Prozess wegen Mordversuchs

Bremsscheibe mit Fett beschmiert - 5 Jahre Haft für 35-Jährigen  (Update)

Familienvater schmierte Bremsscheiben mit Fett ein - "Ich wünsche, dass sie mich in Ruhe lassen. Ein für alle mal."

27.11.2019 UPDATE: 16.12.2019 18:56 Uhr 4 Minuten, 48 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Willi Berg

Heidelberg. Die Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes sollte mit ihrem Auto verunglücken. Damit dies passiert, hatte ein Angeklagter die Bremsscheiben ihres Pkw mit Fett eingeschmiert. Davon ist das Heidelberger Landgericht überzeugt und verurteilte den Polen jetzt zu fünf Jahren Haft.

Der 35-Jährige habe die junge Frau dafür verantwortlich gemacht, dass sein Kind aus der Familie genommen wurde. Dies erfolgte wegen einer akuten Kindeswohlgefährdung des im Mai 2018 geborenen Mädchens. Die Staatsanwaltschaft forderte sieben Jahre Haft unter anderem wegen versuchten Mordes.

Das Gericht sah dies anders und verurteilte den Mann unter anderem wegen eines versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr sowie der versuchten gefährlichen Körperverletzung. Die Tat sei zwar "abstrakt lebensgefährlich", einen Tötungsvorsatz vermochte das Gericht jedoch nicht erkennen.

Die 24-jährige Sozialpädagogin hatte großes Glück. In einer Werkstatt wurde die Manipulation zufällig entdeckt. Hintergrund der Tat: Das Jugendamt hatte das Baby des Angeklagten und seiner schwerbehinderten Gattin in Obhut genommen und dann in einer Pflegefamilie untergebracht. Der Angeklagte sei überfordert gewesen und habe die Mitarbeit mit dem Jugendamt verweigert, sagte der Vorsitzende Richter Jochen Herkle.

In der Folgezeit spionierte der 35-Jährige die junge Frau mit Hilfe eines GPS-Senders an ihrem Auto aus. "Er wollte sie lückenlos überwachen", sagte Herkle. Er habe die Frau unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Einmal durchbohrte er alle vier Reifen ihres Wagens.

Später beschmierte er die Bremsscheiben mit Fett, was die Sozialpädagogin nicht bemerkte. "Er wollte, dass sie einen Unfall erleidet und erheblich verletzt wird", sagte Herkle. Eine Notbremsung bei hoher Geschwindigkeit hätte wohl verheerende Folgen gehabt. Dann wäre der Bremsweg um ein Drittel länger gewesen.

"Das hätte tödlich ausgehen können", glaubt Opferanwalt Silvio Käsler.  Der Anwalt  bezeichnete den Angeklagten als "empathie- und skrupellos". Die Tat sei "besonders hinterhältig".

Es mache sie wütend und traurig, dass er "meinen Tod beabsichtigte", sagte das Opfer. Die Vorfälle hätten sich gravierend auf ihre Psyche ausgewirkt. Seither habe sie ihre "Unbeschwertheit im Alltag verloren". An den Angeklagten gerichtet, sagte sie: "Ich wünsche, dass sie mich in Ruhe lassen. Ein für alle mal."

In dem Prozess wollte sich der Mann nicht zu den Vorwürfen äußern. Seine schwer an MS erkrankte Frau ist pflegebedürftig und lebt jetzt in einem Heim. An den Rollstuhl gefesselt, konnte sie ihr Baby nicht angemessen versorgen. Auch der Vater kümmerte sich offenbar nicht ausreichend um die Kleine und ließ sie manchmal allein. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes verlangte daher die Herausgabe des Kindes. Als der Vater sich weigerte, wurde die Polizei eingeschaltet. Das Baby lebt jetzt bei einer Pflegefamilie.  Den Eltern wurde das Sorgerecht entzogen.

Damit will sich der Vater nicht abfinden. Das geht aus seinem im Knast verfassten Brief hervor. Sein Kind sei "von einer Psychopathin entführt" worden, schrieb er an seine Schwiegereltern in Polen. Gemeint ist die Mitarbeiterin des Jugendamtes, das er als "Hitlerjugendamt" bezeichnet. Und: Die Schwiegereltern sollten von der "Gestapo" die Herausgabe des Kindes fordern.

Seine Mandantin sei durch den Brief sehr beunruhigt, sagte Opferanwalt Silvio Käsler. Auch weil darin deren Privatadresse der mitgeteilt wurde. Sie sei nicht mehr für den Fall zuständig und wisse auch nicht, wo das Kind sich befinde, sagte die 24-Jährige.

Verteidiger Tim Wullbrandt ist sich sicher: "Er wollte kein Leben zerstören." Er beantragte eine Gesamtstrafe von höchstens drei Jahren und vier Monaten.

Der Angeklagte wurde jetzt noch wegen anderer Straftaten verurteilt. Darunter wegen Nötigung und Freiheitsberaubung.

So hatte er das Auto einer Amtstierärztin ausgebremst und seinen Wagen quer über beide Fahrbahnen gestellt. Die Veterinärin wollte zuvor den Gesundheitszustand seines kranken Hundes kontrollieren. Der Pole ließ sie jedoch nicht in die Wohnung und fuhr ihr dann hinterher.

