Auf dem Nominierungsparteitag im vergangenen Jahr ließ sich Nikolas Löbel von den Mitgliedern noch feiern. Jetzt muss eine vom Kreisverband eingesetzte Kommission schleunigst einen Nachfolger als Bundestagskandidat finden. Foto: Alfred Gerold
Von Alexander Albrecht
Mannheim. Es ist ein harter Satz und zugleich eine ziemlich treffende Zustandsbeschreibung: "Die CDU Mannheim liegt politisch am Boden, den letzten Beweis hierfür haben die Ergebnisse der letzten Landtagswahl geliefert", heißt es gleich zu Beginn eines Schreibens von vier Parteigranden an den Kreisvorstand. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Egon Jüttner, die Ex-Stadträte Konrad Schlichter und Roland Hartung sowie der frühere Bürgermeister Rolf Schmidt erneuern darin ihre Kritik an der kommissarischen Vorsitzenden Katharina Funck und ihrer Führungsmannschaft.
Der Kreisvorstand hatte am Dienstag gegenüber den Medien angekündigt, bei der Suche nach einem neuen Bundestagsabgeordneten eine Findungskommission einzusetzen sowie die Mietverträge in der Geschäftsstelle mit der GmbH des über die Maskenaffäre gestolperten Nikolas Löbel zu kündigen. Das Quartett hatte sich bereits am 9. März an die Parteispitze gewandt und legt jetzt nach. Die Pressemitteilung sei an Realitätsverweigerung kaum zu unterbieten, wettern die Vier.
Das "System Löbel" habe sich seit vielen Jahren entwickelt – "ohne dass der Vorstand ihm Grenzen gesetzt hätte, die für die Rechtsstaatspartei eigentlich in ihrem Erbgut liegen müssten". Man habe den Eindruck gewonnen, die Partei sei nur noch ein Vehikel für die Ambitionen des Ex-Abgeordneten und Kreisverbandschefs. Nun stehe die Mannheimer CDU vor einem Scherbenhaufen; sie sei in ihrem öffentlichen Erscheinungsbild "moralisch verkommen", politisch bedeutungslos und – "wie man hört" – in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Dies allein mit Löbels Verhalten zu erklären, sei aber zu kurz gesprungen. Jüttner und Co. fordern "mit hoher Priorität" ein ordnungsgemäßes und transparentes Finanzgebaren. Wer in der Vergangenheit im Kreisverband dieses selbstverständliche Recht einforderte, habe mit größten Widerständen rechnen müssen.
So wie Heinrich Braun, 2015 seines Amtes enthobener Schatzmeister des Ortsverbands Schwetzingerstadt/Oststadt. Er hatte einen umfassenden Einblick in die Rechenschaftsberichte des Kreisverbands verlangt und war bei den früheren Parteivorsitzenden Claudius Kranz und Löbel auf Granit gebissen. Dabei hatte Braun in der Sache Recht: Der Kreisverband hatte hohe Schulden und musste dies mitten im Oberbürgermeisterwahlkampf zähneknirschend einräumen. Ein Parteitag verabschiedete ein Sanierungskonzept, sämtliche Redner kritisierten und beschimpften den nicht anwesenden Finanzfachmann. Öffentlich hielt fast nur Hartung zu Braun.
Oder Chris Rihm und Andreas Pitz. Die damaligen Vorstandsmitglieder forderten im vergangenen Jahr Aufklärung über die von Löbels Ein-Mann-Firma mit dem Kreisverband abgeschlossenen Untermietverträge in der Geschäftsstelle. Auch diese beiden wurden auf dem Nominierungsparteitag für die Bundestagswahl von mehreren Mitgliedern niedergemacht. Sie verließen Vorstand und Partei, Rihm ist inzwischen zu den Grünen gewechselt. Die verdienten Partei-Senioren wollen, dass ein unabhängiger Sachverständiger den gesamten "finanziell-wirtschaftlichen Komplex" der CDU Mannheim prüft. Bei Löbels fragwürdigen Mietgeschäften hatte diesen Job ein Parteifreund übernommen. Ex-Stadtrat und Anwalt Ralph Landsittel entlastete in seinem Gutachten den Bundestagsabgeordneten in fast allen Punkten. Die Vier fordern zudem abermals, dass der Kreisvorstand sofort zurücktritt. Sie bitten die Parteiführung um eine Stellungnahme bis kommenden Samstag.
Doch diesen Gefallen wird ihnen der Vorstand erneut nicht tun, wie Katharina Funck am Mittwoch gegenüber der RNZ bekräftigte. Sie hatte sich vor der Vorstandssitzung am Montagabend noch um Schadensbegrenzung bemüht und Egon Jüttner zu dem Treffen eingeladen. Doch der kam nicht. Außerdem scheiterte Funck mit ihrem Antrag, den Alt-Parlamentarier in die Findungskommission einzubinden. Jüttner streute in einem Interview beinahe genüsslich noch mehr Salz in die Suppe. In der Kommission säßen "ja nur Löbel-Leute", unkte er.
Funck widersprach. Sie nannte beispielhaft die Kommissionsmitglieder Martina Herrdegen als Vertreterin des Mannheimer Mittelstands, die junge Mutter und Bezirksbeirätin Antje Siebler und Lennart Christ, den Vorsitzenden der Jungen Union. Jung und weiblich, daran fehle es der CDU, gestand Funck. Bei der Kandidatensuche ist Eile geboten. Schon am 24. April wählt der Bezirksverband Nordbaden seine Vertreter für die Landesliste zur Bundestagswahl. Bis dahin – und möglichst einige Tage früher – müsse der Mannheimer Bewerber feststehen, wenn er einen Platz auf der Landesliste bekommen wolle, sagte Funck.
Sie selbst steht als Kandidatin für den Bundestag nicht zur Verfügung. Als Mutter von zwei kleinen Kinder im Alter von ein und drei Jahren fehle ihr dafür die Zeit. Schon jetzt müsse sie als Übergangschefin der Mannheimer Christdemokraten Abstriche bei der Familie machen. Mit Nikolas Löbel verbindet Katharina Funck auch eine private Freundschaft. "Und das bleibt so, diese Tür ist immer offen. Politisch war sein Verhalten nicht hinnehmbar." Seit Bekanntwerden des Maskenskandals haben sich Löbel und Funck nicht mehr gesehen.