G8 am Nicolaus-Kistner-Gymnasium Mosbach

"Wir haben hier fröhliche Kinder"

Jochen Herkert, Leiter des Nicolaus-Kistner-Gymnasiums, wehrt sich gegen pauschale Kritik am regulären achtjährigen Gymnasium

09.10.2017 UPDATE: 10.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Die Zahlen sprechen für sich: Das Nicolaus-Kistner-Gymnasium in Mosbach hat mit G 8 keine Probleme. Fotos: zg

Von Carsten Blaue

Mosbach. Jochen Herkert hat die Berichterstattung in der RNZ aufmerksam verfolgt. Über die Elterninitiative "G 9 - jetzt!" von Anja Plesch-Krubner, die dem achtjährigen Weg zum Abitur den Kampf ansagt. Oder über Franziska Hornig, die am Englischen Institut ihr G 8-Abi gemacht hat, dafür das Tennisspielen aufgeben musste und sich jetzt für eine Rückkehr zu G 9 stark macht - zumindest als Wahlmöglichkeit. Zum Schuljahr 2004/2005 wurde G 8 in Baden-Württemberg eingeführt. Seitdem ist der achtjährige der reguläre Weg an 91 Prozent aller Gymnasien im Ländle. Die Kritik am "Turbo-Abitur" reißt aber nicht ab. Und genau das ärgert Herkert, den Direktor des Mosbacher Nicolaus-Kistner-Gymnasiums (NKG). Denn an seiner Schule klappt G 8: "Bei uns ist das kein Schreckgespenst. Wenn man will, dann kann man es gut machen", sagt er.

Für Herkert sprechen die Zahlen. Das NKG hat 750 Schüler, dieses Jahr wurden 119 Sextaner begrüßt. Die Abiturdurchschnitte liegen bei 2,1 oder 2,2, die Abbrecherquote liegt bei einem Prozent. Für den Direktor Beleg genug, dass so viel nicht schief laufen kann an seiner Schule: "Und ich wäre der Erste, der etwas ändern würde, wenn es nicht klappt und die Schüler nur gestresst wären. Wir haben hier aber fröhliche Kinder." Die außerdem Zeit für Hobbies haben, weil es am NKG in der Unter- und Mittelstufe keinen regulären Nachmittagsunterricht gibt. "Brauchen wir nicht", sagt Herkert. Für die Fächer reichen die sieben Stunden bis 14 Uhr. Danach gibt es im Rahmen der freiwilligen Ganztagesbetreuung Arbeitsgemeinschaften, Förderangebote oder Hausaufgabenbetreuung. Herkerts Stichwort: Rhythmisierungskonzepte. Sprich: die richtige Organisation des Schultags, die von Lehrern, Eltern und auch Schülern mitgetragen werde, wie er sagt. Die Sextaner am NKG haben 30 Schulstunden in der Woche und spätestens um 12.55 Uhr aus. Mittelstufenschüler kommen auf sieben Unterrichtsstunden am Tag und sind um 14 Uhr daheim. Dem NKG kommt zugute, dass zwischen der sechsten und siebten Stunde keine lange Mittagspause eingeschoben wird. Herkert spricht hier von Zugeständnissen für eine Regelung im ländlichen Raum. Ab Klasse zehn und in der Oberstufe haben die Schüler an einem Nachmittag Unterricht. Aber das kennt Herkert auch aus seiner eigenen Schulzeit, als neun Jahre am Gymnasium noch Usus waren. Nichts Besonderes also.

Der Direktor gibt zu, dass es schon eine Herausforderung gewesen sei, als am Auguste-Pattberg-Gymnasium (APG) zum Schuljahr 2013/14 der G 9-Modellversuch eingeführt wurde - zumal bei der allgemeinen Stimmung gegen G 8. Das APG ist Luftlinie nur 800 Meter entfernt vom NKG: "Aber ich habe diese Schule noch nie schlecht gemacht und werde es auch nicht tun. Mich bestätigen einfach unsere eigenen Ergebnisse", sagt Herkert: "Unser Konzept passt zu uns." Deshalb will er sich auch gar nicht über Schulen äußern, die G 8 nicht ohne Nachmittagsunterricht hinbekommen.

Lieber klärt er auf, wo es Missverständnisse geben könnte. Zum Beispiel, was das Fach Physik angeht: "Im regulären G 8-Gymnasium wird Physik von Klasse sieben bis zwölf unterrichtet, in der verlängerten Form G 9 in den Klassen acht bis 13, sonst ändert sich nichts. So ist es in vielen anderen Fächern auch." Physik könne schon deshalb früher in den Stundenplan aufgenommen werden, weil die Kinder heute aus Kindergarten und Grundschule ganz andere Voraussetzungen mitbrächten als früher, sagt der Direktor. Etwa auch erste Englischkenntnisse. In Klasse sechs fällt am NKG die Entscheidung, ob die Schüler Englisch vertiefen möchten. Sie haben dann eine Wochenstunde mehr in diesem Fach. Ab Klasse sieben können sie sich im Rahmen des bilingualen Zugs zudem in Bio, Erdkunde und Geschichte in englischer Sprache unterrichten lassen. Herkert weiß, dass man in der Konkurrenz um die Schüler etwas tun muss. Also verweist er auch gerne darauf, dass das NKG "Partnerschule für Europa" ist.

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Oder darauf, dass es für den reibungslosen Wechsel an die weiterführende Schule an seinem Gymnasium ein Betreuungsverfahren in Klasse fünf und sechs gibt. Zwei Unterstufenbetreuungslehrerinnen und die schuleigene Gesundheitsmanagerin unterstützen gemeinsamen mit Paten aus höheren Klassen und vielen Aktionen die neuen Schüler und sorgen von Anfang an für eine gute Atmosphäre. Die Schüler sollen ankommen und sich von Anfang an gut aufgehoben fühlen: "Bei uns werden die Schüler jedenfalls nicht zu Maschinen, die keine Freizeit mehr haben", sagt Herkert. Umso mehr stört es ihn, wenn der heute reguläre Weg zum Abi pauschal schlecht gemacht und geradezu verteufelt wird. Überhaupt der abfällige Begriff vom "Turbo-Abitur": Herkert dreht den Spieß um. G 9 sei heute der verlangsamte Weg.

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