Zudem schloss er sich am Tag darauf mit Mitarbeiterinnen des Landratsamts in Wiesloch in deren Büros ein. Grund war ein Bußgeldbescheid über mehrere tausend Euro wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Der Angeklagte habe seinen Hund wochenlang nicht versorgt. Das Tier sei in einem "erbarmungswürdigen Zustand" gewesen, so Richter Herkle.

Der Verteidiger wies zurück, dass sein Mandant kein Mitgefühl habe. So habe der Pole seine Frau geheiratet, obwohl er um ihre schwere Krankheit wusste. Und sei in Elternzeit gegangen, um für das Neugeborene da zu sein. "Er versuchte sein Mögliches." Doch es sei zu viel für ihn gewesen.

Update: Montag, 16. Dezember 2019, 18.56 Uhr


Von Willi Berg

Heidelberg. Ein 35-Jähriger soll versucht haben, eine Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes zu ermorden. Seit Mittwoch muss sich der Pole dafür vor dem Heidelberger Landgericht verantworten. Damit die Frau mit ihrem Auto verunglückt, soll der Familienvater alle vier Bremsscheiben mit Fett eingeschmiert haben. Der Mann habe deren Tod und den anderer Verkehrsteilnehmer "billigend in Kauf genommen", sagte Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt. Passiert ist nichts, da die Manipulation in einer Werkstatt aufflog.

Das Jugendamt sah eine akute Gefährdung des im Mai 2018 geborenen Kindes des Angeklagten und seiner schwerbehinderten Gattin. Daher hatte es die Behörde in Obhut genommen und dann in einer Pflegefamilie untergebracht. "Das Kind wurde uns weggenommen", sagte der Angeklagte. Zu den Vorwürfen werde sich sein Mandant aber nicht äußern, so Verteidiger Tim Wullbrandt.

Die Frau des Angeklagten hat MS und ist an den Rollstuhl gefesselt. Daher konnte sie sich nicht um das Baby kümmern. Der Vater habe das Kind mehrfach unbeaufsichtigt gelassen. Pflegedienst und Familienhilfe hätten ihr das berichtet. "Ich würde es als Vernachlässigung bezeichnen", sagte die Mitarbeiterin des Jugendamtes. Bei einem unangekündigten Besuch in der "ziemlich unordentlichen" Wohnung des Paares in Bammental habe sich die Mutter in einem "hilflosen Zustand" befunden. Im Bad hätten sich mehrere Hundewelpen befunden. "Es stank nach Kot und Urin."

Sie forderte den Vater auf, sein Kind niemals alleine zu lassen. Dieser habe sich jedoch geweigert, eine entsprechende Verpflichtung zu unterschreiben, erinnerte sich die 24-Jährige. Darauf hätten sie und ihre Kollegin entschieden, das Baby in Obhut des Jugendamtes zu nehmen. Mit Hilfe der Polizei, weil der Vater das Kind nicht herausgeben wollte. Monate danach seien die vier Reifen ihres Autos durchbohrt und eine Tür zerkratzt worden.

In der Verhandlung vor dem Familiengericht am 13. Juni 2019 habe der Mann erklärt, er wisse, wo sein Kind ist. Er werde es holen und nach Polen bringen. Das Familiengericht habe daraufhin eine Ausreisesperre verhängt und dem Paar die elterliche Sorge entzogen.

Was die Sozialpädagogin schockierte: Der Angeklagte habe ihr nach dem Termin im Gericht Bilder gezeigt. Darauf zu sehen ihr Auto, das Elternhaus und die Wohnung der Pflegemutter. Polizisten hätten bei dem Mann Bewegungsprofile von ihr und der Pflegemutter gefunden. "Ich habe mich bedroht gefühlt", sagte die Mitarbeiterin des Jugendamtes. Sie fuhr in eine Werkstatt, um ihr Auto nach einem GPS-Sender absuchen zu lassen. Der wurde zwar nicht gefunden. Doch man machte dort eine erschreckende Entdeckung: Die Bremsscheiben waren mit Fett beschmiert.

Trotz eines gerichtlichen Annäherungsverbotes soll der Angeklagte ihr Luftaufnahmen vom Wohnort des Bruders in den Briefkasten gesteckt haben. Darauf kontaktierte sie die Heidelberger Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen aufnahm. Nach einer Hausdurchsuchung wurde der Pole Ende Juni 2019 verhaftet, wobei er Widerstand geleistet haben soll. Seitdem hat die 24-Jährige Ruhe. Froh sei sie über den Rückhalt beim Jugendamt. "Ich habe tolle Kollegen." Auch deshalb will sie dort weiter tätig sein.

Dem Mann werden weitere Taten vorgeworfen. So soll er das Auto einer Amtstierärztin ausgebremst und seinen Wagen quer über beide Fahrbahnen gestellt habe. Die Veterinärin wollte zuvor den Gesundheitszustand seines kranken Hundes kontrollieren. Der Pole ließ sie jedoch nicht in die Wohnung und fuhr ihr dann hinterher. Zudem soll er sich mit Mitarbeiterinnen des Rhein-Neckar-Kreises in Wiesloch in deren Büros eingeschlossen haben. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage anberaumt. 23 Zeugen und drei Sachverständige sollen gehört werden. Das Urteil ist für 18. Dezember geplant.