen lassen, erzählte Volk. "Meine Bürgermeisterkollegen sind sogar etwas erschrocken, aber ich wollte wissen, was hinter der Kostensteigerung steckt und wofür wir mehr zahlen sollen."
Klar sei gewesen: Wenn Neckargemünd aus der Solidargemeinschaft aussteigt, fährt der 35er Bus nicht mehr in Heidelbergs Nachbarstadt und der 34er Bus nicht mehr ins Steinachtal. Deshalb habe er vorgeschlagen, dass der Bus tagsüber nur noch alle 30 statt alle 20 Minuten fährt - wohlwissend, dass dies nicht möglich sei, so Volk. Dies wurde auch abgelehnt.
Auch wenn die RNV die Kalkulation nicht offengelegt habe, habe es einen ersten Erfolg gegeben, so Volk: Es wurden nicht mehr 1,16 Euro pro Kilometer verlangt, sondern nur noch 1,11 Euro. Nun gehe es noch um 266.000 Euro als Anteil für die Stadt Neckargemünd - ohne Zuschüsse vom Landkreis. "Die RNV hat inzwischen noch ein Blatt dazugelegt, aber eine Kalkulation ist das immer noch nicht", so Volk, der deutlich machte: "Wir wollen nicht am 35er Bus wackeln, weil er eine enorme Bedeutung für uns hat." Doch bei der im nächsten Jahr beginnenden Neuverhandlung für die Zeit nach dem Jahr 2021 solle die Verhandlungsposition der Stadt gestärkt werden.
Bis heute liege keine "hinreichende Kalkulation" vor, sagte Volk. Die RNV habe erklärt, dass es um Vertrauen gehe. "Wir verstehen das nicht", so Volk.
Stadtsprecherin Petra Polte ergänzte: "Wir waren erschüttert, als es hieß, dass wir die Kalkulation ohnehin nicht verstehen würden." Als ehemaliger Banker könne er Kalkulationen lesen, so der Bürgermeister, der daraufhin das erwähnte Abstimmungsverhalten des Gemeinderates als "stillen Protest" vorschlug. Und dem das Gremium auch folgte.