Die Münchener Jazz-Organistin Barbara Dennerlein bereicherte den "Mosbacher Sommer" um ein nicht alltägliches Kirchen-Jazz-Konzert. Dabei spielte sie die Weigle-Orgel und ihre Hammond B3 im direkten Vergleich. Foto: Peter Lahr
Von Peter Lahr
Mosbach. "Jazz ist für mich ein Synonym für Freiheit. Die Freiheit von Vorurteil und Diskriminierung, die Freiheit von Zwang und Konvention." Klare Worte liebt die Münchener Orgeldiva Barbara Dennerlein, die am Mittwochabend den Mosbacher Sommer um jazzige Klanglandschaften bereicherte. Für 300 Orgel- und Jazzfans aus nah und fern bildete das Konzert "Spiritual Moments" in der Stiftskirche (in Kooperation mit dem Evangelischen Bezirkskantorat) mit Sicherheit den diesjährigen Höhepunkt des Sommerprogramms.
Als Weihnachtsgeschenk mit Langzeitwirkung sollte sich die Hammondorgel herausstellen, die der orgelbegeisterte Papa Dennerlein 1975 seiner damals elfjährigen Tochter machte. Seitdem ist die Musikerin verliebt in diesen ganz speziellen Ton, der von den handgefertigten Originalen des Laurens Hammond ausstrahlt.
"Man muss sie heute hüten wie kleine Schätze", vertraut die Musikerin ihren Zuhörern an. Denn die alten Instrumente seien nicht nur Individuen - dank heute angeblich unbezahlbarer Handarbeit. Sie besäßen zudem eine Seele. Der besondere Klang werde elektromagnetisch erzeugt und über Röhren verstärkt. "Auch wenn es mal zerrt, bleibt es warm, das Analoge halt", gerät Dennerlein mit Blick auf ihre B3 schnell ins Schwärmen.
Dass die Perfektionistin, die sie auch ist, zur handelsüblichen Tastatur noch eine Erweiterung um eine komplette Fußtastatur hinzugefügt hat, bildet ein weiteres "Alleinstellungsmerkmal" der international aufgestellten Musikerin. Dass sie auch nach 30 Solo- und Bandprojekt-Tonträgern so sympathisch wie charmant rüberkommt, ist ein weiterer Pluspunkt. Spür- und hörbar gefällt ihr die besondere Atmosphäre in der Stiftskirche. Vor der lautstark geforderten Zugabe lobt die Musikerin das Publikum. Ein Konzert sei ja keine Einbahnstraße: "Im Idealfall tauscht man die Energien aus."
Zum Auftakt spielt Barbara Dennerlein an der Weigle-Orgel. Den warmherzigen Begrüßungsapplaus kommentiert sie mit einem Dankeschön. Es sei schon anerkennenswert, an solch einem herrlichen Abend auf den kühlen Biergarten zu verzichten und stattdessen in eine warme Kirche zu gehen. "Ich komme noch viel mehr ins Schwitzen", tröstet die Musikerin ihre Zuhörer.
Das weit gefächerte Programm beginnt mit einem weiteren Trost für alle, die nach den Sommerferien wieder früh aufstehen müssen. Der "Early Bird Blues" lässt die Pfeifenorgel so richtig swingen. Luftig locker leicht groovt die Organistin los. Dank einer Übertragungskamera können auch die Zuhörer im Kirchenschiff sehen, dass die Musikerin ganze Körperarbeit leistet. Schnell wippen die ersten Füße mit. Der morgendlichen Vogelscharorchestrierung folgen Soundsoloblüten, die den Klanggarten ideenreich umranken. "Auch eine Kirchenorgel hat blue notes, man muss sie nur finden", erläutert Barbara Dennerlein. Eine kleine Orgelkunde packt sie in ihre Ansagen.
Weiter geht die Weltreise nach Südkorea, wo die Musikerin sich von der großen Freundlichkeit der Menschen so beeindruckt zeigte, dass sie "Corean Smile" komponierte. Unverkennbar asiatische Tonfolgen gehen über in perlende Sounds. Das Tempo geht von den Pagoden zu schnell prasselnden Synkopen über. Es rockt, es pulst, es wirbelt; mit einigen exotischen Gewürzen klug verfeinert. Die alte mit der neuen Welt verbindet der "Tango Perdito". Jenseits eines Bandoneons zaubert Barbara Dennerlein eine fantastische Fülle an Instrumenten aus den Registern.
Die Eigenkomposition und -Improvisation "Change of Pace" lässt die Organistin noch einmal aus dem Vollen schöpfen. Neugierig erkundet sie das Instrument. Entfacht Wirbelwinde und startet Raketen. Setzt ein Echolot ein, ortet Wale und versetzt Berge. Entdeckt geheime Orte zwischen Marianengraben und Mount Everest. "Ich lasse mich inspirieren von dem Instrument", unterstreicht Dennerlein.
Den direkten Klangvergleich erlaubt der zweite Teil des Konzerts an der Hammondorgel. Auch hier steht ein Swing auf der Pole Position. Calypso, Boogie und Funk folgen. "Zum Ausruhen" spielt die Jazzerin mit "Four Yellow Butterflies" ein "atmosphärisches Stück". Das Glück liege ja bekanntlich in den kleinen Dingen, etwa vier Schmetterlingen, die einen im Garten umgaukelten. Ein größeres Glück ist es da schon, ein Konzert mit Barbara Dennerlein zu erleben. Hoffentlich müssen die Mosbacher bis zu ihrem nächsten Auftritt nicht weitere 18 Jahre warten!